In der letzten Woche hat unser Studiengang sein zehnjähriges Bestehen gefeiert. Es waren ein paar intensive Tage—nicht nur durch die Feiern am Tag selbst und den Start unserer Kooperation mit der Kleine Zeitung Akademie am Vorabend, sondern auch durch die vielen Gespräche mit Kollegen und Absolventen, die nach Graz gekommen waren.
Dabei muss ich ganz besonders Thomas Pleil hervorheben, der für mich ein role model für Lehre und Forschung in meinem Themengebiet ist, und der gleich einige Tage in Graz geblieben ist. Ich werde den langen Abend mit Judith Denkmayr und Klaus Eck so wenig vergessen wie die Gespräche mit Absolventinnen wie Birgit Bröckel, Flo Ranner und Jochen Hencke. Danke an Dieter Rappold für die Moderation und den Input bei unserem World Café am Nachmittag! Es gehört zu den angenehmen Seiten der Netzwerkgesellschaft, dass Arbeitsbeziehungen und Freundschaften leicht ineinander übergehen.
Am Ende bleibt bei mir ein viel bunteres Bild von unserer Arbeit zurück, als man es in offiziellen Festbeiträgen ausdrückt—sicher auch mit einigen Schatten und undeutlichen Zonen. Unsere Absolventen, das habe ich in einigen Gesprächen erfahren, werden von der Wirtschaft gerne genommen, aber sie werden auch gerne ausgebeutet. Am Studiengang müssen wir uns noch mehr als bisher in Frage stellen und überprüfen, ob unsere Inhalte und Methoden noch in die aktuelle Medienlandschaft passen.
Ich arbeite selbst schon acht Jahre an der Fachhochschule. Mir sind während des Festes vor allem zwei Dinge aufgefallen, die ich zu Anfang meines Jobs hier nicht erwartet hätte: die Dominanz, die die digitalen Medien in wenigen Jahren bekommen haben, und der starke regionale Bezug eines FH-Studiengangs.
Als ich 2004 hier begonnen habe, hatte ich den Eindruck, eine Randdisziplin zu vertreten, kein Kernfach wie den Journalismus oder die PR an unserem Studiengang. Ich habe damals nicht an der Bedeutung der Digitalisierung und des Webs für die Medien in der Zukunft gezweifelt. Ich habe aber nicht erwartet, dass sich der mediale Umbruch so schnell vollziehen würde und dass er so schnell von vielen in dieser Branche erfasst werden würde. Bei der Feier am Freitag war mir persönlich fast schon unangenehm, wie sehr hervorgehoben wurde, dass wir unsere Studierenden auf eine digitale Zukunft vorbereiten.
Ich muss meine eigene Arbeit also neu definieren. Wenn man Journalismus oder PR nicht mehr unterrichten kann, ohne sich laufend mit dem Netz zu beschäftigen, dann bringt es nicht viel, an einem Studiengang wie unserem eine Art eigenen digitalen Bereich zu haben. Ich sehe meine Aufgabe eher darin, die Besonderheiten der digitalen Medien darzustellen, also alles, in dem sie anders sind als die analogen Massenmedien. Damit meine ich vor allem die Formen, in der Produkte und Inhalte entworfen werden und die Veränderungsprozesse, die damit verbunden sind. Anders formuliert: Bei digitalen Medien spielt Innovation eine andere Rolle als bei den verhältnismäßig statischen analogen Medien. Sie ist nicht nur Technik-, sondern überdies von Software getrieben, und sie verlangt ein ganz anderes Management als der traditionelle Medienbetrieb. Es ist wichtig, die Studierenden an diese Innovationsprozesse heranzuführen und sie auch mit der Kultur der Tech- und Startup-Szene vertraut zu machen.
Als ich damals nach Graz gekommen bin, habe ich auch nicht erwartet, wie eng ein Fachhochschulstudiengang mit einer Region verbunden ist—wobei ich zu unserer Region auch Wien zähle. Bei einem offiziellen Festakt wird die regionale Bedeutung natürlich besonders betont, weil viele regionale Offizielle auftreten. Ich sehe sie aber auch zunehmend als Teil meiner job description: Vor allem durch die regionale oder lokale Übersetzung geht unser Job darüber hinaus, internationale Trends zu spiegeln. Bei den Gesprächen in der letzten Woche ist mir viel deutlicher geworden, dass die Studierenden, aber auch die regionalen Unternehmen unsere Kunden sind und uns brauchen.
Wenn ich zusammenfasse, könnte ich auch sagen: Unser Job an der FH besteht zu einem guten Teil darin, auf Veränderung in der Region hinzuarbeiten. Jay Rosen hat irgendwo geschrieben, dass die Landwirtschafts-Hochschulen Anfang des vorigen Jahrhunderts nicht lehrten, wie die Bauern damals arbeiteten, sondern dass sie versuchten, neue Methoden zu entwickeln und durchzusetzen. Ich verstehe meine Arbeit hier ganz ähnlich.
Sehr schön zusammengefasst.
Ein Punkt vielleicht noch: Studis profilieren sich durch verinnerlichte „digitale Denke“ (im Sinne des erlernten Umgangs von schnellen, technischen Veränderungsprozessen) auch in „statischen, analogen“ Medien. Die im Moment übrigens, notgedrungen, in der Produktion gar nicht mehr so statisch funktionieren. Junge Journalisten sind längst selbst Produzenten, die etwa im Printbereich, auch bei größten Zeitungen, aufgrund fehlender personeller Ressourcen ihre Seiten selbst in durchaus komplexen Redaktionssystemen (Software) zeichnen (codieren). D.h. die Idee (Aufmachung) eines analogen Textes, und die damit verbundene Wahrnehmung des Lesers, ist mittlerweile ein stark von der digitalen Kompetenz eines Journalisten abhängiger Vorgang.
Vor zehn Jahren wäre das wohl undenkbar gewesen.
„..wobei ich zu unserer Region auch Wien zähle..“. Schön gesagt, Heinz.
Aber sag das lieber nicht in Wien 😉