Die Disziplin der Contentstrategie trägt einen kleinen Teil zu der großen Beschleunigung bei, welche die Bewohnbarkeit der Erde immer spürbarer gefährdet.1 2 Contentstrategie als Modernisierungsbewegung innerhalb der digitalen Kommunikation und des digitalen Designs ist angesichts sich verstärkender ökologisch-sozialer Risiken so wenig überlebensfähig wie die auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaft als ganze. Wenn Erfahrungen der Krise, des Verlusts und der Resilienz die modernen Erzählungen von der Zukunft als optimierter Gegenwart ablösen, verlieren die gewohnten Strategien für digitale Inhalte ihre Basis. Die Alternative zu ihnen bilden Contentstrategien, die verantwortliches, regeneratives Handeln unterstützen. Sie sind auf Wiedernutzbarkeit ausgerichtet, minmalistisch und offen für unterschiedliche lokale Kontexte.
Gestern abend habe ich bei John Berger gelesen (und dabei an Elon Musk gedacht):
Die Tatsache, dass die Tyrannen der Welt ex-territorial sind, erklärt das Ausmaß ihrer Überwachungsmacht, weist aber auch auf eine kommende Schwäche hin. Sie operieren im Cyberspace und residieren in bewachten Zonen. Sie haben keine Kenntnis von der sie umgebenden Erde. Außerdem tun sie dieses Wissen als oberflächlich und nicht tiefgründig ab. Nur die extrahierten Ressourcen zählen. Sie können nicht auf die Erde hören. Auf dem Boden sind sie blind. Im Lokalen sind sie verloren.
Für die Mitgefangenen ist das Gegenteil der Fall. Die Zellen haben Wände, die sich über die ganze Welt hinweg berühren. Wirksame Aktionen des nachhaltigen Widerstands werden nah und fern in das Lokale eingebettet sein. Widerstand im Outback, auf die Erde hören. (“Meanwhile,” Übersetzung mit deepl.com, von mir redigiert, in Berger, 2016)
Seit Dienstag, als ich mit Ana in der Dramatisierung seines Romans A und X im KiG gewesen bin, gehen mir Formulierungen Bergers durch den Kopf. Schon länger denke ich über die Bedeutung des Lokalen, des Orts, im Kampf gegen die Klimakatastrophe und die mit ihr verknüpften Krisen nach. Den Horizont dafür bildet für mich der Begriff der geosozialen Klasse (Latour & Schultz, 2022).
Bruno Latour verweist auf Twitter auf einige Texte zu James Lovelock, der am 26. Juli, seinem hundertunddritten Geburtstag, gestorben ist: einen Nachruf in der Libération von Latour selbst und Sébastien Dutreuil (2022), eine populärwissenschaftliche Darstellung von Sébastien Dutreuil (2022) und einen Essay, in dem Latour seine Lovelock-Interpretation unterhaltsam, unprätentiös und fast beiläufig in einem Bericht über seinen ersten Besuch bei Lovelock vorstellt (Latour, 2018). Es geht in diesen Texten um das, was Lovelocks Gaia-Hypothese von Ansätzen unterscheidet, die ihr ähneln und zum Teil von ihr ausgelöst wurden. Latour und Dutreuil entwickelten ihre Interpretationen im Dialog mit Tim Lenton. Ihr gemeinsames Verständnis Lovelocks stellen Latour, Dutreuil und Lenton in einem ausführlichen Aufsatz in der Anthropocene Review dar (Lenton et al., 2020).
Mich beschäftigen drei Ereignisse, von denen ich gestern gelesen habe:
- James Lovelock ist an seinem 103. Geburtstag gestorben (Horton, 2022, der Guardian stellt fest, dass die Klimakrise, auf die er die Öffentlichkeit aufmerksam machen wollte, ein Grund dafür war, dass Lovelock so lange aktiv bieb.)
- Die Leopoldina hat ein langes Papier veröffentlicht, das eine Neuorganisation der Erdwissenschaften in Deutschland fordert und in die Erdsystemwissenschaft als eine wissenschaftliche Leitdisziplin einleitet (tagesschau.de, 2022).
- Im Guardian ist ein Artikel über eine Bewegung erschienen, die Besetzungen von Hochschulen und Schulen in vielen Ländern ab dem nächsten Schulstreik im November vorbereitet (End Fossil, 2022).
Gestern hat mich ein Freund gefragt, was ich als “Rebell von Extinction Rebellion” jetzt für die richtige Strategie halte.
Ich denke immer wieder über diese Frage nach. Zu meiner Antwort jetzt bin ich vor allem durch das Buch Carbon Democracy (Mitchell, 2011) gekommen.
Ziemlich genau vor drei Jahren hat Tanja Maljartschuk im Grazer Literaturhaus aus aus „Blauwal der Erinnerung“ gelesen. Ich habe es versäumt, in meinem Blog darüber zu schreiben. Der Witz und die Illusionslosigkeit Tanja Maljartschuks haben mir damals imponiert. Von ihrer Lesung sind mir Szenen über ukrainische Partisanen in Erinnerung geblieben, die erst gegen die Nazis, dann gegen die sowjetische Armee gekämpft haben und fast alle exekutiert wurden. Ein Vorfahre, ich glaube: der Großvater Tanja Maljartschuks, hat in einem Dorf überlebt, weil es ihm gelungen ist, sich diesen Kämpfen zu entziehen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Erinnerungen zutreffen (Rezension von Blauwal der Erinnerung mit einer Inhaltsangabe von Kerstin Holm hier).
Samstag in Leibnitz in der Austellung „Fresh Evidence“ mit Bildern von Helmut Tezak. Helmut Tezak hat uns zu Anfang in seine Arbeit eingeführt und auch später einiges erläutert.
Im Falter-Podcast Braucht die Stadt Wien wirklich neue Straßen? haben vor ein paar Tagen der Wiener Stadtpanungschef Thomas Madreiter 🦉 (@TMadreiter), Lucia Steinwender, Barbara Laa (@_barbara_laa) und Katharina Kropshofer (@KKropshofer) über den Sinn der Stadtautobahn diskutiert, die die Besetzerinnen und Besetzer in Hirschstetten verhindern wollen. Die Diskussion ist sachlich, knapp und gut moderiert.
Stephen Gardiner publiziert seit Beginn der 2000er Jahren Texte zur Klimakrise als einem ethischen Problem. Dass die Klimakrise ein ethisches Problem ist, bildet dabei eine seiner wichtigsten Thesen.
Wer sich auch nur ein bisschen mit der Klimakrise beschäftigt, der hat viele Grafiken gesehen, auf denen Entwicklungen von Temperatur und Treibhausgasen über Zeitspannen gezeigt werden, z.B. seit Beginn der Industrialisierung oder seit 1880. Oft sind auf diesen Charts Schwellenwerte eingetragen, z.B. vorindustrielle Durchschnittstemperaturen. Auf solchen Charts können wir sehen, dass wir jedes Jahr Rekorde brechen.