Barry Wellman und Jennifer Kayaharan haben untersucht, wie sich Webnutzer über Kultur informieren: Searching for culture — —high and low.1

To see how people actually fit the Internet into their lives, in this article we study how Torontonians search the Web for cultural activities, and how their offline searches intersect with their Web searches. Our research into the interplay of computer networks and social networks in the search for cultural information and activities is based on lengthy interviews conducted in 2005 with 84 English-speaking adult residents of the East York section of Toronto, Canada (Hogan, Carrasco, & Wellman, 2007; Wellman & Hogan, 2006).

Den Stamm der East Yorker erforschen Wellman und seine Mitarbeiter seit Jahren. Schon bevor das Web entstand, war die empirische Untersuchung sozialer Netzwerke Wellmans Thema. (Ich bin über Thomas Pleil auf Wellman gestoßen.)

Mich interessiert der Artikel vor allem methodisch. Meine Fragestellung dabei: Wie lässt sich die Wirkung sozialer Medien evaluieren? Kayahara und Wellman evaluieren nicht, sondern nehmen eine empirische Bestandsaufnahme vor. Lernen kann man nicht nur von ihrer Interviewtechnik, sondern auch davon, wie sie den Uses and Gratifications-Ansatz verwenden. Bei der Interpretation der Ergebnisse revidieren die Autorinnen das Zweistufenmodell für Kommunikationsflüsse:

Our findings also have implications for the model of the traditional two-step flow of communication. We suggest the existence of new steps, whereby people receive recommendations from their interpersonal ties, gather information about these recommendations online, take this information back to their ties, and go back to the Web to check the new information that their ties have provided them.

Mit ähnlichen Mitteln ließe sich auch erheben, wie sich Internet-Nutzer über bestimmte Ereignisse, Produkte usw. informieren — für eine Evaluierung ein wichtiger Ausgangspunkt. Fiktives Beispiel: Ein Unternehmen wird umorganisiert; bei der Umorganisation sind externe Berater beteiligt. In der internen Kommunikation werden soziale Medien verwendet: Manager und externe Berater (hoffentlich nicht nur sie) führen Weblogs; die Mitarbeiter können Vorschläge in einem Wiki publizieren. Durch Interviews wie die Wellmans und Kayaharas könnte man in verschiedenen Phasen des Prozesses herausfinden, wo sich die Mitarbeiter des Unternehmens über ihr Unternehmem informieren.

(Mir geht es zunächst darum, von einer metaphorischen zu einer empirisch überprübaren Verwendung von Begriffen wie „soziales Netz“, „mediales Netz“ zu kommen / Theorien kennenzulernen, die das leisten. Die Arbeiten Wellmans und seiner Schule scheinen mir da zentral.)

Etwas weiter gesponnen: Bei der Evaluierung von sozialen Medien sind „Social Information Retrieval“ und „Ambient Findability“ wichtige Stichwörter: Woher wissen die Benutzer etwas? Wo suchen sie Informationen? In welcher Beziehung stehen dabei soziale Netze, etwas zwischen Kolleginnen in einem Betrieb, zu medialen Netzen, etwa den Informationen im Intranet des Unternehmens? Das lässt sich leicht weiter ausdifferenzieren: Welche sozialen Netze sind für das Finden welcher Informationen relevant? Welche medialen Netze werden verwendet? In welcher Beziehung stehen sie zueinander? (Vertrauen spielt hier eine entscheidende Rolle, vor allem, wenn es explizit um Evaluierung geht. Wenn soziale Medien „funktionieren“, dann durch den Aufbau von Vertrauen, das die Verbindung eines sozialen und eines medialen Netzes erzeugt.)

1Auch die anderen Artikel dieser Ausgabe JCMC über Suche im Web sind interessant. Übersicht hier.

Standard: Mr. Stauber, im Vorwort zur deutschen Ausgabe Ihres in den USA 1995 erschienenen Buches über die PR-Industrie schreiben Sie, dass der Großteil der Nachrichten organisierte Propaganda sei, die von faulen oder schlampig arbeitenden Journalisten ungeprüft übernommen werde. Sehen Sie das tatsächlich so?

Stauber: Zumindest was die USA anbelangt, würde ich sagen, es stimmt noch mehr.

Quelle: Sehr lesenswertes Interview zum opinion management in den USA im Standard.

John Stauber ist Executive Director des Center for Media and Democracy, das vierteljährlich die Zeitschrift PR Watch herausbringt (hier downzuloaden). Er hat in Wien sein Buch Giftmüll macht schlank vorgestellt. (Weiteres Interview im FM4 Interview Podcast; ich habe es noch nicht gehört.)

Die Website des Center for Media and Democracy ist eine Fundgrube an Informationen über Manipulationen der Öffentlichkeit, und sie zeigt, was man mit sozialen Medien machen kann, wenn man sie politisch verwendet. Beispiele:

  • Congresspedia — the „citizen’s encyclopedia on Congress“
  • SourceWatch — a directory of the people, organizations and issues shaping the public agenda
  • Blogs des Center

Als CMS benutzt das Center übrigens Drupal/CiviCRM.

Im Wintersemester haben ich zusammen mit mehreren Fachleuten einen Masterstudiengang „Web Publishing und Digitale Kommunikation“ für die FH Joanneum konzipiert. Der Akkreditierungsantrag liegt gerade auf Eis, weil über die Gesamtstrategie der FH nachgedacht wird. Natürlich sammele ich Argumente für den neuen Studiengang, den ich jetzt übrigens lieber „Soziale Medien“ nennen würde. Einen weiteren Beleg dafür, dass der Bedarf nach Fachleuten für Internet-Medien in der Kommunikationsbranche wachsen wird, habe ich bei Thomas Pleil gefunden. Er schreibt über aktuelle Trends in der PR:

13,5 Prozent sehen Web 2.0 als größte Herausforderungen, weitere 10 Prozent das Internet bzw. Online- und Neue Medien. Dies deckt sich mit meiner (subjektiven) Beobachtung, dass insbesondere Agenturen im Moment intensiv daran arbeiten, ihre Online-Kompetenz auszubauen.

Thomas Pleil weist auf zwei Studien hin: das Umsatz-Ranking(PDF) des PR-Journals und den neuen PR-Trendmonitor

Ein Zitat aus dem PR-Trendmonitor:

Die Bedeutung von Web 2.0 für die PR liegt auf der Hand: Derzeit haben Weblogs mit 53,1 Prozent die höchste Bedeutung für Pressestellen, an TOP-2 folgen Wikis mit 43,9 Prozent und an dritter Stelle RSS mit 43,3 Prozent. Die Pressestellen aus Unternehmen, Verwaltungen oder Verbänden sind sich einig: Alle Web 2.0-Anwendungen werden in Zukunft an Bedeutung für die PR gewinnen – insbesondere Podcasts und Weblogs. Bei den PR-Agenturen sieht es nicht anders aus…

Die Untersuchungen — nur der Trendmonitor bezieht sich explizit auf Web-Themen — wurden in Deutschland durchgeführt; der Trend in Österreich dürfte nicht wesentlich anders aussehen. Mit Martin Bredl wurde hier jetzt ein aktiver Blogger zum Präsidenten des PRVA gewählt.

Online-Kommunikation ist ein wissensintensives Gebiet — nicht nur, weil sie sie Wissen voraussetzt, sondern auch weil es in ihr selbst um den Austausch von Wissen geht. Sie ist ein gutes Beispiel für den „transdisziplinären“ Mode 2 der Erzeugung von Wissen. Ich finde, das ist eine große Chance für die Weiterentwicklung einer Fachhochschule.

Argumente dafür, den Ausdruck zu verwenden:

  • Social Media verneint nicht nur, was nicht gemeint ist — im Gegensatz etwa zu Neue Medien oder auch dezentrale Medien.
  • Social Media bezieht sich nicht auf Publikationstypen, die an die älteren Medien gebunden sind, wie es bei Online-Journalismus und Online-PR der Fall ist.
  • Social Media meint nicht vor allem eine Technik, sondern das, was man mit ihr macht. (Fernsehen sagt mehr als Elektronische Medien.)
  • Social Media ist ein brauchbarer Gegenbegriff zu Massenmedien.

Gegenargumente:

1. Es handelt sich nur um einen PR-Term, mit dem Agenturen Dienstleistungen an Unwissende verkaufen wollen.

Stimmt wahrscheinlich, was die Entstehung des Ausdrucks angeht. Aber ist es negativ, wenn man mit einem Ausdruck werben kann? Außerdem hört man der Bezeichnung ihre Herkunft nicht an. Sie trifft, was die Wikipedia von einem herkömmlichen Lexikon oder Youtube von einem Fernsehsender unterscheidet. Sie deutet wenigstens an, was beim Journalismus im Web anders ist als beim Journalismus in den Massenmedien.

2. Der Ausdruck grenzt das Gemeinte unnötig ein.

Richtig. Der Ausdruck spart die technische Ebene des Web aus und bezieht sich möglicherweise nur auf einige gerade aktuelle Phänomene. Aber die technische Ebene lässt sich von der sozialen nicht trennen, und was als technisch wahrgenommen wird, unterscheidet sich je nach Gewohnheiten und Alter.

3. Es handelt sich um einen Anglizismus.

Auch richtig. Aber Sprachreinheit ist eine ideologische Fiktion; die Innovationen auf diesem Gebiet kommen fast immer aus den USA, warum soll man sie nicht auch englischen Ausdrücke benutzen? Hätten die Germanen Literatur, Zivilisation, Kultur oder auch die Termen erfunden, würde man sie heute nicht mit lateinischen Wörtern bezeichnen. Außerdem: Was spricht gegen soziale Medien?

Nur ein kurzer Hinweis (wegen akuter Tagesüberfüllung) auf Chris Langreiters und Gernot Tscherteus Projekt Mememapper: analytische Kartographie der Blogosphäre, extrem interessant aus vielen Perspektiven (u.a. selbstorganisierende Lernumgebungen, Blog-Tracking). Zur Zeit gibt es &mdash außer detaillierten Beschreibungen des Konzepts — ein

weblog about all kinds of maps — with a focus on information diffusion maps [mememapper » About].

Ein paar Bemerkungen zum PR-Tag Zukunft Online-PR!? in Dieburg. Für mich war die Veranstaltung eine Fortsetzung der PR-bezogenen Sessions des BarCamp Kärnten. Thema war PR im Web 2.0.

Während eines informativen halben Tag kamen unterschiedliche Aspekte zur Sprache, fast durchgängig auf hohem Niveau. Zusammen lassen sich die Präsentationen und Diskussion als eine Einführung in die PR (Post-PR?, Anti-PR?) mit den Mitteln des aktuellen Web lesen. (Meine eigenen, unvollständigen Notizen hier.) Thomas Pleil, der in Dieburg Online-PR unterrichtet, hielt sich meist im Hintergrund. So kann man nicht entscheiden, ob er sich selbst diskret an der Regie beteiligte oder seine Studentinnen und Studenten so gut ausgebildet hat, dass sie ein solches Event perfekt organisieren können.

Vom ersten Teil der Veranstaltung, in dem Studierende Fallstudien präsentierten, bis zu der abschließenden Diskussion über Ethik in der Online-PR spannte sich ein Bogen. Die Fragestellungen wurden zunehmend vertieft. Es ging eigentlich durchgehend um das Spannungsverhältnis zwischen symmetrischer Kommunikation, wie sie im Web möglich wird, und der Funktionalisierung von Kommunikation für strategische Ziele einer Organisation.

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Unterwegs zum Online-PR-Tag des Studiengangs Online-Journalismus in Darmstadt. (Noch unter dem Eindruck der Diskussionen über Online-PR auf dem Kärntener Barcamp, Stichwort: Abschied vom Command/Control-Paradigma. Lässt sich die Kommunikation einer Organisation trotzdem planen? Ist Kommunikation, wenn sie nicht auf Manipulation abzielt, nicht ein nicht-deterministisches Phänomen? Besteht professionelle Online-PR dann eher darin, die Voraussetzungen für die Kommunikation einer Organisation und in einer Organisation zu verändern oder zu verbessern? Ist sie vergleichbar mit therapeutischen Interventionen?)