„Ich kann morgen so machen“, schnippt Landeshauptmann Franz Voves mit den Fingern, „und jeder Aufsichtsrat schaut anders aus.“ Er kündigt Veränderungen in allen Aufsichtsräten von Landesgesellschaften an, die der SPÖ unterstellt sind (Estag, Joanneum) und in der ein VP-Aufsichtsrat nachweislich aus Parteitaktik gegen die Interessen des Eigentümers agiert. „Cäsarenwahn“, feixt VP-Klubobmann Christopher Drexler.

Um diesen dialogue de sourds* des Chefs der steirischen Landesregierung und des Fraktionsvorsitzenden seines Zwangs-Regierungspartners einem Nichtsteirer verständlich zu machen, müsste man eine Einführung in die steirische Landespolitik schreiben. Ein Aspekt ist, dass die steirischen Landesgesellschaften als Unternehmen verfasst sind und als politische Instrumente benutzt werden. Die Diskussion über den Umzug von Studiengängen der FH Joanneum ist ein Ergebnis dieser schizophrenen Situation. Könnte die FH tatsächlich als Unternehmen arbeiten, wären die jetzt gestoppten Absiedlungen sicher nicht beschlossen worden.

Eine Konsequenz für mich als bloggenden Mitarbeiter der FH: Ich begebe mich immer auf eine Gratwanderung, wenn ich über die FH schreibe. Zu welchen Grenzen verpflichtet mich die Loyalität zu meinem Arbeitgeber, wieviel öffentliche Kritik erlaubt oder fordert die Redefreiheit in einer Demokratie? Als Hochschullehrer arbeite ich übrigens in einem ähnlichen Dilemma: Ich agiere durchaus auch in der Öffentlichkeit — jedenfalls nach meinem Berufsverständnis — und muss andererseits auch hier vermeiden, die Institution, an der ich arbeite, in der Öffentlichkeit zu schädigen.

Überhaupt nicht über die Hochschule zu bloggen, an der ich arbeite, wäre nur für Leute eine Lösung, die soziale Medien zum Schweigen bringen und die öffentliche Darstellung von Institutionen den Pressestellen überlassen wollen. Worüber soll ich schreiben, wenn nicht über Dinge, die ich kenne? Es ist ja gerade der Vorteil von Webmedien, dass man differenziert und für kleine und kleinste Zielgruppen berichten kann. Ich habe ganz andere Möglichkeiten und kann viel detailreicher informieren und diskutieren als ein Journalist, der sich mit begrenztem Zeit- und Platzbudget an die steiermärkische oder gar österreichische Gesamtöffentlichkeit wendet.

Die Institution, an der ich arbeite, wird öffentlich finanziert. Die Gesellschaft kann erwarten, dass sie darüber informiert wird, was mit ihrem Geld geschieht. Es gibt keinen Grund dafür, diese Information nur den institutionell Mächtigen zu überlassen — sonst wäre demokratische Kontrolle eine Farce. Und auch für die Fachöffentlichkeit, für die Wissenschaftler- und Bloggerkolleginnen ist es wichtig zu erfahren, unter welchen Bedingungen über ein Thema geforscht und reflektiert wird. Schließlich kann man inhaltliche Fragen und institutionelle Zusammenhänge nicht trennen.

Ich habe keine Antwort auf die Frage, wie ich Vorgänge an der Hochschule, an der ich arbeite, in einem Weblog thematisieren kann oder soll. Ich hoffe, dass niemand versucht, diese Frage durch Schreibverbote zu beantworten — aber dafür dürfte es im Augenblick keine rechtlichen Grundlagen geben. Die öffentliche Reputation einer Hochschule wird sicher gefördert, wenn ihre Mitarbeiter bloggen und ihre Arbeit (einschließlich der Arbeitsbedingungen) öffentlich diskutieren.

Zu bloggen ist für mich auch hier ein Experiment. Wie bei jedem Experiment muss man dabei die Grenzen des Bekannten überschreiten, und man kann nicht sicher sein, was man erfährt. Zu viel Ängstlichkeit macht es unmöglich, Neues zu finden.

Zurück zu Franz Voves und seinen Machtphantasien: Die Debatte über die Standortverlagerungen an der FH, die hier in Graz in den letzten Tagen enorme Wellen geschlagen hat, war ein PR-Desaster für die SPÖ, übrigens nicht das einzige. Die Verantwortlichen haben nicht nur eine falsche, sie haben überhaupt keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Sie sind offenbar nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sie für eingreifende hochschulpolitische Maßnahmen Öffentlichkeitsarbeit brauchen — und das bei Entscheidungen über Studiengänge, die in einem öffentlichen Netzwerk arbeiten. Dieselbe Blindheit für das Funktionieren von Öffentlichkeit, die dazu geführt hat, dass diese Entscheidungen überhaupt getroffen wurden! (Sie drückt sich übrigens auch darin aus, dass der Medienbereich im Positionspapier der Landesregierung zur Zukunft der FH Joanneum, PDF! nicht vorkommt.) Statt mit dem Finger zu schnippen, muss die SPÖ endlich lernen, mit Bürgern und Betroffenen auf gleicher Augenhöhe zu sprechen. Sonst stirbt sie in urbanen Umfeldern wie Graz irgendwann aus.

* dialogue de sourds, Dialog der Tauben, steht im Französischen für den Scheindialog zweier Partner, die sich nichts zu sagen haben

3 Kommentare zu “Landeshauptmann Voves schnippt mit den Fingern

  1. Zukünftige Journalisten, die eigentlich keine Journalisten werden sollten
    Das Semester hat wieder begonnen und wie jedes Jahr finden sich 28 ambitionierte junge Erstsemestrige im Studiengang Journalismus und Unternehmenskommunikation der FH Joanneum wieder. Journalismus und Unternehmenskommunikation: …

  2. Lieber Mike,
    bisher hat mich niemand aufgefordert, mich zurückzuhalten, und ich schreibe nur über Dinge, die öffentlich bekannt sind. Das halte ich in einer Demokratie für normal, rebellisch kann es nur durch die Umstände werden.
    Zur FH: Leider hat sich niemand in der Öffentlichkeit rechtzeitig mit dem Positionspapier der Landesregierung (PDF) beschäftigt. Ich glaube, dass die Provinzialität und das enge Verständnis von Wirtschaft und Industrie, die sich in diesem Papier ausdrücken, die Hauptursache für die späteren Fehlenentscheidungen sind. In einer Kulturhauptstadt Europas werden Kultur und Medien als Wirtschaftsfaktoren nicht einmal genannt.
    Bis bald
    H

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