In den letzten Monaten bin ich mehrfach auf Texte von Stephen Downes gestoßem, einem der Initiatoren des Konnektivismus. Ich kenne seine Arbeiten nur aus der Ferne; ich habe den Eindruck, dass man nicht an ihnen vorbei kommt, wenn man sich theoretisch damit beschäftigt, was Internetmedien von den Massenmedien unterscheidet.

Jetzt hat Downes auf seinem Weblog ausführlich und sehr verständlich beschrieben, an was er arbeitet. Er geht vom Grundgedanken des Konnektionismus (verwandt mit dem Konnektivismus, aber nicht damit identisch!) aus, dass Wissen nicht als Beschreibung von Objekten, sondern nur als Beziehung zu ihnen verstanden werden kann. Downes‘ zentrales Thema ist: Wie wird Wissen in Netzwerken erzeugt? Dabei verweist Downes auf ein ganze Reihe von eigenen und fremden Texten (die man am liebsten alle lesen würde…). Schließlich kommt er zu aktuellen Projekten, in denen es um die technische Unterstützung der Wissenserzeugung in sozialen Netzen geht: Edu-RSS und personal learning environments.

Ich glaube, dass Downes bei seine Projekten die technische und die soziale Ebene nicht unterscheiden würde. Aber in seiner praktischen Arbeit setzt er offenbar sehr stark auf Automatisierung.

Interessant (wenn auch nicht so interessant wie der erkenntnistheoretische Ansatz) ist die Bedeutung, die RSS dabei hat. RSS scheint für Downes in den wissensgenerierenden Netzen die Rolle zu haben, die im Nervensystem Botenstoffe spielen.

Ich lese im Augenblick Michael Gieseckes Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Giesecke beschreibt die Einführung des Drucks mit beweglichen Lettern und seine Folgen bewusst in Analogie zur Einführung der digitalen Informationstechologie in der Gegenwart.

GieseckeMich interessiert nicht so sehr der systemtheoretische Ansatz der Arbeit — ich bin mir gar nicht sicher, ob es sich bei Giesecke wirklich um Systemtheorie handelt. Mich interessieren vor allem die zahlreichen zitierten Quellen darüber, wie die Zeitgenossen den Buchdruck wahrgenommen haben. Bisher war ich immer davon ausgegangen, dass der revolutionäre Charakter des neuen Mediums in der frühen Neuzeit nicht so verstanden wurde, wie man ihn von heute her erfassen kann. Das lässt sich, wenn ich Giesecke richtig verstehe, so nicht aufrechterhalten; bereits im 15. Jahrhundert wurde Gutenberg als Wegbereiter von Wissenschaft und Bildung gefeiert.

In der Wikipedia gibt es einen ausführlichen Artikel über das Buch mit Links zu Rezensionen.

Dieses Posting ist möglicherweise sehr kryptisch und sicher viel zu allgemein. Ich suche eine Antwort auf die Frage: Welcher Untertitel passt zu diesem Blog? Was tue ich hier eigentlich, oder besser: Was sollte ich tun? Was will ich tun? Ich denke darüber intensiver nach, seit ich vor ein paar Tagen auf das Konzept des Konnektivismus gestoßen bin. In den (wenigen) Texten, die ich bereits dazu gelesen habe, finde ich Ideen ausdrücklich formuliert finde, die mir selbst mehr oder weniger vage seit Jahren durch den Kopf gehen.

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Clay Shirky hat eine Philippika gegen die Stilisierung von Second Life zum Next Big Thing des Internet geschrieben. Zeitgleich mit der IBM-Ankündigung, eine Businessguppe für Second Life und andere Metaversen zu gründen, bezweifelt Shirky, dass sich mehr als 10000 Benutzer gleichzeitig in Second Life aufhalten.

Mindestens so interessant wie Shirkys Hohn für die Marketing-Botschaften der Second-Life-Eigentümerin Linden Labs finde ich seine Kritik an 3D-Metaphern für die Kommunikation in Netzwerken:

…virtual reality is conceptually simple. Unlike ordinary network communications tools, which require a degree of subtlety in thinking about them — as danah notes, there is no perfect metaphor for a weblog, or indeed most social software — Second Life’s metaphor is simplicity itself: you are a person, in a space. It’s like real life. (Only, you know, more second.)

und:

…the fact that an enlightened attempt to make digital objects behave like real world objects suffers from exactly the same problems as an unenlightened attempt, a la the RIAA and MPAA. All the good intentions in the world won’t confer atomicity on binary data. [SECOND LIFE: A story too good to check – Valleywag.]

Mich fasziniert die Möglichkeit von 3D-Welten, auch wenn ich sie selbst nicht benutze. Shirkys Kritik trifft pseudo-realistische Umgebungen, aber nicht die Möglichkeiten einer dreidimensionalen Navigation in großen Mengen von Daten (oder Beziehungen). Und stammt nicht die digitale Persona, die man z.B. durch sein eigenes Weblog kreiert, letztlich auch aus der Famile der Avatare?

… driven by the acceleration of computing power and connectivity and the simultaneous development of surveillance systems and tracking technologies, we are approaching a theoretical state of absolute informational transparency, one in which "Orwellian" scrutiny is no longer a strictly hierarchical, top-down activity, but to some extent a democratized one. As individuals steadily lose degrees of privacy, so, too, do corporations and states. Loss of traditional privacies may seem in the short term to be driven by issues of national security, but this may prove in time to have been intrinsic to the nature of ubiquitous information. [William Gibson: The Road to Oceania.]

Jason Kottke zitiert aus demselben Artikel:

This is something I would bring to the attention of every diplomat, politician and corporate leader: the future, eventually, will find you out. The future, wielding unimaginable tools of transparency, will have its way with you. In the end, you will be seen to have done that which you did.

Konziser als Gibson kann man kaum sagen, was es bedeutet, dass potentiell jede Kommunikation beobachtet werden kann. Konziser kann man auch die Ambivalenz der Öffentlichkeit im Web nicht charakterisieren. Es wird Zeit, endlich Pattern Recognition zu lesen!

Dirk Baecker erläutert sein Konzept der catjects, mit dem er sich direkt oder indirekt schon in einer ganzen Serie von Postings für das System One – Journal beschäftigt hat. Baecker versucht, die entstehende Netzgesellschaft – er nennt sie next society – systemtheoretisch zu interpretieren – oder die Systemtheorie ausgehend von den sozialen und technischen Entwicklungen seit der Erfindung des Web zu reinterpretieren. Er spricht von der

idea of the network synthesis of social action with respect to the next society superposing itself to the tribal, the ancient, and the modern society. [System One – Next Society’s Hypokeimenon]

Den Begriff der next society übernimmt Baecker von Peter Drucker:

We call what is emerging „the next society“ to honour Peter F. Drucker who gave it not only that name but also looked in the consequences of it for management and organization (see his book „Managing in the Next Society“, New York 2003). [System One – The Next Society]

Man kann Baeckers neue Texte auf verschiedenen Ebenen interpretieren – als Diskussion soziologischer Grundbegriffe wie Handlung und System, als Beiträge zu einer materialen Gesellschaftstheorie, die sich mit der Evolution sozialer Formationen beschäftigt, und auch als eine Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Ich lese sie als eine Reflexion über Kategorien, mit denen sich die Kommunikation im Netz als soziales Phänomen beschreiben lässt.

Hier möchte ich nur drei Themen hervorheben, die für eine Theorie des Web Publishing relevant sind: das der Kontrolle der Kommunikation im Netz, das des medialen Charakters des Web und das – fundamentale – Thema der Festlegung von konstanten oder stabilen Einheiten im Web.

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Hans-Dieter Huber: Gibt es bestimmte Gegenstandsbereiche, die Sie nicht interessieren? — Niklas Luhmann: … nehmen Sie die Stadt Bielefeld , das ist kein System. … Oder auch: ich lehne alle Einladungen ab, die mich veranlassen wollen, über den Menschen zu sprechen. Menschenbilder, sowas Grausliches. Also der Mensch interessiert mich nicht, wenn ich das so hart sagen darf. [Niklas Luhmann: Interview.]

Hans Dieter Huber hat Niklas Luhmann 1990 interviewt. Von dem Gespräch erzählte er am Mittwoch nach seinem Vortrag über Vjays und Vjanes an der FH Joanneum.

Am Samstag war ich auf dem Barcamp Vienna. Es fand im Vorfeld der BlogTalk Reloaded statt, deshalb stand Social Software im Mittelpunkt einiger Präsentationen. (Sehr angenehm und zurückhaltend organisiert; hoffentlich gibt es eine Fortsetzung!) Unausgesprochen verband eine Fragestellung die Sessions, an denen ich teilgenommen habe: Wie lassen sich die Beziehungen in sozialen Netzen besser und effizienter darstellen als mit dem gängigen Feedreader-/Aggregatoren-Modell?

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Ich habe wiederum einige Tage damit verbracht, Material zum Thema „Systemtheorie und Webkommunikation“ zu suchen. Man findet – jedenfalls im Web – überraschend wenig. Ob das damit zu tun hat, dass die große Zeit der Systemtheorie tatsächlich vorbei ist? Oder ob der universitäre Diskurs der Systemtheorie und die Diskursformen im Web letztlich nicht kompatibel sind? (Vielleicht muss man, um vom Web her einen produktiven Zugang zur Systemtheorie zu bekommen, „von unten“ kommen, also zum Beispiel von der Beschreibung von Webpublikationen oder aus Gebieten wie der Theorie des Programmierens und der Social Software.) Erste Überlegungen zum Thema „Web Publishing und Systemtheorie“ möchte ich in diesem Eintrag publizieren. Er befindet sich in einem „Prä-Alpha“-Stadium; ich möchte, in den kommenden Wochen an ihm weiterzuschreiben. Ich hoffe, dass Leser auf diesen Text stoßen, die mit weiterhelfen können – auch wenn sie mir zeigen, dass ich einen Holzweg eingeschlagen habe.

Anmerkung: Dieser Text wird aktualisiert; die folgende Version stammt vom 20. 10. 2006 27.11.2006.

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… left me wondering again about the tradeoffs between academia’s longer cycles and the blogosphere’s shorter ones. Granting that these are complementary modes, does blogging exemplify agile methods — advance in small increments, test continuously, release early and often — that academia could use more of? That’s my half-baked thought for today.[Jon Udell: Half-baked ideas]

Weblogs realisieren das mit dem Web gegebene Potential, in einem Ausmaß rekursiv zu kommunizieren, das bei klassischen Medien unmöglich ist.