Katastophennachrichten über das Klima folgen immer schneller aufeinander (Tharoor 2020). Die Waldbrände in Sibirien, aber auch die Hitze hier in Europa sind Signale dafür, dass wir inzwischen auf dem steil nach oben zeigenden Teil des Hockeyschlägers angelangt sind, der durch Michael Mann zu einem Symbol der Klimakrise geworden ist.

Ich habe einen Tag aufgeschoben, Witnessing the Unthinkable von Joëlle Gergis zu lesen, das ich über Twitter entdeckt habe. Ich zögere, Texte über ökologische Zerstörungen, über Ökozide (Kloetzli 2020) zu lesen, obwohl ich mich beinahe jeden Tag mit Themen beschäftige, die mit der Überschreitung der Planetary Bondaries zu tun haben. Ich kann mich mit der Vorstellung, dass vieles von dem, was die Erde heute ausmacht, unrettbar verloren ist, nicht abfinden.

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In der Öffentlichkeit wird die Corona-Pandemie meist als eine Gesundheitskrise dargestellt, bei der ein Virus weltweit von Mensch zu Mensch übertragen wird. Diese Sicht ist verkürzt: Pandemien wie Sars-CoV-2 sind wahrscheinlicher geworden, weil wir die Artenvielfalt durch Entwaldung und die Einrichtung von Monokulturen für die globalisierte Wirtschaft zerstören. Sie können sich durch den internationalen Verkehr, Urbanisierung und globalen Handel in kürzester Zeit weltweit ausbreiten. Sie treffen diejenigen am härtesten, die durch mangelhafte Gesundheitssysteme, Armut, Migration, Luftverschmutzung und andere ökologische Katastrophen besonders verwundbar sind. Sie können sich zu globalen Gesundheits- und Wirtschaftskrisen steigern, weil ökologische Ungerechtigkeit und globale Arbeitsteilung nachhaltige Strukturen zerstört oder verhindert haben. Sie können endemisch werden und die Gesundheit weltweit dauerhaft gefährden—auch weil sie aus politischen und wirtschaftlichen Gründen nicht konsequent genug bekämpft werden.

Die COVID-19-Krise zeigt, wie eng menschliche Gesundheit, Gesundheit von Haustieren, Gesundheit von Wildtieren und Gesundheit von Ökosystemen miteinander verbunden sind. Die Corona-Pandemie ist eine Krise der Gesundheit in einem Sinn, der heute oft als Planetary Health bezeichnet wird. Sie ist ein Teil einer Krisensituation, die durch das Überschreiten der Planetary Boundaries (W. Steffen et al. 2015) ausgelöst wurde. Coronakrise und Klimakrise sind zwei Aspekte derselben Entwicklung. Die Coronakrise ist damit ein Anlass dafür, die Beziehungen zwischen Gesundheitskrisen und der Überlastung der planetaren Systeme, ohne die Leben auf der Erde nicht möglich wäre, mehr als bisher zu thematisieren.

Wie hängen die durch das Corona-Virus ausgelöste Gesundheitskrise, die Biodiversitätskrise und die Great Acceleration (Will Steffen et al. 2015), mit der die Erde das Holozän verlassen hat, genau zusammen? Ich stelle hier für Extinction Rebellion Austria Argumente und Material aus Wissenschaft und seriösem Journalismus zusammen, um vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie Aktivismus gegen die Biodiversitätskrise zu begründen. Weiterlesen

"Wir kämpfen nicht für die Natur—wir sind die Natur, die sich verteidigt." Plakat in Notre-Dame-des-Landes, Quelle: https://reporterre.net/Nous-ne-defendons-pas-la-nature-nous-sommes-la-nature-qui-se-defend
„Wir kämpfen nicht für die Natur—wir sind die Natur, die sich verteidigt.“ Plakat in Notre-Dame-des-Landes, Quelle: https://reporterre.net/Nous-ne-defendons-pas-la-nature-nous-sommes-la-nature-qui-se-defend

Seit dem Beginn des Corona-Lockdowns schreibe ich nicht viel. Ich weiss nicht, ob der Lockdown die Ursache für die Schreib-Probleme ist. Wahrscheinlich hat er dazu geführt, dass ich mehr lese als sonst. Was ich gerade lese, führt bei mir zu einer Umorientierung, die nicht abgeschlossen ist (und auch nicht mit dem Lockdown begonnen hat). Deshalb bringe ich auch kurze Texte nicht zuende.

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Welche Social Tipping Interventions (STIs) können den Übergang zur Hothouse Earth weniger wahrscheinlich machen? Eine neue Studie, u.a. von John Schellnhuber und Johan Rockström, verwendet aus der Klimaforschung bekannte Methoden der Analyse von Forschungsergebnissen, um sie herauszufinden.

Social tipping elements (STEs) and associated social tipping interventions (STIs) with the potential to drive rapid decarbonization in the World–Earth system. The processes they represent unfold across levels of social structure on widely different timescales, ranging from the fast dynamics of market exchanges and resource allocation on subannual timescales to the slow decadal- to centennial-scale changes on the level of customs, values, and social norms. Quelle: https://doi.org/10.1073/pnas.1900577117
Social tipping elements (STEs) and associated social tipping interventions (STIs) with the potential to drive rapid decarbonization in the World–Earth system. The processes they represent unfold across levels of social structure on widely different timescales, ranging from the fast dynamics of market exchanges and resource allocation on subannual timescales to the slow decadal- to centennial-scale changes on the level of customs, values, and social norms. Quelle: https://doi.org/10.1073/pnas.1900577117

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Will Steffen ist für mich eine Schlüsselfigur bei den Versuchen, mich in die Literatur zur Erdsystemforschung und Klimakrise einzulesen und ihre Konsequenzen zu verstehen. Steffen hat zentrale Aufsätze der Erdsystemforschung mitverfasst, mehrfach als Lead-Autor. Er gehört zu den Wissenschaftlern, die seit Jahren radikale Maßnahmen gegen die Klimakrise fordern und den zivilen Ungehorsam als Methode von Extinction Rebellion von Beginn an unterstützt haben. Mich interessiert besonders, wie Steffen das Verhältnis von Wissenschaft und politischer Praxis, vor allem politischem Aktivismus interpretiert. Für Steffen ergibt sich aus den Erkenntnissen der Forschung zum Erdsystem die Notwendigkeit, sofort und radikal politisch aktiv zu werden. Die Verbindung von empirischer Forschung und politischer Praxis hängt dabei damit zusammen, dass sich ihr Zeithorizont nicht mehr voneinander trennen lässt. Die Forschung zeigt, dass wir—wenn überhaupt—nur noch wenige Jahre haben, um die Entwicklung des Erdsystems hin zu einer Hothouse Earth zu verhindern.

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Ich habe in den letzten Jahren viel über die Klimakrise gelesen und gehört. Den Vortrag, den Will Steffen 2018 in Australien gehalten hat, habe ich erst jetzt gesehen (danke Michael Flammer!). Er ist eine der besten knappen Darstellungen des Klimawandels. Steffens Vortrag ist zugleich das verstörendste Dokument zu dieser Situation, das ich kenne. Er wird hoffentlich bald ins Deutsche übersetzt.

Steffen ist einer der namhaftesten Vertreter der Klimaforschung und der Erdsystemwissenschaft. Er ist der Haupt- oder Mitautor einiger ihrer wichtigsten Arbeiten.

Update, 30.11.2020: Das eingebettete YouTube-Video oben habe ich durch die inzwischen fertige deutsche Fassung ersetzt. Originalversion: The Big U-Turn Ahead: Calling Australia to Action on Climate Change – YouTube.

Verstörend ist der Vortrag, weil er ruhig, aber ohne von seiner Linie abzuweichen, auf eine Aussage hinausläuft: 2020 muss ein U-Turn gelingen. Die CO2-Emissionen müssen sinken, statt weiter zu steigen. Scheitert die Klimabewegung dabei, dann drohen auf der Erde Verhältnisse, die sich von den jetzigen deutlicher unterscheiden als diese von denen in der letzten Eiszeit.

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Am Wochenende habe ich zwei wichtige Texte gelesen, die zentrale und meiner Ansicht nach nicht widerlegte Argumente dafür enthalten, für einen sofortigen und radikalen Wechsel unseres Wirtschaftssystems zu kämpfen. Die Argumentation der beiden Texte findet auf verschiedenen Ebenen statt. Es gibt aber viele Berührungspunkte zwischen ihnen. Beide stammen vom August 2018. In beiden geht es um die Risiken, die damit verbunden sind, dass bei einer weiteren Aufheizung der Erdatmosphäre Tipping Points erreicht werden. Jenseits dieser Kipp-Punkte ist eine noch schnellere und viel weiter gehende Erhitzung der Atmosphäre nicht mehr aufzuhalten. Diese Erhitzung ist mit dem Risiko verbunden, dass menschliches Leben nur noch auf Teilen der Erde oder überhaupt nicht mehr möglich ist.

Hothouse Earth Paper, Abbildung 1 (Quelle: siehe Text)
Hothouse Earth Paper, Abbildung 1 (Quelle: siehe Text): Eine schematische Darstellung möglicher zukünftiger Klimapfade vor dem Hintergrund der typischen glazial-interglazialen Zyklen (unten links). Der interglaziale Zustand des Erdsystems befindet sich an der Spitze des glazial-interglazialen Zyklus, während der glaziale Zustand am unteren Ende liegt. Der Meeresspiegel folgt der Temperaturänderung relativ langsam durch thermische Ausdehnung und das Abschmelzen von Gletschern und Eiskappen. Die horizontale Linie in der Mitte der Abbildung stellt das vorindustrielle Temperaturniveau dar, und die aktuelle Position des Erdsystems wird durch die kleine Kugel auf der roten Linie in der Nähe der Abweichung zwischen den Pfaden der stabilisierten Erde und der Treibhauserde dargestellt. Der vorgeschlagene planetarische Schwellenwert bei ∼2 °C über dem vorindustriellen Niveau ist ebenfalls dargestellt. Die Buchstaben entlang der Wege zur stabilisierten Erde/Treibhaus-Erde stellen vier Zeitabschnitte in der jüngsten Vergangenheit der Erde dar, die Einblicke in Positionen entlang dieser Wege geben können ( A, Mittel-Holozän; B, Eemisch; C, Mittel-Pliozän; und D, Mittel-Miozän. Ihre Positionen auf dem Weg sind nur annähernd.)
Übersetzt von H.W. mit Hilfe von www.DeepL.com/Translator
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Ich beschäftige mich noch mit den Inhalten des Vortrags von Dieter Gerten über die planetaren Grenzen. Für mich ist er auch ein Anlass, meine eigene Tätigkeit als Lehrender an einer wirtschaftsorientierten Fachhochschule in Frage zu stellen.

Die Indikatoren für das Anthropozän

Gerten verweist auf den zentralen Aufsatz The trajectory of the Anthropocene: The Great Acceleration aus dem Jahre 2015 (PDF-Download hier). In diesem zusammenfassenden Text werden eine Reihe von Indikatoren für soziale Veränderungen seit dem Beginn der Industrialisierung mit einer Reihe von Indikatoren für Veränderungen im Erdsystem verbunden. Die Schlussfolgerung ist, dass wir seit etwa 1950 die Periode, die man als Holozän kennt, verlassen haben. Durch menschlichen Einfluss hat sich das Erdsystem schon jetzt tiefgreifender verwandelt als beim Übergang zum Holozän, also zu einer für die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, günstigen planetaren Umwelt. Die Grafiken mit den verschiedenen Indikatoren sind oft publiziert worden (verschiedene Versionen hier).

The Great Acceleration. Grafik von Félix Pharand-Deschênes (Globaïa) nach Steffen, W., Broadgate, W., Deutsch, L., Gaffney, O., & Ludwig, C. (2015). The trajectory of the Anthropocene: The Great Acceleration. The Anthropocene Review, 2(1), 81–98. https://doi.org/10.1177/2053019614564785
The Great Acceleration. Grafik von Félix Pharand-Deschênes (Globaïa) nach Steffen, W., Broadgate, W., Deutsch, L., Gaffney, O., & Ludwig, C. (2015). The trajectory of the Anthropocene: The Great Acceleration. The Anthropocene Review, 2(1), 81–98. https://doi.org/10.1177/2053019614564785
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Dieter Gerten, Michael Tschauko, Sonja Edlinger und Lisa Mayr in der Diskussion nach dem Vortrag "Wie können wir innerhalb planetarer Grenzen leben?" (23.10.2019)

In der letzten Woche hat Dieter Gerten vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in der katholischen Hochschulgemeinde einen Vortrag über das Leben innerhalb der planetaren Grenzen gehalten.

Ich habe mich für den Vortrage und den Vortragenden auch interessiert, weil das Potsdam-Institut für mich inzwischen zu einem wichtigen intellektuellen Orientierungspunkt geworden ist. Auf das Institut gestoßen bin ich durch eine Diskussion zwischen Bruno Latour und Hans Joachim Schellnhuber im letzten Jahr.

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