In der letzten Woche hat am Studiengang Content-Strategie die erste Präsenzwoche des Wintersemesters stattgefunden. Dabei haben wir die Studentinnen und Studenten des neuen Jahrgangs (Hashtag #cos18) begrüßt. Im folgenden der Text, den ich mir für meine Einleitung notiert habe. Vorgetragen habe ich ich ihn dann auf EU-Englisch und mich sicher von meinen Notizen entfernt.
Vielleicht wirkt der Text etwas streng. Gedacht ist er als eine Einladung zum Mitmachen—ich hoffe, dass ich das mündlich auch vermitteln konnte.
Wir unterrichten Content-Strategie zunächst einmal in dem ganz allgemeinen Sinne, den wahrscheinlich alle mit diesem Wort verbinden, wenn sie es zum ersten Mal hören: Es geht um die Strategie für Inhalte, mit denen Organisationen Ziele erreichen, weil die Inhalte die Bedürfnisse ihrer BenutzerInnen und Benutzer optimal erfüllen.
Wir unterrichten Content-Strategie aber auch in einem engeren Sinne— nämlich dem der Disziplin der Content-Strategie, die sich seit über 10 Jahren vor allem in den USA, aber auch in vielen anderen Ländern entwickelt hat. Hier ist eine Methodik gemeint, mit der die Strategien, um die es bei der Content-Strategie im zuerst genannten Sinne geht, entwickelt und umgesetzt werden. Dafür ist das analytische Vorgehen entscheidend, das ausgeht von:
- den vorhandenen Inhalten und Content-Ökosystemen,
- den Bedürfnissen und Erfahrungen der User
- und der Organisation selbst.
Eine zentrale Rolle spielen die Definition von Botschaften und das Entwickeln von Content-Modellen. Außerdem geht es darum, die Strategie zu implementieren und dafür die entsprechenden Workflows und Governance-Strukturen zu designen. Zu all‘ diesen Punkten gibt es inzwischen viel Literatur und auch sehr viel Austausch, und unser Ziel ist es, euch so in diese Welt einzuführen, dass ihr an ihr partizipieren und als Mitglieder dieser Community praktisch arbeiten könnt.
Hinter der Content-Strategie stehen zwei verschiedene Traditionen:
- die der Content Strategie für Websites, wie sie von Kristina Halvorson und vielen anderen entwickelt worden ist. Sie entstand aus der Erkenntnis heraus, dass für gute und erfolgreiche Online-Inhalte mehr notwendig ist, als nur vorhandene (oder—wie meist—den vorhandenen Inhalten ähnliche, aber schlechter redigierte) Inhalte auf eine Website und in ein ansprechendes Webdesign zu stellen. Das Interesse an qualitätsvollen Inhalte im Web und auf den damit verwandten digitalen Plattformen führte zur Entwicklung dieser Linie der Content-Strategie.
- Eine zweiter Strang geht vom Unternehmens-Inhalt als einem einheitlichen Ganzen aus, zunächst vor allem in der technischen Kommunikation, aber dann weit darüber hinaus. Um diese zusammenhängenden Inhalte sinnvoll zu entwickeln, ist nicht nur eine durchdachte und effiziente technische Infrastruktur notwendig sondern auch eine inhaltliche Strategie, die festlegt, wozu man die Infrastruktur benutzt. Die erste große Autorin auf diesem Gebiet war Ann Rockley.
Die Content-Strategie-Community, wie sie heute existiert, entstand aus diesen beiden Communities. Als einen dritten Strang kann man das Content Marketing verstehen. Vor allem im deutschen Sprachraum wird es oft mit Content-Strategie verwechselt. In der Praxis wird Content-Strategie in vielen Unternehmen vor allem für das Marketing oder mit Marketing-Zielsetzungen verwendet, und von dieser Praxis koppeln wir uns nicht ab. Deshalb werdet ihr im Studium auch viel mit Content Marketing zu tun haben, wobei wir aber auch das Content Marketing immer als Bestandteil von Services für User verstehen.
Content Strategie wird gerne als Disziplin bezeichnet, sie ist aber keine wissenschaftliche Disziplin. Gemeint sind miteinander zusammenhängende, reflektiert weiterentwickelte Praktiken. Content-Strategie besteht nicht aus Regeln, die man nur einfach anwenden müsste.
Wir sind noch immer das erste akademische Studium zu dieser Disziplin, wobei wir aber merken, dass es an anderen internationalen Universitäten zunehmend Interesse an dieser Thematik gibt. Wir sind auch noch immer bei der Entwicklung dieses Studiums, und wir müssen zum Teil Dinge tun, die sonst in einem Master-Studiengang nicht im Vordergrund stehen: Wir müssen aktiv forschen, und eure Arbeit ist auch ein Teil dieser Forschungen, bei denen wir Content-Strategie zu einer Praxis machen wollen, die man lehren, überprüfen und weiterentwickeln kann.
Was erwarten wir von den Studierenden?
Was erwarten wir von euch, den Studierenden? Wir erwarten vor allem, dass ihr das Studium aktiv gestaltet. Es ist nicht unser Ziel, ein fixiertes Wissen zu vermitteln, das aus Statements, Theorien oder auch einfach zu übernehmenden Rezepten besteht. Content-Strategen arbeiten in der Praxis immer auch, indem sie forschen, und zu dieser Forschung gehört es, die Fragestellungen überhaupt erst richtig zu entwickeln. Dieses forschende Vorgehen wollen wir im Studium einüben. Dazu sollen vor allem die Praxisprojekte beitragen, und dazu gehört es auch, die Ergebnisse ständig miteinander zu diskutieren und öffentlich zu machen. Das Diskutieren und Veröffentlichen macht den, wenn man so will, wissenschaftlichen Charakter des Studiums aus. Wir erwarten also, dass ihr Wissen aktiv entwickelt und miteinander teilt.
Was könnt ihr von uns erwarten?
ihr könnt von uns erwarten, dass wir auf eure Situation Rücksicht nehmen, berufstätig zu studieren und auch etwas zu studieren, das in vielen noch nicht festgeschrieben ist. Wir sind alle bemüht, euch das Studium so leicht wie möglich zu machen, wobei wir natürlich durch die Bedingungen der Hochschule und der Gesetze auch bestimmten Einschränkungen unterworfen sind. Wir wissen, dass das Studium nicht leicht ist, und dass alle nach den zwei Jahren froh sind, wenn sie es hinter sich haben. Wir hoffen aber doch, dass ihr euch später gerne daran zurückerinnert, und wir hoffen auch, dass ihr möglichst bald eine Community mit den anderen Studierenden, vor allem denen des Jahres vor euch bildet.
Wenn du schreibst, Heinz, das der Studiengang Content Strategie noch aktiv in Entwicklung ist, da die Disziplin sich noch immer weiter gestaltet, heisst das denn das ihr euch zunehmend auch mit Algorithmen usw auseinandersetzt? Nebst zB Einflussnahme auf Wahlen, wobei ich Inhalte gezeigt bekomme die andere nicht über den selben Politiker zu sehen bekommen, fand ich gestern ein krasses Beispiel wobei auf Netflix andere Akteure im ‘Filmplakat’ gezeigt werden je nach meinem Profil, inklusive meiner Hautfarbe. Die Frage dabei ist wohl wann eine Strategie zum ‘dark pattern‘ wird. Und wann es undendlich leichter ist mich was vorzuzeigen als für mich mich dagegen zu wehren. Machtdifferenzen durch Content Strategie?
Ja, Ton, das gehört zu den Themen der Content-Strategie, auch wenn sich praktisch noch wenige Leute in dieser Disziplin mit diesen Algorithmen und ihren Konsequenzen beschäftigen. Ich selbst möchte es aber intensiv tun. Sehr lesenswert finde ich dazu (auch wenn es nicht um politische Kritik geht, sondern um Hypertext): The Brave New Text von Teodora Petkova.