
Ich kenne keinen besseren zusammenfassenden Text zur Klima-Ungerechtigkeit und zu einer wirksamen Politik gegen die voranschreitende Klimakrise als den neuen Climate Inequality Report (Chancel et al., 2025). Knapp und mit verständlichen Infografiken stellen Lucas Chancel, Cornelia Mohren und ihre Mitarbeiter:innen am World Inequality Lab die aktuellen Daten zu den Beziehungen zwischen unterschiedlich verteiltem Reichtum und Treibhausgas-Emissionen dar. Ausgehend von dieser Darstellung formulieren sie politische Maßnahmen gegen die Klimakrise. Diese Maßnahmen halte ich für die Basis eines Konsenses aller politischen Kräfte, die die globale Erhitzung wirksam bekämpfen wollen:
- ein Verbot aller Investionen in zusätzliche fossile Energieträger,
- eine Besteuerung von Vermögen, die sich an der Verursachung von Emissionen durch Konsum und vor allem durch Investitionen orientiert,
- massive, vor allem durch Steuern finanzierte öffentliche Investitionen in die Dekarbonisierung im Sinne des Pariser Abkommens.
Die aktuelle Klimapolitik in Europa – ganz zu schweigen von den USA – ist weit von diesen Maßnahmen entfernt. Sie orientiert sich viel mehr an den Interessen der Allerreichsten als an dem Ziel, die globale Erhitzung aufzuhalten. Auf diese macht- und geopolitische Dimension der Klima-Ungerechtigkeit geht der Climate Inequality Report nur indirekt ein.
Drei Dimensionen der Klima-Ungerechtigkeit
Als Klima-Ungerechtigkeit oder carbon inequality wird meist verstanden, dass die Reichen und Reichsten durch ihren Konsum weit mehr Treibhausgase in die Atmosphäre jagen als die weniger oder nicht Wohlhabenden. Privatjets und Luxusyachten sind Ausdruck der extremen Ungleichheit in der Nutzung und Übernutzung der Ressourcen des Erdsystems. Würde die reichere Häfte der Bevölkerung in den USA und Europa nur so viel CO2 ausstoßen wie die ärmere Hälfte, wären die Emissionsziele des Pariser Abkommens für 2030 dort annähernd erreicht (Chancel, 2022).

Das Konzept der Klima-Ungerechtigkeit, das dem neuen World Inequality Report zugrundeliegt, ist weiter. Die Ungerechtigkeit bei den vom Konsum verursachten Treibhausgasen ist nur ein Aspekt der Beziehungen zwischen Emissionen und Ungleichheit bei den Vermögen. Emissionen und Vermögensungleichheit treiben sich auf drei Weisen gegenseitig an:
- Die Folgen der globalen Erhitzung sind ungleich verteilt. Die global Ärmeren leiden wirtschaftlich weit mehr unter Hitze, Extremwetter, landwirtschaftlichen Produktionsausfällen, dem Verlust von Siedlungsgebieten und auch unter Maßnahmen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz als die Wohlhabenderen. Der sich verschärfende Klimanotstand spreizt die Schere zwischen Reichen und Armen weiter auf.
- Reiche und sehr Reiche treiben die globale Erhitzung durch ihren Konsum und vor allem durch ihre Investitionen weiter an. Vermögende legen einen erheblichen Teil ihrer Mittel bei Firmen an, deren Profite von der Förderung und der Nutzung fossiler Energien abhängen. Je größer die Vermögen sind, desto höher ist dabei der Anteil der fossilen Investitionen. Pensionsfonds und Lebensversicherungen – typische Kapitalanlagen von weniger Vermögenden – investieren deutlich weniger in fossile Energien als Banken, Private Equity Fonds und Großaktionäre.
- Vor allem Vermögende profitieren auch von den durch den Klimanotstand erforderlichen Investitionen in erneuerbare Energien, während Staaten und öffentliche Körperschaften durch die Klimakrise an Vermögen verlieren, etwa, weil sie Verluste und Schäden durch die Klimakrise ausgleichen müssen. Der ungleich verteilte private Reichtum nimmt durch die Dekarbonisierung zu, während öffentliche Einrichtungen sich weiter verschulden.

Eine Synthese des Wissensstands zu Ungleichheit und Klimakatastrophe
Der Climate Inequality Report ist ein Synthesis-Report, ein Bericht, der den Wissensstand zu diesem Thema zusammenfasst. Er integriert u.a. aktuelle Daten zur fossilen Expansion und zu den CarbonBombs, Informationen der International Energy Agency zur Entwicklung der fossilen Energieträger, der erneuerbaren Energien und den für eine Dekarbonisierung notwendigen Investitionen sowie Zahlen zum Finanzbedarf im globalen Süden. Ich verfolge diese Themen seit einigen Jahren ausgehend von der Berichterstattung in großen Zeitungen – eine ähnliche Synthese habe ich bisher nicht gefunden. Auch damit ist dieser Bericht eine Grundlage für die Formulierung politischer Alternativen zum aktuellen klimapolitischen Kurs in den meisten reichen Ländern, der Katastrophen von globalem Ausmaß in Kauf nimmt und – wenn er Investionen in fossile Energien fördert – aktiv vorantreibt.
Klimakrise und globale Ungleichheit lassen sich nur zusammen bekämpfen
Die zentrale Aussage des neuen Reports ist:
Die in diesem Bericht vorgelegten Belege verdeutlichen, dass die Klimakrise und die Vermögensungleichheit zwei Seiten derselben Medaille sind. Die reichsten Menschen verursachen durch ihren Konsum nicht nur weitaus größere Umweltschäden, sondern vor allem besitzen und finanzieren sie auch die Vermögenswerte, die für den Großteil der weltweiten Emissionen verantwortlich sind. [p.43. übersetzt von mir mit Hilfe von DeepL]
Die Maßnahmen, die in dem Bericht vorgeschlagen werden, zielen deshalb darauf ab, das Wachstum der Emissionen und das Wachstum der Ungleichheit als zusammenhängende Phänomene zu stoppen. Dabei sind diese Maßnahmen nicht utopisch – für viele ihrer Teile verweisen die Autor:innen auf vorhanden praktische Umsetzungen, etwa auf die dänische Gesetzgebung beim Verbot weiterer fossiler Investitionen. Diese Maßnahmen sind in politische Forderungen übersetzbar, weil sie von sehr unterschiedlichen politischen Gruppierungen vertreten werden können.
Allerdings reicht die politische Unterstützung in Europa (und darüber hinaus) zu Zeit bei weitem nicht aus, um diese Maßnahmen praktisch umzusetzen. In Frankreich – dem größeren europäischen Land, in dem innerhalb der Linken am ehesten eine Einigung auf diese Maßnahmen möglich wäre – ist die Zucman-Steuer gerade im Parlament gescheitert (Dole & Alexandre, 2025. Sie wird im Climate Inequality Report erwähnt, wobei die in diesem Bericht vorgeschlagene Vermögensbesteuerung anders als die Zucmann-Steuer auf fossile Investitionen abzielt.) Die politische Dominanz, die die Reichen und Reichsten sich in den letzten Jahrzehnten erkämpft haben, und die geopolitische Dimension dieser Dominanz werden im World Inequality Report nicht thematisiert. Gegen diese Dominanz anzugehen wird entscheidend sein, um die Forderungen des Berichts umzusetzen. Für die Bildung politischer Koalitionen, die die Bekämpfung dieser Dominanz anstreben, ist er eine sehr wertvolle Grundlage.
Einen Zeitungsbericht u.a. zu diesem Report gibt es im Guardian (Watts, 2025).