Die Fachgruppe PR und Organisationskommunikation der DGPuK hat ein Positionspapier Akademische PR-Ausbildung in Deutschland publiziert. Verantwortliche Autoren sind Thomas Pleil und René Seidenglanz.
Das Papier ist knapp und übersichtlich; es beginnt mit einer guten Zusammenfassung. Die folgende Grafik (entnommen der S. 3 des Papiers) zeigt, wie die DGPuK die Rolle der akademischen PR-Ausbildung versteht:
Nach der ersten Lektüre würde ich das Papier so charakterisieren: Es begründet und fordert den akademischen Charakter der PR-Ausbildung: Die PR-Ausbildung soll wissenschaftlich fundiert sein und sowohl auf eine praktische Tätigkeit in der PR wie auf eine wissenschaftliche Karriere vorbereiten. Die akademisch ausgebildeten PR-Leute sollen nicht nur Wissen anwenden, sondern dazu in der Lage sein, die eigene Tätigkeit mit wissenschaftlichen Maßstäben zu bewerten und zugleich kritisch zu reflektieren, z.B. in Hinsicht auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen. Das Papier bindet die PR-Ausbildung an die Kommunikationswissenschaft, fordert aber auch, PR-Praktikern eine weit über eine rein fachliche oder fachwissenschaftliche Qualifikation hinausgehende Kompetenz zum kritischen Nachdenken zu vermitteln.
Das ist eine aufklärerische Position, die sich am Leitbild eines autonomen und auf Wissen und Reflexion gestützten Handelnden orientiert—im Gegensatz zum reinen Praktiker, der nur Anweisungen seiner Kunden oder Vorgesetzten umsetzt. Es ist außerdem eine sehr anspruchsvolle Position: Die Ausbildung wird an Forschung gebunden; für die akademische PR-Ausbildung an Hochschulen und Fachhochschulen sollen vor allem Wissenschaftler verantwortlich sein, die selbst forschen, die also nicht nur einen bereits erarbeiteten Wissensbestand vermitteln.
Für mich ist die Bindung der Ausbildung an die Forschung ein wichtiger Punkt: An den österreichischen Fachhochschulen wird Forschung betrieben, und die Hochschulen sind verpflichtet, den Lehrenenden Forschung zu ermöglichen; nur die Lehre ist aber fix finanziert. Forschungstätigkeit hängt von Aufträgen aus der Wirtschaft oder von Förderungen ab, die man akquirieren muss. Wenn wir die Forderungen des Papiers an unserem Studiengang umsetzen wollen, müssen die Lehrenden Freiräume für die Foschung erhalten, die von Projekten für Auftraggeber unabhängig sind. In einem gewissen Ausmaß—das muss ich hinzufügen—hat man diese Freiheit im Rahmen der Weiterbildung und der Vorbereitung für die Lehre, aber sie ist von Zufällen und der Gutwilligkeit der Vorgesetzten und der Verwaltung abhängig.
Noch zwei Bemerkungen zu Themen, die in dem Papier nicht explizit behandelt werden, eine zu dem kommunikativen Kompetenzen, die wir vermitteln, und eine zu meinem eigenen Unterrichtsgebiet, der Webkommunikation:
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Kommunikative Kompetenzen: Für mich hat die Ausbildung von Kommunikatoren immer auch eine rhetorische, vielleicht könnte man auch sagen: gestalterische Komponente, die nicht einfach zu den nichtakdemischen, rein praktischen Teilen der Ausbildung gehört. Vor allem an Fachhochschulen sehe ich hier Ähnlichkeiten mit der Ausbildung an Kunst- oder Musikhochschulen. Ich fände es sinnvoll, diese Komponente in einem Positionspapier zur akademischen Aubildung von Kommunikatoren explizit und differenziert zu berücksichtigen—womit ich auf keinen Fall für eine Entakademisierung plädieren möchte.
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Webkommunikation: Auf Webkommunikation geht das Papier nicht ein—wahrscheinlich, um die zentralen Aussagen nicht durch weitere Themen zu verwässern. Für die PR bringt das Web radikale Veränderungen, und für die Aubildung und die wissenschaftliche Kommunikation neue Formen, die wir gerade erst auszuloten beginnen. Für eine Bewertung der Konsequenzen des Webs für die akademische PR-Ausbildung wäre wohl ein eigenes Papier (oder Wiki) nötig. Zur wissenschaftlichen Fundierung in diesem Bereich gehört wohl auch die entstehende Webwissenschaft— die man auch als Teilgebiet der Kommunikationswissenschaft verstehen kann.
Für unsere Diskussionen am Studiengang und in der Hochschule ist das Papier hilfreich, auch wenn es sich nur auf die Ausbildung in Deutschland bezieht. Es formuliert klar und verständlich Sinn und Anspruch einer akademischen Kommunikationsausbildung. Es bezieht eine Position, die ich als Lehrender auf diesem Gebiet gern auch als Verpflichtung annehme.
Die Frage bleibt, was diese ebenso verspätete wie davor notwendige Akademisierung der Public Relations noch bewirken soll, wo doch der natürliche Counterpart der PR, der Gatekeeper-Journalismus, zunehmend zum Auslaufmodell wird? Zumindest sehe ich nicht, dass die PR für eine künftig sehr viel mikromedialere Welt vom Selbstverständnis her schon adäquat aufgestellt wären. Die Vorstellungen von einer Top-Down-Kommunikation als Konstitutionsmodell gelenkter Öffentlichkeit haben noch längst nicht abgewirtschaftet, nur der Bezug zur Realität ist solchen Vorstellungen abhanden gekommen, sie sind zum Glasperlenspiel geworden …
Hm. Irgendwie kommt es mir immernoch komisch vor, mir einen akademischen Zugang zu etwas (PR) vorzustellen, bei dem mir noch nicht einmal völlig klar ist, ob es sich dabei überhaupt um eine wissenschaft handelt.
Zusätzlich müsste dann die akademische PR thematisch avantgarde sein. das seh ich nun wirklich nicht. Weder bei PR2.0 noch bei PR/CRM.
Ich glaube, dass hinter dem Papier durchaus die Absicht steckt, die PR auf eine „mikromedialere Welt“ einzustellen, bei Thomas Pleil bin ich mir da sogar sicher. Mein subjektiver Eindruck ist übrigens, dass die Offenheit für soziale Medien (oder wie immer man sie nennt) bei PR-Leuten größer ist als bei Journalisten. Für Leute, die PR bisher schon dialogisch begriffen haben, ist das Web eine Chance.
Na ja – sie kann sich ja auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, ohne selbst eine Wissenschaft zu sein. Was die Avantgarde-Funktion angeht: Leute wie Ansgar Zerfaß oder Thomas Pleil – das sind Vertreter der akademischen PR – sind tatsächlich Vordenker und werden auch von Praktikern so wahrgenommen. Ich verstehe das DGPuK-Papier auch als Aufruf zu einer kritischen Haltung gegenüber gegenüber gängigen Praktiken.