Am Samstag habe ich an der Demo Demokratie verteidigen! teilgenommen—als Ordner, um etwas mehr zu tun als nur mitzugehen. Unsere Galerie hat den Aufruf zur Demo unterstützt.

Zahl der Demonstrierenden

Ausdrücklich oder nicht ausdrücklich spielte in der Berichterstattung ein Punkt eine wichtige Rolle: Wieviele sind mitgegangen? Die Kleine Zeitung schreibt noch immer, dass sich zu Beginn am Hauptbahnhof 2500 Menschen versammelt hätten. Der Standard nennt wie die „Kleine“ Zahlen zwischen 2.500 und 10.000. Auf der Annenstraße hatte ich den Eindruck, dass sie vom oberen bis zum unteren Ende gefüllt war. Deshalb halte ich 10.000 nicht für unrealistisch. Ich erinnere mich, wie entsetzt ich von einer der Corona-Demos war, bei der unaufhörlich Menschen die Annenstraße hinunterliefen—wir waren am Samstag sicher nicht weniger. Wir waren aber auch nicht mehr.

Was nicht gelungen ist: viele Menschen zum Mitgehen zu bewegen, die nicht im weitesten Sinn zur linken und kritischen Szene gehören. Das scheint in Deutschland anders zu sein. Die FPÖ schockiert hier bei weitem nicht so, wie die AfD in Deutschland. Dabei ist sie nicht besser. Wenigstens zum Teil ist sie das Original, das die AfD kopiert.

Der Anteil der Fridays

Die Demo war ähnlich organisiert wie die Klimastreiks—ohne die Erfahrung der Fridays For Future wäre sie sicher deutlich weniger eindrucksvoll gewesen. Es gibt Leute in der sogenannten radikalen Klimabewegung (zu der ich mich auch zähle), die herablassend sagen, dass die Fridays nur demonstrieren und damit nichts erreicht haben. Die Demonstration am Freitag zeigt dagegen, dass die Fridays hier in Graz (und sicher auch an vielen anderen Orten in Österreich und Deutschland) die Gruppe mit dem größten Mobilisierungspotenzial sind. Sie sind der wichtigste Teil im Netzwerk der sozialen Bewegungen heute.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Den Abschluss der Demo bildete eine viel zu lange Folge von Reden. Sie hatten nicht immer mit dem Thema der Veranstaltung zu tun, der Gefahr einer rechtsradikal dominierten Regierung in Österreich. Nur ganz selten erwähnt wurde die Klimakrise. Gemeinplätze, ohne die solche Demos nicht auskommen, wurden zu oft wiederholt. Mir persönlich hätten die Beiträge von Wolfgang Benedek und der Grazer Stadtschreiberin Andrea Scrima und die Statements der Omas gegen Rechts und der Fridays genügt.

Für einige war die Demo wohl auch ein Anlass zum Hijacking im Sinne der eigenen Bewegung. Die roten Fahnen des Funken und der sozialistischen Jugend wirkten eher komisch. Ein paar junge Leute, vor allem Männer mit Palästinenserschals (zum Teil mit Ordnerwesten), versuchten zu Anfang, sich und ein Schild mit der Aufschrift „Jews against Genocide“ in den Vordergrund zu drängen. In den Randbereichen franst die Koalition derer, die hier demonstrierten, aus—nicht alle, die gegen die FPÖ sind, sind antitotalitär und auch bereit, sich dem Islamismus oder Putin entgegenzustellen.

Fazit

Am wichtigsten war die Demonstration für die Teilnehmenden. Sie zeigte sehr vielen, dass sehr viele die FPÖ und ihr Umfeld unerträglich finden und die Kontinuität zum Nationalsozialismus erkennen. Damit war sie ein guter Anfang. Sie zeigte aber auch, dass es hier in Graz (und ich vermute, das gilt für ganz Österreich) gegen die Rechten noch nicht so etwas gibt, wie eine lame de fond, eine Grundwelle oder „gewaltige Woge“. Das juste milieu, die träge Mitte, ist in Österreich von den Nazisprüchen und Vertreibungsphantasien der Kickl und Sellner nicht schockiert. Man kann das an der Berichterstattung von Mainstream-Medien wie ZIB2, Standard oder Kleine Zeitung (bis hin zu den philiströsen Kommentaren eines Konrad Paul Liessmann) gut erkennen. Um eine rechtspopulistische Regierung tatsächlich zu verhindern, brauchen wir noch breitere Bündnisse als das, das am Freitag demonstrierte.

8 Kommentare zu “Demo „Demokratie verteidigen“—ein Anfang

  1. @heinz Ich hab einen ähnlichen Eindruck wie du. Wir waren in der Mitte des Zugs und die Annenstraße war von oben bis unten komplett mit Menschen gefüllt. Ob es 10.000 waren, ist schwer zu sagen. Mehr aber wohl nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.