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Video im Web unterschied sich vom Video im Fernsehen bisher vor allem dadurch, dass man entscheiden kann, wann man es sehen will, und dass man es kommentieren und weiterempfehlen kann. Interaktivität im Video selbst ist selten — nicht, weil die technischen Möglichkeiten fehlen, sondern weil es fast niemand schafft, das lineare Erzählen einer Geschichte im Video so mit Interaktivität zu verbinden, dass weder die Erzählung noch die Interaktionsmöglichkeiten darunter leiden.

Zach Wise ist auf diesem Gebiet ein Durchbruch gelungen, und zwar zuerst mit einem interaktiven Video über die Wasserknappheit in der Gegend von Las Vegas für die Website der Las Vegas Sun. (Bereits vorher ist bei der New York Times das nicht weniger interessante Choosing a President erschienen, an dem Zach, der inzwischen zur Times gewechselt ist, maßgeblich beteiligt war. Dieses Video, dessen Produktion Zach genau erläutert, ist ein eigenes Post wert; siehe dazu Tracy Boyer.)

Tracy Boyer schreibt zu Thirst in the Mojave:

Wise takes storytelling to a completely new level with the introduction of interactive videos.

Zach erzählt linear, dabei ist das 22minütige Video in 5 Segmente geteilt. Eine durch Mouseover einblendbare Timeline oben orientiert die Benutzerin darüber, wo sie sich befindet, und ermöglicht es, an jede Stelle zu springen. Unten wird in zwei Fenstern zusätzliche Information geboten, links durch eine — aufzoombare — Karte, rechts durch anklickbares zusätzliches Text- und Videomaterial. Durch Klicken auf die eingeblendeten Namen von Interviewpartnern wird deren Kurzbiografie aufgeklappt. Alle Einstellungen des Videos sind geocodiert; auf der Karte links unten sieht man, wo gedreht wurde. Außerdem ist das Feature noch mit einer Datenbank zur Wassersituation in der Region verbunden. Zach Wise beschreibt detailliert, wie das Feature funktioniert und wie es produziert wurde.

Die Leistung von Zach Wise besteht darin, dass die zusätzlichen Informationen als Abzweigungen von einem Weg angeboten werden, zu dem man immer wieder zurückkehren kann, und der auch immer sichtbar bleibt. Man verliert nie die Orientierung, weder visuell noch in der zeitlichen Abfolge der Erzählung. Dabei wird ein kontroverser Sachverhalt journalistisch aufgearbeitet. Es wird sinnlich vermittelt, was passiert, und es wird sehr viel, aber nicht zu viel Hintergrundinformation geboten. Bravourös macht Wise vor, wie durch visuellen Linkjournalismus eine Geschichte in ihrem Zusamenhang erzählt werden kann [via News Videographer].

Obwohl es leichter ist, im Web als gedruckt zu publizieren, sind die Webauftritte vieler Unternehmen und Organisationen weniger aktuell als ihre Printpublikationen. Oder sollte es eher heißen: weil es leichter ist? Webpublikationen von Organisationen leiden an umgekehrtem Informationsüberfluss. So viele und so unterschiedliche Informationen gehören ins Netz, dass sie sich nicht an einer Stelle kanalisieren lassen. Das Resultat ist, dass so gut wie überhaupt nicht publiziert wird.

Jon Udell spricht vom pattern of shared responsibility, einem Muster der geteilten Verantwortung Umfangreiche Publikationsaufgaben lassen sich leichter, vielleicht sogar nur bewältigen, wenn sie aufgeteilt werden. Udells Beispiel ist der Kalender seiner Stadtbücherei. Niemand hat den Überblik über alle Events, die dort stattfinden. Ein einzelner kann aber leicht die Verantwortung für einen bestimmten Typ von Informationen übernehmen. Technische Lösungen — bei Udell geht es um Mashups — sorgen dann dafür, dass die Informationen zusammengetragen werden. Man kann auch von organisationsinternem Crowdsourcing sprechen — aber vielleicht ist dieser Ausdruck zu geschwollen.

Jedenfalls spricht viel dafür, die Verantwortung für die Webauftritte von Organisationen nicht an einzelne Personen oder Abteilungen zu delegieren. Pflegt eine Stelle den Webauftritt, fühlen sich alle anderen entlastet und informieren nicht von sich aus. Der Auftritt der Organisation sollte sich eher — eben als oder wie ein Mashup — aus den Informationsströmen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Abteilungen ergeben. Damit gelangen nicht nur mehr Informationen auf die Website, man gibt den Benutzerinnen auch weitaus mehr Möglichkeiten, sich die Informationen herauszusuchen, die sie wirklich interessieren.

(Ich tagge dieses Posting mit eContentPro. Das ist der Titel eines Projektes, an dem unser Studiengang beteiligt ist. Ziel ist es, die Kompetenz kleiner und mittlerer Unternehmen zur Kommunikation im Web zu erhöhen.)