Interessante Diskussion bei Mindy McAdams: Journalists, HTML, and Dreamweaver. Fast alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass Journalistinnen ohne HTML- und CSS-Kenntnisse heute entschieden schlechtere (bzw. überhaupt keine) Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, und dass man beides im Quellcode, also mit einem Texteditor erlernen muss, statt mit Tools wie Dreamweaver. Am wichtigsten ist es dabei, auch darin besteht Konsens, die semantische Struktur von Dokumenten zu verstehen; Code-Feinheiten sind nicht relevant.
Ich mache in meinem Unterricht die Erfahrung, dass man HTML alleine — also ohne Rücksicht auf die Präsentation — nur Studenten vermitteln kann, die schon wissen, um was es geht. In den kommenden Semestern möchte ich noch mehr mit Tools wie Markdown arbeiten, um die Studierenden dazu zu bringen, möglichst flüssig Hypertext zu schreiben.
Ich kann mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen, dass HTML-Kenntnisse (über grundsätzliche Tags hinaus: Link, Bild einbinden) heute wirklich (noch) die Arbeitsmarktchancen eines Journalisten erhöhen.
Wenn online gearbeitet wird oder werden soll, werden *immer* Content-Management-Systeme eingesetzt, meist mit WYSIWYG-Editoren: Diese, insbesondere die gängigen, zu beherrschen, dürfte heute tatsächlich Pflicht und keine Kür mehr sein.
Gleiches gilt noch viel mehr für ein grundlegendes Verständis der Zusammenhänge und des Nutzungsverhaltens im Medium Internet.
Und wenn Desktoptools erlernt werden wollen, dann doch lieber Fähigkeiten im Bereich der Bildverarbeitung (Photoshop) und bei multimedialen (Flash…) und audiovisuellen (Final Cut…) Autorenwerkzeugen.
@Gerrit: Danke für den Einwand! In dem Eintrag beziehe ich mich auf die Diskussion in Mindy McAdams‘ Blog; in den USA erwarten potenzielle Arbeitgeber offenbar mehr als in Europa, dass Online-Journalisten technisch fit sind und online-spezifische Features mitentwickeln können. Leute wie Adrian Holovaty wirken da als Vorbilder.
Ich finde selbst, dass es gute Gründe dafür gibt, zukünftigen Journalisten und PR-Leuten (wir bilden beide aus) die Grundlagen von HTML beizubringen:
1. Es ist sehr gut möglich, dass sie später nicht in einer großen Redaktion arbeiten, in der ihnen Techniker ein Redaktionssystem einrichten und sich Designer mit dem Layout beschäftigen. Vielleicht werden sie ein eigenes Blog oder Wiki einrichten, vielleicht arbeiten sie mit einem Content Management System, das angepasst werden muss. Ohne HTML-Kenntnisse (die nicht sehr ausgedehnt sein müssen) lassen sich nicht einmal die Templates der gängen Blog-Systeme verändern.
2. HTML gehört zu den grundlegenden Techniken des WWW, und es ist sehr schwer zu verstehen, wie dieses Medium funktioniert, wenn man überhaupt kein HTML kann. Wie Bilder und Medien in eine Seite eingebunden werden, wie man das Layout einer Seite definiert, vor allem aber: was ein Link ist, kann man ausgehend vom HTML-Quelltext leicht erklären. (Was die Notwendigkeit dieser Kenntnisse angeht, stimmen wir wohl auch überein!) Es jemand klar zu machen, der nicht weiß, was Tags, Elemente und Attribute sind, stelle ich mir sehr schwer vor. Journalisten sollten heute zum Beispiel auch wissen, wie Klickraten und Pageviews gemessen werden (und welche Probleme mit Online-Messverfahren verbunden sind.) Sie sollten eine Vorstellung davon haben, was ist und wie Webseiten dynamisch erzeugt werden. Das alles lässt sich ausgehend von HTML-Dokumenten am besten erklären. (Ich finde übrigens, dass die Möglichkeit, in den Quelltext zu schauen und ihn zu kopieren oder zu modifizieren, zu den besonderheiten von Webdokumenten gehört und man in der Ausbildung darauf eingehen sollte.)
3. Journalisten und PR-Leute werden immer mehr auch mit der Entwicklung von Sites, sub-Sites und Web-Diensten zu tun haben, dazu brauchen sie auch technisches Know-How. Sie müssen verstehen, was es heisst, Inhalt und Präsentation voneinander zu trennen, und sie müssen — das geht über HTML hinaus — wissen, was Daten bzw. Textdaten sind und was sich mit ihnen machen lässt. Um mit Entwicklern diskutieren zu können und auch um Anforderungen zu verstehen und zu definieren (zum Beispiel Barrierefreiheit oder mobiler Zugang), braucht man etwas HTML-Wissen.
Vielleicht ist der Vergleich etwas weit hergeholt: Man kann ohne Notenkenntntnisse gute Musik machen, aber in der Ausbildung sollte man die Notenschrift lernen.
Mir ging es insbesondere um die Frage nach den „Chancen auf dem Arbeitsmarkt“: Und genau diesbezüglich halte ich HTML nicht für eine Ausschlag gebende Fähigkeit. Wer eine Anstellung als Journalist sucht, wird kaum in die Verlegenheit kommen, am HTML-/CSS-Code der Website zu arbeiten (und wird dies auch eher nicht als seine Stärke ansehen oder anstreben). Das Verständnis der Strukturen und Zusammehänge erscheinen mir hier weitaus vorteilhafter. Oder eben sehr konkrete Fähigkeiten im Bereich der Contentproduktion – über den Text hinaus.
Wenn es um Selbständigkeit, ein individuell betreutes CMS etc. geht, mag es möglich sein, das diese Kompetenz relevant wird. Tatsächlich stellt sich allerdings auch dann die Frage, ob der Einkauf entsprechender, professioneller Fähigkeiten nicht sinnvoller ist? Wer Content produzieren möchte, also die vornehmste Aufgabe des Journalisten anstrebt, sollte sich m.E. insbesondere auf diese Fähigkeit konzentrieren. Stärken stärken und nicht mit den Kernkompetenzen von HTML-Codern, Designern und Layoutern oder gar Programmierern konkurrieren.
Was die „grundlegenden Techniken“ des Internets oder Webs angeht, bin ich mir nicht ganz sicher, ob HTML Priorität Nr. 1 haben sollte, wenn es um ein allgemeines Verständnis geht? HTML hat letztendlich wenig mit der Struktur (technisch und technisch bedingt auch der Nutzung) des Netzes zu tun. Ganz im Gegenteil sind es doch vielmehr die Protokolle, welche etwa die Dezentralität und grundlegend alle Services ermöglichen. HTML als reine Seitenbeschreibungssprachen befindet sich schon auf der nächst höheren Ebene, definiert also gerade nicht die grundlegenden Möglichkeiten. Und genau hier vermisse ich immer öfter ein zumindest basales Verständnis.
Der Vergleich mit der Musik ist grundsätzlich stimmig. Ich würde allerdings die Notenschrift eher mit den Protokollen vergleichen, HTML mit einem Instrument.
@Gerrit: Ich stimme deinem Kommentar fast überall zu; auch ich halte die Ebene der Protokolle für wichtiger als die der Markupsprachen oder Datenformate. Ergänzen möchte ich aber doch, dass Online-Journalisten zwischen der Inhalts- und der Präsentationsebene ihrer Texte unterscheiden müssen, und dass sie auch die Baumstruktur von HTML bzw. XML-Dokumenten grundsätzlich verstehen sollten. In Zukunft dürften sie auch mit Mikroformaten und Wiki-Markup zu tun haben, wahrscheinlich überhaupt mit vielen Formen strukturierter Textdaten. (Es gibt in den USA eine Tendenz, die man in Anlehnung an Holovaty als „datenzentrierter statt storyzentrierter Journalismus“ bezeichnen könnte.) HTML-Kenntnisse erleichtern da sicher den Einstieg – aber elementare HTML-Kenntnisse hältst du, wenn ich dich richtig verstehe, bei Online-Journalisten nicht für überflüssig.
Anmerkung: Ich gebe gerade zum dritten Mal für Erstsemester einer Fachhochschule eine Einführung in die Webtechnik. Den richtigen Weg (und vielleicht auch die richtigen Ziele) habe ich noch nicht gefunden. Deshalb diskutiere ich dieses Thema gerne, und ich bin für jeden Hnweis dankbar.
Wie schon zu Beginn geschrieben, halte ich *grundlegende* Kenntnisse für obligatorisch. Kenntnisse also, die den Umgang mit CMS ermöglichen oder erleichtern. Schon bei CSS und XML bin ich mir aber nicht sicher, ob das noch zielführend ist („Arbeitsmarkt“).
Und ja: Der Syntax von Wikis und einigen CMS könnte mittelfristig sogar wichtiger werden als HTML. Daneben stellt sich allerdings die Frage, wie gut sich WYSIWYG-Editoren mittelfristig aufstellen. Ich war und bin kein Freund davon, da sie regelmäßig für unsauberen, aufgeblähten Code sorgen (extrem etwa im Twiki), aber die Entwicklung wird sicherlich weitergehen. – Persönlich setze ich sie nur in Ausnahmefällen ein, da ich grundsätzlich lieber (effizienter) mit der Tastatur als der Maus arbeite. Mit HTML hat das aber letztendlich nur noch begrenzt zu tun.
Was das Thema „Einführung in die Webtechnik“ angeht, dürfte eine fortlaufende Anpassung erforderlich sein. Die Entwicklung in diesem Feld ist halt bekanntermaßen sehr zügig. Aber gerade eine Einführungsveranstaltung eröffnet doch die Möglichkeit, die aktuellen Standards, Tools und Entwicklungen breit darzustellen und nicht zu intensiv auf einzelne Aspekte einzugehen? Und die Struktur von Seitenbeschreibungssprachen, lässt sich doch auch gut „oberflächlich“ an HTML und dann (wiederholend) bei XML, CSS, verschiedenen Syntax aufzeigen. Das Verständnis der Struktur erscheint mir jedenfalls relevanter, als handwerkliche Kompetenz in einer Sprache. Dann lieber zusätzliche Strukturinformationen zu Protokollen, offenen und proprietären Formaten, Tools etc. Auf diesem Strutkurwissen aufbauend, kann dann eine Vertiefung stattfinden, soweit sie individuell sinnvoll erscheint.