Der Workshop in Rostock hat mich auch interessiert, weil ich mich frage, wie man den besonderen akademischen Charakter des Studiengangs beschreiben kann, an dem ich arbeite. In welchem Verhältnis steht die praktische Ausbildung von Journalistinnen und Kommunikatoren an einer Hochschule zur wissenschaftlichen Ausbildung? In der kurzen Zeit in Rostock habe ich einen Einblick in die Kommunikations- und Argumentationkultur des Kollegs erhalten: Zu ihr gehört eine sorgfältige Reflexion des eigenen Vorgehens vor dem Horizont der Methodendiskussionen in den Geisteswissenschaften in den letzten Jahrzehnten.
Die Rostocker Studierenden stellten während des Kolloquiums eigene mediale Prduktionen vor — eine Ausstellung, Websites und ein Magazin, also die Ergebnisse von Ausflügen in das vor- und außerakademische Terrain. Wenn ich es richtig sehe,haben die meisten von ihnen die mediale Reflexion ihrer Dissertationsthemen als Ergänzung ihrer wissenschaftlichen Arbeit verstanden, in der sie sich mit Aspekten ihres Themas beschäftigen konnten, die sie in ihren Dissertationsvorhaben ausklammern müssen. Wäre es sinnvoll, wenn diese Stipendiaten auf eine professionelle Medienproduktion vorbereitet würden, also z.B. Veranstaltungen zur Konzeption von Websites oder zum Magazinjournalismus besuchen würden? Und wäre es sinnvoll, wenn wir unsere Studierenden zu einer Reflexion ihrer Methoden anhalten würden, die sie auf eigene geisteswissenschaftliche Publikationen vorbereiten würde?
Ich habe neulich versucht, die Ausbildung von Kommunikatoren an einer Fachhochschule deutlich von einer wissenschaftlichen Ausbildung zu unterscheiden; Thomas Pleil hat meiner Argumentation in einem Kommentar widersprochen, dem ich wiederum in Vielem nicht widersprechen würde. Der Hintergrund für mein Post war, dass wir an unserem Studiengang den Studenten noch nicht genug praktisches Schreiben und Kommunizieren beibringen; es ging mit nicht so sehr um die wissenschaftliche Fundierung der Lehre. Dabei bedeutet übrigens Wissenschaft speziell an unserem Studiengang einerseits empirisches sozialwissenschaftliches Arbeiten: im Kleinen das, was ein Christoph Neuberger in seinem Institut konsequent und sehr anspruchsvoll betreibt, und andererseits eher interpretierendes, textorientiertes geisteswissenschaftliches oder kulturwissenschaftliches Arbeiten: im Kleinen das, was an dem Rostocker Graduiertenkolleg konsequent betrieben wird.
Durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge werden die Pakete, die wir schnüren können, kleiner, und es ist noch wichtiger, sich über das Verhältnis von wissenschaftlichen und praktischen Inhalten Gedanken zu machen. Diese Umstellung macht es aber gleichzeitig auch noch wichtiger, das Verhältnis zu anderen Studiengängen zu klären. Ein Ziel der Umstellung ist es ja, dass die Studenten ihren Bachelor und ihren Master an verschiedenen Hochschulen machen können. Für uns stellt sich damit die Frage, welche Masterstudiengänge unsere Bachelor-Studenten besuchen können sollen, und ob und wo unsere zukünftigen Master-Studenten das Doktorat erwerben können. (Unser Bachelor hat gerade begonnen; das Curriculum lässt uns einige Spielräume; die Duchlässigkeit von Fachhochschulstudiengängen zu den Universitäten ist ein offenes Problem.)
Unabhängig von einer wissenschaftlichen Disziplin verlangen die Berufe, auf die wir vorbereiten, Kompetenzen, die zur wissenschaftlichen Arbeit gehören: methodisches Vorgehen, Fähigkeit zur Kritik und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Wichtig ist vor allem, dass die Studenten wissenschaftliche Ansprüche an die Begründbarkeit von Aussagen kennenlernen und sich aneignen. Nicht gut nachvollziehen kann ich die Idee, dass wir angewandte Journalistik und PR unterrichten. Könnte man das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis nicht eher analog zum Theater sehen? Die Ausbildung von Schauspielern und Regisseuren ist nicht angewandte Theaterwissenschaft. Aber für ein sich selbst reflektierendes Theater sind die Ergebnisse der Theaterwissenschaft (und anderer Humanwissenschaften) wichtig; wenn man Regisseure ausbildet, wird man sie berücksichtigen.
Vielleicht kann man es so formulieren: Unsere Studierenden sollten lernen, mit Ergebnissen der kommunikationswissenschaftlichen Forschung kompetent umzugehen. Dazu gehört ein Einblick in wissenschaftliche Methoden, der am besten durch eigene propädeutische Arbeiten gewonnen werden kann. Dazu gehört, dass sie von Lehrern unterrichtet werden, die selbst wissenschaftlich arbeiten. In der PR/Unternehmenskommunikation ist es außerdem sinnvoll, dass sie wissenschaftliche Verfahren kennenlernen, die sich in ihrem Beruf z.B. zur Messung des eigenen Erfolgs benutzen können. Sie werden aber in einem praktisch orientierten Bachelor-Studium wissenschaftlich nicht das Niveau erreichen können, das ein geistes- oder sozialwissenschaftliches Studium vermittelt — während sie als Journalisten oder Kommunikatoren nach einem Bachelor-Studium zu produktiver professioneller Arbeit in der Lage sein sollten.
Das bedeutet, dass unsere Bachelor-Absolventen weniger gut als Bachelor-Studenten einer Universität auf ein wissenschaftlich ausgerichtetes Masterstudium vorbereitet sind — so wie umgekehrt Bachelor-Absolventen von der Uni nicht die praktischen Kenntnisse mitbringen werden, die sie für ein Masterstudium bei uns benötigen. Die Unterschiede lassen sich nur durch Zusatzangebote ausgleichen. Am einfachsten wäre es, dass Fachhochschulen und Universitäten Veranstaltungen für Studierende der anderen Einrichtung öffnen; Studenten von uns, die bestimmte Zusatzveranstaltungen an der Uni besucht haben, könnten dann ein Masterstudium an der Universität besuchen und umgekehrt. (Das hört sich leicht an, aber angesichts der Durchbürokratisierung der Hochschulen dürfte es ziemlich schwierig sein, ein solche Vorhaben umzusetzen.)
Noch einmal anders ausgedrückt: Ziel unserer Ausbildung sind kommunikative/persuasive Kompetenzen, die wissensbasiert und auch wissenskontrolliert sein sollten. Die wissenschaftliche Orientierung der Ausbildung soll sicherstellen, dass die Studierenden lernen, Wissen zu vermitteln (also erkennen können, was es wert ist, vermittelt zu werden) und dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse benutzen können, um ihre eigenen kommunikativen Fähigkeiten zu erweitern. Auf der ersten Ebene sollten sie zum Beispiel dazu in der Lage sein, Fachleute zu einem bestimmten Thema zu identifizieren und zu befragen; auf der zweiten Ebene dazu, wissenschaftliche Studien zu Journalismus und PR zu verstehen und für ihre Arbeit zu übersetzen.
(Anmerkung: Ich komme erst heute, am 3.3., dazu, den Beitrag zu publizieren.)