74% aller deutschen Journalisten haben die Wikipedia zu Recherchezwecken verwendet. Wichtigstes Instrument der Recherche ist laut der PR-Agentur Storymaker Google.

(Der Online-Standard verzichtet leider auf ein Link zur Quelle — hier die Pressemeldung der Agentur — und bleibt damit hinter dem Wikipedia-Grundsatz Say where you found the material zurück.)

Für den Studiengang, an dem ich arbeite ist das eine Anregung, die Wikipedia und Google ausführlicher zu behandeln und das Arbeiten mit ihnen intensiver zu üben. Zugleich müssen wir wieder einmal die Frage stellen, worin die Professionalität von Journalistinnen heute noch bestehen kann. Die Storymaker-Studie nennt außer Google und der Wikipedia als wichtigste Informationsquellen die Online-Archive der Redaktionen und Gespräche mit kompetenten Personen. Ob die internen Archive noch lange eine Informationsvorsprung sichern werden, ist zumindest fraglich — es spricht nichts dafür, dass sie nicht bald von frei oder fast frei zugänglichen Quellen im Netz überholt werden. Und gut gepflegte soziale Netzwerke werden nicht nur Journalisten Zugang zu Informanten bieten.

Professionalität im Journalismus bestünde dann zum einen darin, Instrumente, die allen zur Verfügung stehen, besser zu beherrschen. Und zum anderen darin, Informationsprozesse (ich entschuldige mich für das hässliche Wort-Provisorium) zu organisieren, also Netzwerke oder Sub-Netzwerke zu organisieren, die ihren Teilnehmern bestimmte Informationen zur Verfügung stellen. Medien werden dann vielleicht nichts anderes mehr sein, als soziale Netze, deren Zweck Information oder auch Unterhaltung ist.

Zurück zur Pressemeldung von Storymaker und zu unserem Studiengang: Die Studie hat noch einen weiteren Aspekt, der für uns wichtig ist, da wir auch PR-Leute ausbilden: Journalistinnen informieren sich über Unternehmen vor allem über deren Websites, dort suchen sie auch nach Angaben zu kompetenten Gesprächspartnern. Sie erwarten dort fundierte inhaltliche Informationen zu den Firmen und ihren Arbeitsgebieten. Sie

vermissen … hier „häufig“ oder „manchmal“ Fakten (88 Prozent), Hintergrundinformationen (82 Prozent), verständliche Texte (80 Prozent), Links zu weiterführenden Quellen (68 Prozent) und druck- und pressefähige Bilder (65 Prozent). Videoclips oder Audiofiles würden etwa ein Zehntel (9 Prozent) der Journalisten gerne zur Verfügung gestellt bekommen.

Wir sind gerade dabei, ein Projekt zur Verbesserung der inhaltlichen Qualität steirischer Unternehmens-Websites zu starten (auch das eine Frage der literacy), da ist diese Meldung Wasser auf unsere Mühlen! In unseren Lehrveranstaltungen müssen wir uns mit diesen Themen noch viel mehr als bisher beschäftigen.

Wie bildet man Journalisten so aus, dass sie ihre Fähigkeiten online vermarkten können? Mark Glaser hat zusammengestellt, was an amerikanischen J-Schools versucht wird, um angehende Journalisten auch zu Unternehmern auszubilden. Dazu hat er eine Reihe von Größen des amerikanischen Online-Journalismus befragt.

Zwei Statements Glasers, die ich für plakativ, aber bemerkenswert halte:

  1. Die journalistische Karriere heute beginnt oft nicht mehr mit dem Volontoriat in einer Redaktion, sondern mit der Selbstvermarktung als Blogger, Podcaster o.ä. (Das hängt nicht nur mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation zusammen, sondern mit der Veränderung des Berufs der Journalistin und der journalistischen Produkte. Siehe dazu, gerade gestern, wie Peter Hogenkamp die Unterschiede in der Arbeitsweise eine Bloggernetzwerks und einer herkömmlichen Redaktion beschreibt.)

  2. Werbung muss bei Online-Publikationen als Inhalt verstanden werden. Sie funktioniert nur, wenn die Benutzerinnen sie wollen und sie einen eigenen Mehrwert hat. Wer publiziert, muss sie in sein redaktionelles (nicht nur wirtschaftliches) Konzept integrieren.

Im Herbst startet ein neuer internationaler Studiengang New Media Journalism. Träger sind sind das Masterprogramm Medien Leipzig an der Universität Leipzig, die Hamburger Akademie für Publizistik, das Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg und die Schweizer Journalistenschule in Luzern. Ich wünsche den Kollegen alles Gute und hoffe, dass einige unserer Absolventen diesen — dringend nötigen — Ausbildungsgang besuchen werden.

Ich schreibe das nicht ohne Bitterkeit. An der Grazer FH Joanneum hat die SPÖ-geführte Landesregierung vor genau einem Jahr einen berufsbegleitenden Masterstudiengang Web Publishing und Digitale Kommunikation gestoppt — ohne Angaben von Gründen, ohne Diskussion und trotz nachgewiesenen Bedarfs in der Wirtschaft und bei potenziellen Studierenden. Wer aus der Steiermark kommt und sich für den Journalismus im Web ausbilden lassen möchte, wird sich jetzt wohl nach Salzburg und nicht nach Graz orientieren müssen. Die hiesige SPÖ — die zuletzt beim Grazer Kommunalwahlkampf demonstriert hat, dass sie Wörter wie Öffentlichkeit, Medien und Journalismus nicht buchstabieren will — hat auf den Vorsprung bei einem Zukunftsthema freiwillig verzichtet.

Gestern habe ich zum ersten Mal versucht, in einer Einführung in HTML und CSS auf die Erstellung komplexer, Grid-basierter Seiten mit der Technik von One True Layout einzugehen. Eine mutige Studentin führte in das Thema ein; anschließend versuchten die Studierenden, jeweils selbst eine mehrspaltige Beispielseite mit dem Layout-Generator zu erstellen, den Alex Robinson in seinem Aufsatz mitliefert. Bei vielen hat das überraschend schnell geklappt.

Es handelte sich um eine Veranstaltung für angehende Journalisten und PRler, nicht für Designer. Ich bin mir immer noch nicht sicher, wie viel HTML- und CSS-Wissen diese Gruppe braucht, und wie man diese Themen so unterrichtet, dass sie auch für die nicht technikaffinen Studenten verdaulich sind. Es führt wohl weiter, exemplarisch mit komplexen, aber realistischen Layout-Techniken zu arbeiten, als nur Basics zu behandeln, die die meisten praktisch kaum verwenden werden.

Ein weiteres Argument dafür, soziale Medien als Unterrichtsthema zu etablieren — und damit auch als Lehr- und Forschungsgegenstand für Hochschulen, die die Unterrichtenden ausbilden:

In einer globalisierten Welt muss unser Bildungssystem unsere Kinder und Jugendlichen darauf vorbereiten, dass Sie in einem weltweiten Markt an potentiellen Bewerbern auch international gebenchmarkt werden. Das wird über globale Gatekeeper in Form von Suchmaschinen wie Google passieren… Die meisten der heute 15jährigen können technisch perfekt mit diesen Tools umgehen – aus einer medienethischen Sichtweise gibt es aber Nachholbedarf, hier sind unsere Lehrer, Professoren, etc. gefragt. Damit sie diese Aufgabe aber übernehmen können, müssen Sie erst selbst mit diesen Tools umgehen können. Insofern überspitzt formuliert „kein Lehrer ohne Blog, kein Lehrer mehr ohne YouTube Account!“

In dem Kommentaren zu Dieter Rappolds Posting steht:

das wissen wie man publiziert im internet und wie man umfassende informationen aus webbrotkrümmeln zu etwas ganzen zusammenfasst ist noch nicht so verbreitet wie man denkt, ergo produkt und verkaufsfähig

Dieter weist auf einen TechCrunch-Artikel über Spock’s New People Engine hin; wer seine Aussage über Google für überzogen hält, sollte diesen Text lesen.

Ich sammele solche Argumente, weil wir an der FH Joanneum einen Masterstudiengang „Web Publishing“ konzipiert haben; in den kommenden Monaten wird entschieden, ob das Konzept umgesetzt wird. Ich bin inzwischen dafür, ihn in „Soziale Medien“ umzubenennen.

Für mich ist dabei klar, dass die Fähigkeit, mit sozialen Medien umzugehen, nie eine Sache für Spezialisten sein kann; es wird sich dabei schon bald um eine Kulturtechnik handeln. Profis werden aber für Tätigkeiten gebraucht werden, die der Durchbruch der sozialen Medien mit sich bringen wird, etwa das Unterrichten, das Analysieren oder das Verwenden sozialer Medien zum Wissensaustausch oder zur Kommunikation in verstreuten Teams.

Stephen Downes in einem sehr lesenswerten Beitrag zur Schule 2.0:

There is no particular focus for this view of ‚Scool 2.0‘. The main point is that technology allows us to change our approach to education, from one where we segregate learners in specially designed education facilities (classrooms, training rooms, schools, universities) to one where learning is something we do (and what educators provide) in the course of any other activity.

Instead of bringing students to the learning, as the education system has done for about a century, we must now, if we wish to be relevant at all, bring learning to the students.

Downes Feststellung, dass das Schicksal der Schule, wie wir sie kennen, an das der Industriegesellschaft gebunden ist, dürfte die Herausforderungen für die Lehrenden besser treffen als die Euphorie über das „E-Learning“ oder die Klage über das Verschwinden der Bildung.

In den letzten Monaten bin ich mehrfach auf Texte von Stephen Downes gestoßem, einem der Initiatoren des Konnektivismus. Ich kenne seine Arbeiten nur aus der Ferne; ich habe den Eindruck, dass man nicht an ihnen vorbei kommt, wenn man sich theoretisch damit beschäftigt, was Internetmedien von den Massenmedien unterscheidet.

Jetzt hat Downes auf seinem Weblog ausführlich und sehr verständlich beschrieben, an was er arbeitet. Er geht vom Grundgedanken des Konnektionismus (verwandt mit dem Konnektivismus, aber nicht damit identisch!) aus, dass Wissen nicht als Beschreibung von Objekten, sondern nur als Beziehung zu ihnen verstanden werden kann. Downes‘ zentrales Thema ist: Wie wird Wissen in Netzwerken erzeugt? Dabei verweist Downes auf ein ganze Reihe von eigenen und fremden Texten (die man am liebsten alle lesen würde…). Schließlich kommt er zu aktuellen Projekten, in denen es um die technische Unterstützung der Wissenserzeugung in sozialen Netzen geht: Edu-RSS und personal learning environments.

Ich glaube, dass Downes bei seine Projekten die technische und die soziale Ebene nicht unterscheiden würde. Aber in seiner praktischen Arbeit setzt er offenbar sehr stark auf Automatisierung.

Interessant (wenn auch nicht so interessant wie der erkenntnistheoretische Ansatz) ist die Bedeutung, die RSS dabei hat. RSS scheint für Downes in den wissensgenerierenden Netzen die Rolle zu haben, die im Nervensystem Botenstoffe spielen.

Dave Winer:

It’s too late to be training new journalists in the classic mode. Instead, journalism should become a required course, one or two semesters for every graduate. Why? Because journalism like everything else that used to be centralized is in the process of being distributed. In the future, every educated person will be a journalist, as today we are all travel agents and stock brokers. [Trouble at the Chronicle (Scripting News).]

Adrian Monck antwortet:

Well Dave, there are still travel agents and professional stock brokers. Our old friend the division of labour means even an economist like Steven Levitt needs a journalist like Stephen Dubner to write a book like Freakonomics.
But if I can restate your point, I don’t think j-schools need reforming so much as education in journalism needs to be made more widely available. [Adrian Monck – News on the News Business.]

Monck bringt sich zwar selbst um seine Pointe, aber zusammen drücken die beiden Statements gut aus, von welcher Situation die Ausbildung von Profis für die Kommunikation im Web ausgehen muss. Professionalität besteht hier vor allem darin, andere bei der Kommunikation zu unterstützen oder sie anderen zu ermöglichen. Die Schranke zwischen Journalisten und Nicht-Journalisten ist niedriger als früher, trotzdem gibt es eine Skala der Kompetenz und damit der Professionalität. Aber was unterscheidet den professionellen Journalisten als Dienstleister — Monck spricht von der Rhetorik unserer Zeit — noch vom PR-Profi?

Vor Monaten bin ich auf einen Hinweis Eric Meyers auf Alex Robinsons In search of the One True Layout gestoßen. Meyer bezeichnet Alex Robinsons Methode CSS-Layouts zu definieren als "Layout-Revolution&quot und ersten zufriedenstellenden Versuch, mit CSS beliebige Grid-orientierte Layouts zu erzeugen, also mit Spalten und horizontal angeordneten Blöcken zu arbeiten.

Am Wochenende habe ich Robinsons Artikel zum ersten Mal gelesen. Die Methoden, die er vorschlägt, sind tatsächlich verblüffend simpel. Bei Kolumnen werden z.B. einfach floats verwendet, deren Position durch einen negativen Wert für margin festgelegt wird. Dadurch ist das Layout unabhängig von der Position des Abschnitts im Quelltext. Auch bei den übrigen Komponenten von Robinsons Layout-Konzept besteht das Hauptziel darin, das Layout konsequent vom Quelltext zu trennen. Der HTML-Autor kann so auf Markup verzichten kann, das nur aus gestalterischen Gründen eingefügt wird. Für ein Layout, das in allen gängigen Browsern funktioniert, braucht Robinson lediglich ein wrapper-div und eine Klasse (vertical align).

Robinsons Technik interessiert mich aus zwei Gründen: Ich hoffe, dass sie es leichter macht, HTML und CSS zu unterrichten, und ich möchte sie auch für Projekte verwenden. Zuerst zum Unterricht:

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