Leider berichtet Sebastian Bauer korrekt: ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz sprach beim ORF Dialogforum auf dem Elevate Festival vom Scheiss-Internet, forderte die jungen Leute auf, sich da zu äußern, wo sie der ORF auch hören könne, und warf ihnen dann auch noch vor, nicht zu rebellieren. Ich saß selbst auf dem Podium und war zunehmend entsetzt. Lorenz, den sich die rechten Feinde der Meinungsfreiheit gerade als Zielscheibe ausgesucht haben, demontierte sich selbst und verhinderte damit übrigens nahezu jede Diskussion über das eigentliche Thema des Abends. Mich hat das ständig wiederholte Scheiss- nicht so sehr gestört wie der Vorwurf, dass sich die jungen Leute

ins Internet verkriechen.

(Update, 9.11: korrigiert; in der ersten Version hatte ich geschrieben: verkrümeln.) Die Formulierung zeigt, wie Lorenz das Internet wahrnimmt (oder eben
nicht nicht wahrnimmt): als etwas
nicht Reales, als etwas, das es eigentlich gar nicht gibt. Was real
ist und ernst genommen werden muss, definieren für ihn das Fernsehen
und die Massenmedien — Luhmann, als Rezept missverstanden.

Wie beurteilt wohl ein ORF-Assessment-Center einen Kandidaten, der so viel von
seinen Zielgruppen und dem Stand der Medien begreift wie Wolfgang Lorenz?
Die jungen Leute im Saal ließen sich von der
Publikumsbeschimpfung nicht einschüchtern. Sie reagierten aufgebracht,
allerdings deutlich sachkundiger als der Programmdirektor. Sie werden
ihn kaum dazu gebracht haben umzudenken. Aber manche in
der Mannschaft des Tankers ORF-Fernsehen haben vielleicht erkannt,
dass der Kapitän keine Karten lesen kann.

(Update, 9.11: Zum Verlauf der Diskussion siehe auch Jochen Hencke und — sehr betulich — APA/standard.)