So macht man jemand fertig: Korruption und Manipulation an der FH Joanneum?. Die Leute, die unseren Studiengang und seinen Leiter diskreditieren wollen, haben das Organ gefunden, das ihren ethischen Substandards entspricht: die Krone. Wäre der Kontext nicht so fatal: Der Studiengang könnte stolz darauf sein, dass seine Gegner dieses Revolverblatt zu ihrer Plattform machen. Wenigstens hat die Kleine Zeitung noch so rechtzeitig Wind von der Sache bekommen, dass die Krone nicht allein berichten konnte: Revancheakt gegen Leiter des Journalismus-Lehrgangs?. Claudia Gigler stellt die wichtigsten Fakten richtig.

Ich muss zu dieser Angelegenheit Stellung nehmen—weiß aber noch nicht wirklich, wie. Die Artikel in der Krone und der Kleinen sind für Außenstehende unverständlich. Hintergrund sind Angriffe gegen unseren Studiengang, die von einem ehemaligen Lehrenden ausgehen, der im vergangen November gekündigt wurde. Er musste nach heftigsten Konflikten mit Studenten und Kollegen (darunter mir) gehen. Studierende hatten gegen die Inhalte seines Unterrichts, vor allem aber gegen seinen autoritären Stil protestiert. Ein ganzer Jahrgang hatte sich geschlossen geweigert, seine Lehrveranstaltungen weiter zu besuchen.

Seitdem geht der ehemalige Kollege gerichtlich gegen die Kündigung vor. Unmittelbar nach seiner Kündigung begann außerdem eine Kampagne gegen den Studiengang—leider auch mit Unterstützung aus dem Haus. Interne Unterlagen wurden (z.T. von einem im Auftrag des früheren Kollegen agierenden Anwalt) allen zugespielt, die in irgendeiner Weise Einfluss auf unseren Studiengang und seinen Leiter haben könnten, so dem Fachhochschulrat, dem Aufsichtsrat der FH und dem Wissenschaftsministerium, anonym inzwischen auch den Mitgliedern einer Kommission zur institutionellen Evaluierung der FH. Zu diesen Unterlagen gehören Dokumente über das Revisionsverfahren gegen den Studiengang, das in unmittelbarem Zusammenhang mit den Konflikten ausgelöst wurde. (Zu diesen Unterlagen gehören auch Dokumente, die mich persönlich als Spalter des Studiengangs, Feind des Journalismus und Opportunisten gegenüber den Studenten darstellen. Ich bin also, wie ich gerne zugebe, befangen.) Die Anzeige, von der die steirischen Zeitungen heute berichten, gehört in den Kontext dieser Kampagne—unabhängig davon, wer unmittelbar für sie verantwortlich ist.

Ich möchte schon seit Langem über diesen Komplex schreiben, und ich werde es in den kommenden Tagen ausführlicher tun. Ich weiß, dass ich damit juristische Schritte gegen mich riskiere, und dass ich möglicherweise dem Vorwurf Nahrung gebe, ich hätte den früheren Kollegen „gemobbt“. Ich glaube aber, dass diese Geschichte—endlich—ganz in die Öffentlichkeit gehört. Wenn wir den Hintergrund dieser Kampagne nicht aufdecken, riskieren wir, dass die Reputation des Studiengangs dauerhaft leidet.

Ich beschäftige mich gerade wieder mit Google Buzz—u.a. weil ich heute beim Grazer Webmontag etwas darüber sagen möchte. Ich fühle mich nicht als Experte, ich habe mich noch nicht richtig mit Buzz vertraut gemacht. Wie über allen anderen sozialen Technologien im Anfangsstadium kann man über Buzz nur vernünftig etwas sagen, wenn man es praktiziert hat. Mein Hauptproblem dabei, Buzz zu praktizieren, ist nicht eine schlechte signal vs. noise ratio sondern die hohe Qualität der Diskussionen, denen ich folge. Man kann sie kaum in Echtzeit verarbeiten.

Buzz fasziniert mich noch immer. Trotzdem kommt es mir vor, als wäre Buzz falsch herum gelauncht worden. Interessant und innovativ an Buzz sind die vielen offenen Technologien, auf denen es aufbaut (dazu z.B. James Clark und
Louis Gray). Als Produkt, als Community oder soziales Netzwerk dagegen wirkt Buzz auf mich wie auf dem Reissbrett entworfen, wie eine von Technikern und Produktmanagern erdachte Verpackung für möglichst viele und möglichst fortgeschrittene Features. Buzz fehlt die evolutionäre Entwicklung, es ist anders als Twitter, Friendfeed und auch Facebook top down konzipiert und konsequenterweise ja auch so eingeführt worden.

Mich erinnert das an Microsoft-Produkte und ihre Featuritis (ich sage das als Google-Fan). Die Stärke von Imperien wie Google liegt nicht in Produkten, die Sex haben und die Benutzer verführen. Google sollte sich auf die Infrastruktur konzentrieren. Dort hat auch Microsoft seine Stärken—etwa mit der Entwicklung des XMLHttpRequest. Ein soziales Netz, dass von einem Großkonzern gestartet wird, hat etwas von einer Betriebsfeier: Buffet und Band mögen gut sein—aber Gäste und Umgebung wirken immer aufgedonnert.

Habe erst ein wenig mit Google Buzz herumgespielt. Informativ ist die Aufzeichnung des Google Buzz Launch Event, man erfährt einiges darüber, was Google mit Buzz vorhat. Mein erster Eindruck: Buzz ist nach Twitter die erste Microblogging-Plattform mit Aussicht auf einen Massenerfolg. Ich glaube nicht wie Steve Rubel, dass Buzz als Rohrkrepierer endet, dazu hat es sich zu schnell verbreitet, und dazu ist es zu gut mit anderen Google-Diensten integriert. Ich verstehe Buzz nicht vor allem als Alternative zu Twitter. Buzz hat viele ganz andere Features, dafür fehlen ihm wichtige Funktionen von Twitter.

Twitter Buzz
Umfangsbegrenzung ja nein
Threaded Conversations nein ja
Posten an Gruppen nein ja
@-Replies ja ja
Retweeten/Weitersenden ja nein
Hashtags ja nein
Geoinformation optional ja
Automatisiertes Erkennen relevanter Informationen nein ja
Gmail/Google Profile-Integration nein ja

Mein zweiter Eindruck: Buzz ist nicht als Konkurrenz zu Twitter, sondern als Konkurrenz zu Facebook angelegt.

Buzz ist nicht nur eng mit GMail verbunden, sondern auch mit den Google-Profilen. Gmail-Benutzer erhalten mit Buzz einen Activity-Stream, der eher mit Facebook als mit Twitter Ähnlichkeit hat. Anders als Facebook (und Twitter) ist Buzz aber an offenen Standards orientiert (siehe dazu How Google Buzz is Disruptive: Open Data Standards). Mit Buzz, Open Social, GMail, Greader und GTalk hat man via Google fast alle wichtigen Funktionen zur Verfügung, die Facebook anbietet, aber eher als einen Baukasten, dessen Teile man leicht durch andere Teile ersetzen kann.

Mein dritter Eindruck: Buzz macht es noch schwieriger, den eigene Lifestream zu organisieren. Schon vor Buzz musste man sich entscheiden, auf welchen Plattformen man Inhalte erzeugt, und welche man eher zum Sammeln und Abspielen verwendet. Ich benutze selbst Typepad und Twitter zum Schreiben; Diigo, GReader, Posterous und einige andere Tools zum Sammeln und Sharen; Friendfeed, Facebook und soup.io zum Verbreiten. Ich benutze die Tools ähnlich wie Louis Gray, der in The New 2010 Social Media Data Flow, With Buzz in einer Grafik zeigt, wie er seinen Activity- oder Lifestream organisiert:

Ich werde Buzz auch zum Sammeln und Verbreiten verwenden, hoffe aber, dass sich dort auch Unterhaltungen entwickeln, und die werden außerhalb von Buzz, also z.B. bei Facebook und Friendfeed, vorerst nicht zu verfolgen sein. Das Problem, wie man Kommentare jenseits von Daten-Silos verfügbar macht, ist nicht gelöst; Buzz soll in absehbarer Zeit das Salmon Protocol unterstützen.

Vierter Eindruck: Spätestens mit Buzz etabliert sich eine eigene, webtypische Art asynchronen dialogischen Schreibens. Es gibt verschiedene unscharfe Bezeichnungen für dieses „Genre“: Microblogging, Activity Streams, vielleicht auch einfach Twittern. Es handelt sich um Schreibweisen mit offenen Grenzen zu Blogs auf der einen Seite und zum Instant Messaging auf der anderen Seite. Im Gegensatz zum Email sind sie hypertextuell, tenedenziell öffentlich und an URLs gebunden. Bisher werden diese Schreibformen meist mit den Plattformen, z.B. Twitter oder Facebook, identifiziert, auf denen man sie ausüben kann. Je mehr solcher Plattformen aber existieren, desto mehr wird sichtbar, dass es sich hier um etwas wie eine eigene Textsorte handelt, die an die hypermediale Umgebung des Webs gebunden ist.

In der Welt der Web-Markupsprache HTML hat sich spätestens seit der Gründung der WHAT WG eine Revolution abgezeichnet. Aber erst im vergangenen Jahr ist sie tatsächlich ausgebrochen. Die Vorstellung des HTML 5-fähigen Safari 4 markiert sie ebenso wie der Start von Google Wave, das HTML 5 verwendet. Jetzt beginnt YouTube damit, HTML 5 statt Flash anzubieten, und Apple setzt wie beim iPhone beim iPad auf HTML 5 statt auf Flash. Steve Jobs hat gerade erst Adobe als „faul“ verhöhnt (via @MichaelReuter). Für Robert Scoble entscheidet sich in den nächsten Wochen, ob Flash noch eine Chance hat— Google habe dabei mehr mitzureden als Adobe selbst.

Ich merke, dass ich mich im Unterricht mit HTML 5 beschäftigen muss. Bisher habe ich, so weit das überhaupt zeitlich geht, in XHTML 1.0 eingeführt, und meine eigenen Kenntnisse auf diesem Gebiet sind ziemlich eingerostet.

Vielleicht lag es am Videocamp 2010, dem ich ein paar Stunden via Livestream gefolgt bin—jedenfalls habe ich meine eigene HTML 5-Weiterbildung gestern damit begonnen, Artikel über das video-Element zu lesen. In ein HTML 5-Dokument kann man Videos und Audios mit den Tags <video> und <audio> einbetten, so wie man bisher schon mit <img> angibt, wo und wie in einer HTML-Seite ein Bild dargestellt werden soll. Der Browser muss es nicht mehr einer fremden Anwendung—derzeit bei Computern meist Flash—überlassen, das Video oder Audio darzustellen. Die Region, in der das Video erscheint, kann mit CSS gestaltet werden, und per JavaScript hat man Zugriff auch auf diesen Teil des DOM-Trees.

Firefox, Chrome und Safari verstehen die Elemente video und audio. Für den Internet Explorer 9 ist HTML 5-Support angekündigt; ich habe noch nicht herausgefunden, ob das auch für die Video- und Audio-Darstellung gilt. Bisher muss man beim Internetexplorer mit Skripten auf Flash zurückgreifen, wenn man die HTML 5-Elemente für Multimedia verwendet, oder man kann das Plugin Google Chrome Frame benutzen (ich habe das nicht getestet; zu den fall back-Möglichkeiten auch: html5 video fallbacks with markup und Video for Everybody).

Was mit HTML 5 möglich ist, sieht man, wenn man im Safari 4 diese Seite öffnet. Auf sie bin ich durch eine andere spektakuläre HTML 5-Demo gestoßen [via ReadWriteWeb].

Ich bin noch auf der Suche nach Reise- oder eher nach Sprachführern für das HTML 5-Land. Eine gute Zusammenstellung bieten wohl die Web Design References. Empfehlen kann ich schon jetzt Mark Pilgrims Kapitel Video on the Web in seinem Online-Book-in-Progress Dive Into HTML5. Pilgrim beschreibt genau, wie man Videos mit offenen Tools in offenen Formaten anbieten kann, und welche Rückfallmöglichkeiten es da gibt, wo Browser diese Formate nicht unterstützen. Ein anderes ausführliches Tutorial zur Verwendung offener Videoformate mit HTML 5 hier.

Ein Linknest als Basislager für weitere Expeditionen (bzw. als Materialsammlung für meinen Unterricht):

John Gruber beklagt, dass sich bei den HTML 5-fähigen Browsern z.T. das Autobuffern (das Laden von Videos, bevor der Play-Button gedrückt wird), nicht unterbinden läst. Scott Gilbertson bedauert im Webmonkey zu Recht, dass YouTube jetzt zwar das video-element unterstützt, aber nicht die offene Codec Ogg Theora, die leider auch nicht Bestandteil des HTML 5-Standards werden wird. DailyMotion bringt 300.000 mit video eingebettete Videos, die mit Ogg Theora encodiert sind. Momente oder Abschnitte in Videos lassen sich in HTML 5-Dokumenten mit JavaScript ansteuern. Das Abspielen kann man, jedenfalls beim Firefox auch mit der Tastatur steuern. Es wurden eine Reihe alternativer Vorschläge dafür gemacht, wie Untertitel mit JavaScript hinzugefügt werden können; Bruce Lawson weist hier und hier, darauf hind, wie dringend dieses Problem gelöst werden muss, um Sites mit eingebetteten Videos barrierefrei zu machen.

Vor langer Zeit hat die SGML-Szene HyTime als Standard für zeitbasierte Medien ausgedacht. Mit HTML 5 werden vielleicht einige der Hoffnungen von damals Wirklichkeit.

Maryanne_wolf Auf Maryanne Wolfs Buch Proust and the Squid (dt.: Das lesende Gehirn) bin ich durch ein Interview mit der Autorin gestoßen; jetzt hat mich Schirrmachers Payback dazu gebracht, es tatsächlich zu lesen (und mir noch einige andere Titel zu bestellen).

Maryanne Wolf gibt einen Überblick über das, was man vor allem durch die Hirnforschung über die Mechanismen weiss, die das Lesen ermöglichen; sie beschreibt ausführlich, wie sich die Schrift und das Lesen historisch entwickelt haben, und sie schildert, wie Kinder lernen zu lesen und dabei die Geschichte der Schrift individuell wiederholen. (Ihre Darstellung erinnert an die Biogenetische Grundregel.) Drei fundamentale Eigenschaften des Gehirns machen das Lesen möglich:

  • das Umwidmen („repurposing“ oder „recycling“) von Funktionen, vor allem der Fähigleit, Repräsentationen zu speichern;

  • die Spezialisierung von Gehirnbereichen auf erlernte (also nicht genetisch vorgegebene) Aufgaben; und

  • die Automatisierung von oft wiederholten Funktionen, durch die Kapazitäten für neue Aufgaben freigesetzt werden.

Wenn das Gehirn die Fähigkeit erworben hat flüssig zu lesen, gewinnt es zusätzliche Zeitressourcen für das Denken, für die Bildung von Hypothesen und das Überschreiten dessen, was, z.B. im gerade gelesenen Text, vorgegeben ist. Die Automatisierung führt zu einer Entlastung, die neue, nicht genetisch vorgegebene Leistungen erlaubt.

Wolf leitet ein Zentrum zur Erforschung des Lesens und zur Therapie von Lesestörungen. Sie bettet die Darstellung wissenschaftlicher Forschungen in Reflexionen zur Bedeutung des Lesens ein, die immer wieder die eigene lebenslange Lektüreerfahrung und die eigene Biographie (z.B. als Mutter eines Kindes mit einer Leseschwäche) berühren. Lesen ist eine von der Natur gar nicht vorgesehene Tätigkeit, die ganze Gesellschaften ebenso umgeformt hat, wie sie jedes individuum umformt, das die Welt eines Buches nachschafft und sie sein Leben lang nie ganz verlässt. Für Maryanne Wolf ist das Lesen der Gipfel des für das Gehirn und damit auch für die Kultur Erreichten. Dabei befasst sie sich ausführlich mit Dyslexien, also Lesestörungen—vielleicht der interessanteste Teil ihres Buchs. Bei Dyslexien, die wahrscheinlich genetisch angelegt sind, werden Funktionen, die für das Lesen wichtig sind, von anderen Teilen des Gehirns übernommen als bei den meisten Menschen; bestimmte Regionen der rechten Hirnhälfte spielen eine wichtigere Rolle als im „Normalfall“. Menschen mit Dyslexien fällt das Lesen schwerer als anderen, sie verfügen dafür aber oft über besondere Begabungen vor allem bei der Mustererkennung und der Raumwahrnehmung.

Maryanne Wolf wird manchmal, auch von Frank Schirrmacher, als Kronzeugin für die kulturkonservative These angeführt, das Lesen auf dem Bildschirm und die Überflutung mit Informationen in der beginnenden digitalen Zivilisation gefährdeten die Bildung und die Lesefähigkeit. Tatsächlich warnt sie eindringlich davor, das Lesen als eine generative Fähigkeit, die Neues entstehen lässt, durch bloß reaktive „Informationsverarbeitung“ zu ersetzen. Ihre Thesen lassen sich aber nicht plakativ verwenden, um das gute Alte zu beschwören. Dazu argumentiert sie zu vorsichtig und dazu denkt sie zu differenziert. Sie stellt dar, was Literacy bedeutet, wie unwahrscheinlich sie ist und wie viel sie vorausetzt. Sie ruft nicht dazu auf, auf die nächste Stufe der Literacy zu verzichten, zu der die weltweite Vernetzung und die sofortige Erreichbarkeit von Informationen gehören. Sie insistiert nur darauf, nicht die Zeit zu verspielen, die durch diese neue Ebene der Entlastung gewonnen werden kann.

Thomas Knapp hat dazu aufgerufen, in einer Blogparade Prognosen zum österreichischen Wahljahr 2010 abzugeben; Christian Klepej, Gerald Bäck und Angela Lehner haben schon reagiert.

Ich traue mir nicht zu, etwas zu den Regionalwahlen außerhalb der Steiermark zu sagen—außer vielleicht, dass es die ÖVP in Wien wohl noch schwerer haben wird als bei den letzten Wahlen. Heinz Fischer wird—nonanet—Bundespräsident bleiben.

Hier in der Steiermark stehen Gemeinderats- und Regionalwahlen an. Hat man mit Leuten im Umfeld der Politik zu tun, merkt man: Die Frage, ob die SPÖ weiter an der Spitze bleibt, dominiert. Die Nervosität hat wenig mit den Handlungsmöglichkeiten der steirischen Landesregierung oder politischen Unterschieden zu tun, dafür viel mit persönlichem Einfluss, Posten- oder Fördergeldvergaben und Eitelkeiten. Das Proporzsystem, die lange gemeinsame Sozialisation der politischen Klasse in der Steiermark, die Kompetenzüberschneidungen mit dem Bund und die desaströse Finanzsituation sorgen dafür, dass sich die Balance nur wenig verschieben kann—aber man kämpft erbittert. Es ist wie in einer Firma, in der kleine Karriesprünge persönliche Tragödien auslösen können. Schwierig ist es nur, den Wählern zu erklären, warum sie sich für eine der großen Parteien entscheiden sollen.

Viele Wähler werden eher die Person als die Partei an der Spitze ankreuzen. Ein Vorteil für die SPÖ: Franz Voves ist Hermann Schützenhöfer in der persönlichen Wirkung und rhetorisch deutlich überlegen. Außerdem hat er es immer wieder geschafft, sich als eigenwillig und als Entscheider zu präsentieren. Schützenhöfer steht für Provinzialität—als Provinzler wird er gerade wieder plakatiert—und ist rhetorisch eine Schlaftablette. Regierungsmannschaft und Regierungspolitik der SPÖ fehlte der Glanz—aber die ÖVP hat es nicht verstanden, Alternativen zu entwickeln. Mit einer Kristina Edlinger-Ploder an der Spitze hätte sie bei weitem bessere Chancen.

Voves wird vor Schützenhöfer liegen—bekommt er auch eine Mehrheit im Landtag? Die KPÖ, die jetzt für eine linke Mehrheit sorgt, dürfte im nächsten Landtag durch die FPÖ ersetzt werden. Es ist schwer zu sagen, ob den Rechtsradikalen eher die das Land Kärnten regierenden politischen Banditen schaden oder ob ihr ein Erfolg des Wiener Ungustl nützen wird. Weder Voves noch Schützenhöfer schließen eine Koalition mit den Populisten aus. Die FPÖ dürfte eine Königsmacher-Rolle erhalten, aber eine geschwächte ÖVP wird eher an einer großen Koalition festhalten als in den kommenden Jahren mit der FPÖ Krisenmanagement zu betreiben.

Entscheiden werden wenige 10.000 Stimmen. Wer gewinnen will, muss viele kleine Gruppen für sich mobilisieren und dafür alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Außerdem werden nicht alle KPÖ-Wähler zur FPÖ wechseln, die SPÖ kann ihnen etwas anbieten. Die Situation wird also lange offen bleiben.

Zusammenfassung:

  1. Die SPÖ wird stärkste Partei.

  2. FPÖ und ÖVP werden Königsmacher.

  3. Kleine Wählergruppen und bisherige KPÖ-Wähler spielen eine wichtige Rolle.

Leider habe ich mir die Stelle nicht notiert—irgendwo habe ich zum Jahreswechsel gelesen, dass 2009 „Social Media“ als Buzzword „Web 2.0“ überholt hat. Ich habe den Eindruck, dass der Ausdruck, übrigens auch sein deutsches Pendant „soziale Medien“, oft schon selbstverständlich geworden ist. Mir selbst haben im letzten Jahr Internetausdrucker vorgeworfen, dass ich „Online-Journalismus“ und „Soziale Medien“ gleich setze. Anlässe, wieder einmal darüber nachzudenken, was mir diesem Ausdruck gemeint ist, und ob es sinnvoll ist, ihn zu benutzen.

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Ich experimentiere gerade zum ersten Mal etwas mit Google Wave, wir verwenden es zur Kommunikation über ein neues Projekt. Während des kurzen Hypes im Herbst, als die Einladungen noch selten waren, hatte ich nicht genug Zeit, um mehr zu tun, als ein paar öffentliche Waves zu öffnen, und jetzt scheint das Interesse schon weitgehend wieder verschwunden zu sein.

Zu Unrecht, glaube ich. Google hat vielleicht einen Fehler damit gemacht, Wave gleich als eierlegende Wollmilchsau anzukündigen, die alle möglichen Probleme der Online-Kooperation lösen kann. Die ersten Erfahrungen waren dann zwangsläufig enttäuschend, weil man gar nicht wusste, wozu man die vielen Features überhaupt braucht.

Man findet wohl einen viel einfacheren Zugang, wenn man Wave zunächst so verwendet, wie es vor allem gedacht ist, nämlich als bessere Alternative zur Email. Wave ist nicht um die einzelne Botschaft oder Mail herum organisiert, sondern um Konversationen oder Threads, von denen außerdem noch mehrere zu einer Wave zusammengefasst werden (die einzelne Konversation ist im Wave-Lingo ein Wavelet, die einzelne Botschaft—das Gegenstück zur Mail—ein Blip). Man kann, wie wahrscheinlich schon fast jede(r) gesehen hat, Personen einfach an solchen Konversationen beteiligen (so dass sie gleich die gesamte Konversation sehen und man ihnen nicht mühsam alte Emails forwarden muss), man kann alle Teile einer Konversation editieren und auf Details antworten, man kann das ganze wie in einem Chat in Echtzeit tun, und man kann Dokumente einbetten, die für alle Teilnehmer sichtbar sind. Das allein ist eine Serie von extrem nützlichen Funktionen. Man hat sie sehr schnell kennengelernt. Ich frage mich, warum man beim herkömmlichen Email bleiben soll, wenn man diese viel bequemere Möglichkeit hat zu kommunizieren.

Umgekehrt sehe ich nicht, was Email mehr kann als Wave – außer dass es viele verbreiteter ist. Wo Wave zu komplex ist, sind wohl Twitter-Botschaften oder Instant Messages die Alternative, nicht Email.

Sicher: Wave ist serverseitig eine sehr komplexe Angelegenheit, während man auf dem kleinsten Rechner Email-Server betreiben kann, wenn man will. Aber auch andere Kommunikationsformen wie Twitter verlangen eine sehr komplexe Server-Technologie und sind dabei im Gegensatz zu Wave proprietär.

Jedenfalls ermutigen mich die ersten Versuche, Wave weiterzuverwenden, und ich hoffe, dass ich wenigstens einige Leute in meiner Umgebung dazu bringen kann, es ebenfalls regelmäßig zu verwenden.

Mich interessiert vor allem, wie man Wave als Publikationstool verwenden kann, und in welchem Verhältnis es zu anderen XMPP-Anwendungen steht. Aber auch wenn Wave nicht mehr wäre als ein Email 2.0: Man sollte es nicht totsagen, obwohl es noch gar nicht ganz bei den Nutzern angekommen ist.

Ein paar der interessantesten Theoretiker des neuen Journalismus lehren in New York. Zwei von ihnen, Jay Rosen und Clay Shirky, haben vor Weihnachten an der New York University miteinander diskutiert. Fast in der Mitte der Diskussion erzählt Shirky, dass seine Studenten gedruckte Zeitungen gar nicht mehr aus eigener Anschauung kennen. „I have to buy physical newspapers“, sagt er—die er dann gleich zerschnitten hat, um an Gewicht festzustellen, wieviel Papier tatsächlich für journalistische Inhalte verwendet wurde, statt z.B. für Kreuzworträtsel und Horoskope.

Videos der Diskussion finden sich mit weiterem Material in der Dokumentation der New York University und bei YouTube. Hier das erste:

Wenn man sich dafür interessiert, was Öffentlichkeit heute sein kann, lohnt es sich, der Diskussion in Ruhe zu folgen. Ich habe es noch nicht geschafft, wenigstens den wichtigsten der vielen Anregungen nachzugehen. Rosen und Shirky interessieren sich für den Printjournalismus nur noch als historisches Phänomen. Sie halten die Suche nach neuen Business-Modellen für die Nicht-mehr-Print-Zeitungen für unwichtig, wenn man die Frage beantworten will, wie eine kritische Öffentlichkeit im Zeitalter der superdistribution funktionieren kann. Denn selbst wenn es Geschäftsmodelle für „Online-Zeitungen“ gäbe: In Web werden nicht Journalisten und Verlage steuern, welche Nachrichten wie viele Bürger erreichen.

Rosen und Shirky haben unterschiedliche Augangspunkte—Rosen die Tradition des Bürgerjournalismus, Shirky die Soziologie der kollektiven Handlung. Beide sehen die entscheidende Veränderung für den Journalismus durch das Netz darin, dass sich die Kontrolle über die Nachrichten auf das vernetzte frühere Publikum verschiebt. Die Diskussion zeigt: In den USA funktioniert die Blogosphäre als demokratisches Kontrollorgan, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Bei uns sind wir davon noch weit entfernt.

Bemerkenswert ist auch, wie früh Shirky und Rosen radikale Veränderungen im Nachrichtenuniversum voraussahen, und wie spät man, wenn überhaupt, auf sie hörte. Speziell hier in Österreich sollte man das ernst nehmen. Die Presse in Österreich scheint bisher von der Krise weit weniger getroffen zu werden als die in den USA, während in Deutschland die Zahlen für die verkauften Auflagen schon seit Jahren sinken. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass durch Presseförderung und Regierungsanzeigen die österreichische Presse ohnehin nicht wirklich marktwirtschaftlich funktioniert, und auch damit, dass die Presse in Österreich nie das Ansehen als vierte Säule der Demokratie hatte, das sie in den USA immer mehr verloren hat. Eine Rolle spielt sicher auch, dass sich der Online-Markt und vor allem die Online-Werbung in Österreich erst langsam entwickeln. Aber zu glauben, dass Print-Zeitungen oder Online-Produkte, die das Print-Modell ins Web übertragen, eine längere wirtschaftliche Zukunft hätten, ist in Österreich heute nicht weniger naiv, als es das in den USA vor ein paar Jahren war.