Jill Walker Rettberg, Weblogs: Learning in Public. Studenten, die bloggen, schreiben nicht für eine Lehrerin oder einen Lehrer allein, sondern für eine Öffentlichkeit. Jill Walker Rettberg (die ich leider nicht früher entdeckt habe) beschreibt, wie Teilnehmer eines ihrer Kurse mit der Erfahrung umgehen, dass ihre Blogs tatsächlich gelesen werden. Ich finde die Kriterien Beobachtbarkeit und Anschlussfähigkeit wieder, in denen sich Blogs von anderen Gattungen unterscheiden. (Assoziationen: Die Schulen und Universitäten organisieren das Wissen bisher zusammen mit dem physikalischen Raum; Wissen erlaubt Macht/Kontrolle über diesen Raum; umgekehrt werden Lernen und Wissen über den Raum kontrolliert. Im Netz wird das Wissen über seine digitale Verarbeitung kontrolliert; umgekehrt ermöglicht es das Wissen, die Datenflüsse zu kontrollieren. Die territoriale Organisation des Wissens gelangt an ihr Ende und wird so vielleicht erst sichtbar. Vielleicht hängt auch die Frage, oder besser: die Krise der Professionalität im Web damit zusammen, dass unseren Vorstellungen von Berufen letztlich räumliche Organisationen zugrunde liegen.) Sie beschäftigt sich vor allem mit den neuen Formen von Regulation und Korrektur, zu denen es durch die Vernetzung von Blogs mit anderen Blogs und Kommentaren kommt. Sie bezieht sich auf Steven Johnsons Emergence:

Organisation in a network without hierarchical control requires visibility and feedback, Johnson writes:

Relationships in these systems are mutual: you influence your neighbors, and your neighbors influence you. All emergent systems are built out of this kind of feedback, the two-way connections that foster higher learning. (2002: 120).

That’s what blogging is about, I said. It’s about taking control of your own learning, finding your own voice, and expressing your own opinions. It’s about responding to the world around you and listening to the responses you receive in return. The class was silent, patiently waiting for the break.

Dieser Gedanke ist vielleicht ein Gegenstück zu Tons Owning Your Learing Path, das den Lernenden in den Mittelpunkt stellt.

In diesem Eintrag verwendete Jill Walker Rettberg 2003 wohl zum ersten Mal den Ausdruck network literacy [gefunden via Will Richardson]. Bemerkenswert finde ich auch den Satz:

Rather than relying on one central infrastructure, new exostructures are developed continuously to give different views of the blogosphere.

Sie hat sich schon damals nicht nur mit Blogs in der Lehre, sondern auch mit der linguistisch-erzähltheoretischen Untersuchung von Blogs beschäftigt. Sie hat einen Diskurs geprägt, der heute schon fast trivial geworden ist — oder besser: Text wie dieser sind immer noch nicht trivial, während die endlosen Wiederholungen de aus ihnen abgeleiteten Schlagwörter nur noch langweilen.

Interessante Diskussion bei Mindy McAdams: Journalists, HTML, and Dreamweaver. Fast alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass Journalistinnen ohne HTML- und CSS-Kenntnisse heute entschieden schlechtere (bzw. überhaupt keine) Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, und dass man beides im Quellcode, also mit einem Texteditor erlernen muss, statt mit Tools wie Dreamweaver. Am wichtigsten ist es dabei, auch darin besteht Konsens, die semantische Struktur von Dokumenten zu verstehen; Code-Feinheiten sind nicht relevant.

Ich mache in meinem Unterricht die Erfahrung, dass man HTML alleine — also ohne Rücksicht auf die Präsentation — nur Studenten vermitteln kann, die schon wissen, um was es geht. In den kommenden Semestern möchte ich noch mehr mit Tools wie Markdown arbeiten, um die Studierenden dazu zu bringen, möglichst flüssig Hypertext zu schreiben.

Paul Bradshaw: Local news is changing – but not fast enough « Online Journalism Blog. U.a. eine ganze Reihe von Bemerkungen zur Journalistenausbildung. Tenor: Die am besten ausgebildeten Journalisten können am ehesten mit Online-Formaten umgehen, viele Journalisten wissen immerhin schon mehr als die Verlage für die sie arbeiten. Bradshaw legt vor allem darauf Wert, dass alle Plattformen und Kanäle (Flickr, YouTube, Twitter usw.) genutzt werden, um Nachrichten zu verbreiten — das gehört auch zum Thema unbundling the news.

Gestern Abend fand in Graz zum ersten Mal ein Webmontag statt. Wir waren etwas über 10 Leute, mehr als die Hälfte davon aus dem FH-Umfeld (und erfreulicherweise nicht so männlich dominiert wie andere Web 2.0-Veranstaltungen). Alle haben kurz von den Projekten berichtet, an denen sie arbeiten. Lange haben wir uns gefragt, warum die Grazer Web-Szene so wenig vernetzt ist. Es waren sich wohl alle einig, dass es sinnvoll ist, mit Webmontagen, Barcamps und anderen Ereignissen für mehr Verbindungen zwischen den Leuten zu sorgen, die sich hier mit Web-Themen beschäftigen. Ende des nächsten Monats soll wieder ein Webmontag stattfinden, anders als der Abend gestern mehr auf Demos und Berichte von neuen Technologien und neuen Ideen zu Web und Gesellschaft konzentriert.

Martin Ebner stellte das Learn Land der TU vor, dass technisch mit elgg realisiert ist. elgg wird intensiv weiterentwickelt, dabei wird vor allem auf die Export- und Importfähigkeit und auf die Einbindung von anderen Tools und Plattformen, z.B. Twitter geachtet. Martin hat berichtet, dass nur relativ wenige Studenten an der TU die Plattform ohne Druck durch Lehrende nutzen, dass elgg aber in Verbindung mit einzelnen Lehrveranstaltungen und bei der Vorbereitung von Diplomarbeiten intensiv verwendet wird. Er hat von den Studenten einen Eindruck, den ich bestätigen kann: Obwohl Web 2.0-Themen in den Medien angesagt sind, wissen auch jüngere Leute wenig über Wikis und Blogs, sie sind sicher noch nicht zu etwas Selbstverständlichem geworden. Vielleicht ändert sich das mit denen, die heute 12-14 sind. (Im Hochschulumfeld muss sich erst verbreiten, dass man sich mit Tools wie elgg ein Personal Learning Environment einrichten kann, mit dem man individualisiert lernen und sich über Lerninhalte austauschen kann, und mit dem man die eigenen Projekte, Interessen und Fortschritte für sich und andere dokumentieren kann. Das hat nicht viel mit den herkömmlichen E-Learning-Umgebungen zu tun.) An der TU Graz werden mit elgg übrigens intensiv Links gesammelt, darin liegt auch für die Studierenden ein unmittelbar erkennbarer Nutzen. (Wie sieht es da mit einem direkten Austausch mit del.icio.us oder Bibsonomy aus?)

Mit Hilfe Martins und seiner Kollegen haben wir elgg auch an der FH Joanneum eingerichtet, wir fangen aber erst damit an, es in größerem Umfang zu nutzen. Es können sich aber schon alle FH-Studierenden und alle FH-Mitarbeiterinnen unter communuity.fh-joanneum.at mit ihren FH-Zugangsdaten einen Account und ein Blog anlegen.

Für mich sehr interessant war die Diskussion über die Gründer-Szene oder Nicht-Szene in Graz; Herwig Rollett, selbst Gründer, kam auf eine ganze Reihe von Finanzierungs und Coaching-Initiativen in den USA, in London (seedcamp) und auch in Wien (Paul Böhm!) zu sprechen. Ich glaube, um in Graz wirklich eine Web-Szene zu entwickeln, müsste man hier ansetzen und so etwas wie eine Inkubator-Umgebung schaffen. Ich hoffe, dass wir darüber auf den nächsten Web Montagen weiter sprechen können.

Zum Abschluss noch ein Bemerkung: Ich organisiere gerne auf weitere Webmontage, zum Glück kann ich dabei auf die Infrastruktur der FH Joanneum zurückgreifen, an der jetzt schon drei Studiengänge (JUK, MID und IND) bereit sind, solche Events zu unterstützen. Als FH- oder FH-Werbeveranstaltungen sind die Webmontage natürlich nicht gedacht. Und Mitorganisatoren sind immer willkommen!

Zum ersten Mal ein Buch in meine Bibliothek bei Google Books gestellt. Ich wusste nicht, dass es diese Funktion gibt. Wirkt sehr brauchbar — und macht Google wieder etwas mächtiger.

PS: Bei den meisten Büchern lassen sich nur Informationen über ein Buch speichern, einige kann man aber komplett lesen. Notiz an mich selbst: Gibt es ein Tutorial über das Bibliographieren mit Web-Tools? Lohnt es sich, eines zu schreiben? Kann man Google Books und BibSonomy zusammen benutzen?

Guter zusammenfassender Artikel über Wikis als Werkzeug für das unternehmensinterne Wissensmanagement: Das Wiki wird zum Redaktionsgehirn [via Thomas Pleil]. Wikis werden immer mehr zu einem Standardtool, um das Wissen von Organisationen zu sammeln und auszutauschen. Mit diesem Text kann man auch Nichtfachleuten klar machen, wie wichtig das Thema ist. Als Beispiele werden drei Anwendungsfälle genannt: Glossare und Enzyklopädien, Support-Datenbanken und komplexe Dokumente. (Auch interessant für unser Projekt eContentPro, in dem wir steirische Unternehmen dabei unterstützen wollen, ihre Webkommunikation zu professionalisieren.)

Merken werde ich mir auch Anton Simons‘ Weblog Redaktionelles Wissensmanagement, in dem der Eintrag erschienen ist. Es begleitet das gleichnamige Buch.

Ton Zijlstra beschreibt, wie er Lehrer in das vernetzte Lernen einführt. Wie immer bei Ton Zijlstras Präsentationen liegt die Wirkung fast mehr darin, wie er erzählt, als was er erzählt. Er berichtet in der Präsentation von einem Tag in seinem Leben, den verschiedenen Tools, die er dabei benutzt, und den sozialen Netzen, in denen er sich bewegt. Theoretischer Hintergrund ist der Konnektivismus, den George Siemens und andere entwickelt haben.

Er geht von drei technisch bedingten quantitativen Veränderungen aus, durch die sich das Verhalten der Menschen und vor allem der Jugendlichen heute verändert: die Zunahme von Verbindungen zwischen Menschen, die Zunahme der Geschwindigkeit, vor allem der Geschwindigkeit von Veränderungen, und die Zunahme des Informationsvolumens. Sie erfordern drei qualitative Antworten:

  1. eine pro-aktivere persönliche Rolle (als sense maker, als Produzent und Verbraucher, als pattern-hunter, aktives Teilen)
  2. eine neue Menge von Fähigkeiten im Umgang mit Infomation (Mustererkennung, soziales Filtern, Prüfungs- und Bewertungsfähigkeiten)
  3. eine neue Menge von Werkzeugen (web2.0, social software) und Arbeitsformen (open space, communities of practice, vernetzte Organisationen)

Es gibt viele Möglichkeiten, von hier aus weiterzudenken. Mit der Perspektive des PolitCamps, das im Mai in Graz stattfindet, interessiert mich, wie sich die qualitativen Antworten von denen Ton Zijlstra spricht, für politische Zusammenhänge übersetzen lassen. Anders formuliert: Auch die Politik sieht sich neuen sozialen Struktuen, viel schnelleren Veränderungen und einer nicht mehr zu verarbeitenden Menge von Informationen gegenüber: Mit welchen Werkzeugen und Kommunikationsformen kann sie darauf antworten, wie kann das vernetzte Lernen zum Werkzeug der Politik werden?