Wenn ich versuche zu erklären, was Content-Strategie ist, höre ich immer wieder als Antwort: Aber das haben wir ja eigentlich schon gewusst. Es ist doch eh klar, dass die Inhalte das Wichtigste sind.

Die Content-Strategie beschäftigt sich aber nicht mit den Inhalten, so wie man sie immer schon publiziert hat. Die Perspektive der Content-Strategie ist eine andere. Content-Strategie beschäftigt sich mit Inhalten in der Form, wie sie die Benutzer heute und wohl auch in Zukunft erreichen: mit Inhalten im Netz, in einer digitalen Umgebung. Es ist nicht ganz einfach zu formulieren, was das Besondere dieser neuen Situation für die Inhalte ist. Dries Buytaert, der Begründer von Drupal, hat in Posts und Präsentationen sehr deutlich formuliert, in welche Richtung sich Inhalte im Web entwickeln. Seine Aussagen sind ein guter Ausgangspunkt, um zu erfassen, was das Besondere an Online-Inhalten ist beziehungsweise immer mehr sein wird.
Dries Buytaert beschäftigt sich in der letzten Zeit mit einer Entwicklung die er als die große Umkehr des Web, Big Reverse of the Web bezeichnet. Damit gemeint ist, dass im Web Inhalte zunehmend nicht mehr etwas sind, das die Benutzer suchen beziehungsweise zu denen sie sich hinbewegen, sondern etwas, das die Benutzer automatisch, also Technik-gestützt, im richtigen Moment und genau in der Weise, in der sie gebraucht werden, erreicht. Ein Beispiel dafür ist der oft verhöhnte Newsfeed bei Facebook, dessen Algorithmen darauf abzielen, dass man genau die Meldungen erhält, die einen vermutlich am meisten interessieren, wenn man den Newsfeed liest.
Das herkömmliche Modell der Publikation geht davon aus, dass ein Inhalt da ist, und zwar statisch, und dass sich dann die User zu ihm hin bewegen. Buytaerts Modell geht davon aus dass sich nicht die User bewegen sondern die Inhalte. Dieses Konzept passt ganz genau zu dem Ziel der Content-Strategie, die richtigen Inhalte für den richtigen User zur richtigen Zeit anzubieten. Auf der Ebene aller Publikationen oder einer größeren Zahl von Inhalten eine Organisation bedeutet das, dass man sie über die herkömmlichen Grenzen von abgeschlosssenen Publikationen und Abteilungen hinaus zusammenhängend so entwickeln muss, dass sie den User im Idealfall wie von selbst erreichen. Und es bedeutet auf der anderen Seite, dass man den einzelnen Inhalt so gestalten muss, dass er die User-Bedürfnisse in einem ganz bestimmten Moment beziehungsweise einer ganz bestimmten Situation genau trifft. Auf der Ebene des einzelnen Inhalts heisst das, dass man es nicht mehr mit einer statischen Publikation sondern eben einer Anwendung zu tun hat. Und genau darum geht es ja auch in den neuesten Versionen von HTML, die auf Web-Applikationen ausgerichtet sind und nicht mehr auf Seiten wie in dem herkömmlichen Modell
In unserem Studium versuchen wir genau die Kenntnisse zu entwickeln, die man benötigt, um diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen. Dazu gehören alle möglichen Fähigkeiten und Skills, es gehört aber auch eine bestimmte Haltung dazu, und es gehört ein theoretisches Verständnis des Webs beziehungsweise der Umgebung dazu, in der die Inhalte in dieser Form entwickelt werden müssen. Bei dem Modell, dass Inhalte Ihre Benutzer erreichen, statt dass die Benutzer nach den Inhalten suchen müssten oder sich zu ihnen hin bewegen müssten, handelt es sich ja nicht um ein Konzept, das man bereits vollständig beschreiben könnte, sondern eher um ein Ziel, das man erst präzise herausarbeiten und verstehen muss. Es steht in Verbindung mit einer großen Zahl von technischen und anderen Entwicklungen, die alle nicht abgeschlossen sind, so dass man ständig auf neue Innovationen Rücksicht reagieren muss.
Damit ist übrigens nicht gesagt, dass man es in der Content-Strategie nicht auch mit vielen Inhalten in anderen Medien, darunter auch in Printform, zu tun hat. Aber auch diese Inhalte gibt es heute in nur in einer Umgebung, in der das Web der primäre Zugang zu Inhalten ist, am deutlichsten vielleicht symbolisiert darin, dass man heute auch Bücher meist über Amazon kauft, auch wenn man sie dann nur in Papierform liest.

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