Das Web als Instrument des Lernens wird langsam populär—spätestens durch Online-Universitätskurse wie die von Udacity und Coursera. Dass das Web auch Gegenstand der Bildung ist, und zwar nicht nur ein peripherer, ist weit weniger durchgedrungen. In einem Whitepaper der Mozilla Foundation werden jetzt die Web Literacies, die Fähigkeiten zum aktiven Umgang mit dem Web, sehr schlüssig beschrieben.
Mich hat erst dieser Tweet von Giulio Quaggiotto darauf aufmerksam gemacht:
Useful digital literacy skills chart and report from Mozilla flpbd.it/ke0h8 ht @danmcquillan cc @heinz
— giulio quaggiotto (@gquaggiotto) November 11, 2012
In der Mozilla Foundation sind Digital Literacies schon lange ein Thema, und inzwischen spricht man dort von Web Literacies. Mich freut das auch, weil wir an der FH ein Web Literacy Lab eingerichtet haben und jetzt etwas sicherer sind, dass dieser Name die Sache trifft. Wichtiger ist aber, was dort inhaltlich entwickelt wird: ein systematisches und begründetes Konzept für das Wissen, das man braucht, um aktiv am Web teilzuhaben, und für die Vermittlung dieses Wissens. Das in dem Tweet zitierte Learning/WebLiteraciesWhitePaper enthält die letzte Version dieses Konzepts. Doug Belshaw ist der Hauptautor; u.a. greift er auf viele Arbeiten von Michelle Levesque zurück. Belshaw befasst sich seit Jahren intensiv mit Digital Literacies, bloggt darüber und hat darüber promoviert.
In dem Papier ist von Web Literacies im Plural die Rede, weil es sich bei Webkompetenz oder Webbildung um ein Bündel um Fähigkeiten und ihrer Reflexion handelt, das Elemente aus verschiedenen Bereichen enthält. In einer Grafik erscheinen web literacies als Schnittmenge aus media literacies, digital literacies und Informatik; sie überlappen sich mit dem computational thinking:
(Aus dem Mozilla Web Literacies white paper: mzl.la/weblit, inspired by Connected Learning and Carla Casilli)
Web litercies sind eine eigene, spezifische Form oder Gruppe von Literacies. Aus der Natur und der Wichtigkeit des Web ergibt sich, woraus die Web Literacies bestehen und warum sie so wichtig sind. Das Papier nennt das Web
die größte öffentliche Ressource der Welt, das Betriebssystem der Zukunft und (glauben wir) einen der größten Treiber des Glücks und der menschlichen Blüte [one of the greatest drivers of happiness and human flourishing], den die Welt je gesehen hat.
Web literacies, also eine auf das Web bezogene Bildung, sind nötig, um an den Möglichkeiten des Web teilhaben zu können.
Das offene Web hat wachsenden Zugang zur Information und zueinander ermöglicht und zugleich eine Plattform für viele neue Weisen zu lernen und zum Erwerben neuer Fähigkeiten bereitgestellt. Es ist bedeutsam für Entwickler, Lehre, Ärzte, Bauarbeiter und viele andere, darunter Lernende jeder Art. Deshalb glauben wir, dass es eine neue Gruppe von Fähigkeiten [literacies] für moderne Bürger—web literacies—gibt, die sie darauf vorbereiten, das Web effektiv zu nutzen um Informationen zu erhalten, sich mit anderen zu verbinden und sich auszudrücken.
Kernbereiche der Web Literacies sind das Finden von Informationen, das Schaffen von Inhalten und der Austausch mit anderen Teilnehmerinnen. Hinzu kommen als vierte Gruppe von Literacies das Wissen und die Fähigkeiten, die nötig sind, um das Web zu schützen und seine Besonderheiten zu verteidigen.
Web Literacies lassen sich auf verschiedenen Ebenen erfassen. Das Whitepaper versucht ein Framework zu entwickeln, um die
Fähigkeiten (skills), Kompetenzen (competencies) und die Bildung (literacies) zu verstehen, die nötig sind, um ein Webmacher (Webmaker) zu sein.
Entscheidend ist, dass Web Literacies dazu befähigen, das Web zu gestalten, nicht nur es zu konsumieren.
Für das Web gebildet zu sein [Being web literate] bedeutet nicht nur dazu fähig zu sein, das Web zu lesen, sondern auch dazu in der Lage zu sein, es zu ´schreiben´.
Für das Framework, das in dem Papier entwickelt wird, ist vor allem die Dreiteilung in skills, competencies und literacies wichtig. Skills bezieht sich auf erlernte Fähigkeiten, bestimmte Handlungen durchzuführen, competencies auf Sammlungen von skills für bestimmte Zwecke. Zur literacy gehört Reflexivität und Kommunikation mit anderen Gebildeten; das Papier ist gerade hier noch nicht abgeschlossen. Im Original heisst es:
For someone to be ‘literate’ they have to be aware that they are literate and be accepted within a wider community of literate peers.
Ich würde gerne in einem späteren Post das Konzept des Papers mit dem vergleichen, dass ich in Zwei Ebenen der Web Literacy beschrieben habe. Ton Zijlstra sagt es in Lernen in der Netzwerkgesellschaft ganz einfach:
Literacy = Skill + Community
Die Stoßrichtung bei Mozilla ist Webentwicklung, also auch das Coden. Dabei geht es um das Niveau zwischen den ganz allgemeinen Fähigkeiten zum Umgang mit dem Web (z.B. einen URL eingeben zu können oder etwas zu suchen) und der eigentlichen Entwicklung. Die Tabelle zu den Webkompetenzen sieht derzeit so aus:
EXPLORING | CREATING | CONNECTING | PROTECTING |
BEGINNER | |||
Browser basics (e.g. URLs, copy/paste) |
HTML basics (e.g. adding images, linking) |
Participation (e.g. etiquette, curation) |
Privacy (e.g. cookies, privacy controls) |
Search engine basics (e.g. keyword search, filtering) |
CSS basics (e.g. fonts, positioning) |
Collaboration (e.g. co-creation, wikis) |
Security basics (e.g. HTTPS, password management) |
Web mechanics (e.g. view source, hyperlinks) |
Web design basics (e.g. affordances of the web, designing for audiences) |
Sharing (e.g. social networks, embedding) |
Rights online (e.g. copyright, open licensing) |
INTERMEDIATE | |||
Browser skills (e.g. cookie management, add-ons) |
Javascript basics (e.g. programming basics, javascript syntax) |
Contributing to web communities (e.g. distributed working, collaborative curation) |
Identity (e.g. personal information curation, tracking management) |
Credibility (e.g. trustworthiness of websites, evaluating information) |
Advanced web design (e.g. responsive design, accessibility) |
Storytelling (e.g. multimedia, augmentation) |
Security & encryption (e.g. data protection, basic encryption) |
Remixing (e.g. mashups, hackable games) |
Infrastructure (e.g. hosting, domains) |
Open practices (e.g. open standards, open source) |
Legalese on the web (e.g. privacy policies, terms of service agreements) |
In diesem Post wollte ich nur auf dieses Konzept hinweisen, das mir in vielem richtungsweisend erscheint. Auf die Überlegungen zur Didaktik, auf die Webmaker badges und auf die konkreten Mozilla-Projekte zu den Web Literacies möchte ich getrennt eingehen.
Das Mozilla-Whitepaper ist eines der durchdachtesten Konzepte zu einer webbezogenen Bildung, das ich kenne—ein großer Schritt.
(Auch gepostet im Blog des Web Literacy Lab.)
[…] sondern auch, sich selbst und andere auch damit in Beziehung zu setzen. Kernbereiche der Web Literacies sind das Finden von Informationen, das Schaffen von Inhalten und der Austausch mit anderen […]