Ich habe vor zwei Wochen versucht, in einer Präsentation zu begründen, warum ich für degrowth, also für ein Rückwachstum eintrete. Dazu wollte ich einige wichtige Links sammeln. Ich bin im ersten Anlauf schnell gescheitert: Es gibt so viele solcher Informationen, dass es sehr schwer ist, zentrale von weniger zentralen Informationen zu trennen. Die Thematik ist zugleich so komplex, dass sich die Begründung nicht auf wenige einzelne Fakten reduzieren lässt. Außerdem kam es mir nicht auf reine Fakten an (wenn es sie gibt), sondern auf Zusammenhänge, auf die figurative oder Darstellungsebene, die man nicht von der Ebene der Fakten trennen kann.
Statt meine Präsentation abzuschließen, habe ich damit begonnen, journalistische Informationen zum Klimawandel und zur globalen Ungleichheit und Armut zu sammeln.
Mit journalistisch meine ich nicht die sekundäre Aufbereitung von Informationen für die Öffentlichkeit, sondern das fakten- und datenbasierte Erzählen von—aktueller—Geschichte. Ich verstehe (wie ich es bei Mercedes Bunz gefunden habe) Journalisten als Historiker der Gegenwart. Als journalistische Aufgabe sehe ich es an, historische Wahrheiten herauszuarbeiten, darzustellen, wie etwas gemacht wurde oder wird. Dazu müssen transparent recherchierte Zusammenhänge zwischen den Fakten gezeigt werden. Storytelling ist das Herausarbeiten der Mehrdimensionalität der Fakten, nicht ihre Einkleidung zur größeren Verständlichkeit.
Hier als Anfang ein paar Links zur #degrowth-Thematik, auf die ich den letzten beiden Wochen gestoßen bin.
Durch einen Tweet von Helge bin ich auf die deutsche Version eines berühmten Artikes von David Wallace-Wells im New Yorker aufmerksam geworden: Apokalypse ǀ Der Planet schlägt zurück. Wallace-Wells hat recherchiert, was aus der Welt werden kann, wenn die globale Erwärmung nicht bei 2° aufhören wird. Diese Fakten muss man denen entgegenhalten, die nicht verstehen, dass Bewegungen wie #FridaysForFuture und #ExtinctionRebellion mit außergewöhnlichen Mitteln auf eine Ausnahmesituation reagieren, die sich laufend verschärft. Wallace-Wells hat seinen Artikel inzwischen zu einem Buch ausgebaut:The Uninhabitable Earth.
So vorsichtig wie möglich formuliert ist Evidence for Climate Change. Mir ist der Medium-Artikel von David J Pfeiffer aufgefallen, weil sein Autor offenbar auch vorhatte, die wichtigsten Fakten zum Klimawandel zusammenzustellen.
Cyclone Idai shows the deadly reality of climate change in Africa beschreibt, wie sich der Klimawandel schon jetzt in Afrika auswirkt, das nur 4% zu den globalen Kohlendioxid-Emissionen beiträgt. Landry Ninteretse weist in dem Artikel auch darauf hin, dass Afrika heute ein El Dorado der globalen Kohleindustrie ist.
In Klimaschutz: Die Liberalen verstehen die Welt nicht mehr greift Petra Pinzler die primitiven populistischen Argumente deutscher Liberalen gegen ernsthaften Klimaschutz auf:
Was ist nur aus der stolzen liberalen Partei geworden, wenn ihr Chef bei "Freiheit und Wohlstand" vor allem an Fleisch, Fahren und Fliegen denkt? Da war doch mal mehr.
Einer der publizistisch wichtigsten Kritiker des Wachstums ist Jason Hickel, durch sein Buch Die Tyrannei des Wachstums, durch viele Artikel und durch sein Blog. Sein Post Global inequality: Do we really live in a one-hump world? enthält eine Grafik von Hickel und Huzaifa Zoomkawala:
Die Grafik (hier vergrößert und detailreicher)), zeigt, dass das Wachstum der Jahrzehnte nach dem globalen Durchbruch des Neoliberalismus den Abstand in den Einkommen nicht verkleinert, sondern drastisch vergrößert hat.
Der Guardian berichtet in Top oil firms spending millions lobbying to block climate change policies über einen influencemap-Report zu Loppying und PR der großen Ölfirmen gegen den Klimaschutz. Fast 200 Millionen Dollar werden dabei jährlich für extensive climate focused branding ausgegeben—was übrigens auch etwas über die Problematik des Begriffs Branding sagt.
David Attenborough beschäftigt sich in seiner neuen Serie mit der Gesundheit von Ökosystemen wie dem Great Bareer Reef. Wie sie sich entwickeln, ist zunehmend nicht mehr vorherzusagen. Attenboroughs Filme behandeln den Klimawandel als die wissenschaftliche Tatsache, die er ist. Die Natural History Unit der BBC hält es nicht für nötig, Klimaskeptiker zu Wort kommen zu lassen, behandelt also wissenschaftliche und pseudowissenschaftliche Aussagen nicht mit einer Neutralität, die im Widerspruch zum journalistischen Objektivitätsanspruch stehen würde: Attenborough to front climate-change film as BBC moves from teach to preach.
Ich möchte diese Sammlung fortsetzen. Mir geht es um die Situation, die sich in diesen journalistischen Arbeiten abbildet, und zugleich darum, wie man sie thematisieren kann und wie sie thematisiert wird.