Ob beim ORF jemand Blog-Monitoring betreibt? Wenn ja, hat sie/er wenig zu tun. Mir ist es nicht gelungen, auch nur ein Posting zu finden, dass sich mit der neuen Leitung von orf on und mit den geplanten Änderungen des Angebots beschäftigt. Über Extradienst und Medianet kann man sich im Web noch am ehesten ein Bild von den Ereignissen bei der reichweitenstärksten News-Site Österreichs zu machen. Niemand diskutiert öffentlich, wohin sich orf on entwickeln sollte — übrigens auch nicht auf den Sites der traditionellen Medien.

Die neuen Verantwortlichen beschäftigen sich wohl vor allem damit, TV-Formate auch im Netz anzubieten und durch Netzangebote zu unterstützen. Die Vermarktung bestimmt offenbar am meisten, wie sich das Angebot inhaltlich entwickelt. Man versteht das Web eher als einen von vielen Kanälen, nicht als ein Medium mit eigener Logik. (Wenn ich mich täusche, bitte ich um Korrektur in den Kommentaren.)

Bleibt es dabei, verpasst der ORF eine große Chance. orf on hat ein neues journalistisches Konzept verdient. Es wäre leicht, sich an der BBC oder auch an Sendern wie CNN zu orientieren; auch von Angeboten wie tagesschau.de könnte man sich abschauen, wie ein journalistisch anspruchsvolles Informationsangebot im Web aussieht.

Ich bin da sicher naiv, aber ich finde, dass die Angebote einer öffentlich-rechtlichen Anstalt an anderen Kriterien als Reichweiten und Werbeeinahmen gemessen werden sollten, auch im Web. Gerade weil es für seriösen Journalismus im Netz kaum funktionierende Geschäftsmodelle gibt, braucht er Institutionen wie den ORF.

Vielleicht sollten die österreichischen Blogger einen ORF Day ins Leben rufen und Vorschläge für orf on in der Zukunft diskutieren.

Angeregt durch hackr.de zu Tumblelogs recherchiert: Tumblelogs verhalten sich zu Weblogs wie Notizbücher zu Tagebüchern. Sie sind wenig gefilterte Ströme von Notizen, Links, Bildern und beliebigem anderen Material. Ein paar Fundstücke in meinen del.icio.us-Links von heute.

Tumblelogs sind ein Typ oder eine Gattung von Weblogs, so wie Linkblogs, Edublogs usw. Sie sind ein back to the roots-Phänomen, wie schon einige Blogger bemerkt haben. Die Grenze zu anderen Weblogs ist fließend; ich kann nicht erkennen, worin sie totally different sein sollten. Die meisten der frühen Weblogs hatten mit den Tumblelogs von heute große Ähnlichkeit. Winers Scripting News sind bis heute (auch) ein Tumblelog; Winer braucht z.B. nur bei längeren Postings Überschriften. Den Tumblelogs fehlen, wenn ich es richtig sehe, die Networking-Funktionen, die del.icio.us, flickr und tutti quanti (auch twitter) bieten. Dadurch haben sie etwas Anachronistisches. (Oder können auch Tumblelogs ihr Material aus del.icio.us oder flickr-Streams bekommen?)

Reizvoll an den Tumblelogs ist ihre Spontaneität. Sie widerstehen dem „geilen Drang aufs große Ganze“, von dem Benjamin schreibt. Ihr wichtigster Filter scheint die Zeit zu sein, die man zum Bloggen (nicht) hat. Anders als die offiziösen und offiziellen Blogs, die heute fast jede Zeitung anbietet, bleiben sie der Idee des Personal Publishing treu.

  • „Anarchaia is the very first tumblelog. In fact, it was that early the term didn’t even exist back then.“
  • Namensgebend fürTimblelogs: „Blogging has mutated into simpler forms … but I don’t think I’ve seen a blog like Chris Neukirchen’s Anarchaia, which fudges together a bunch of disparate forms into a very long and narrow and distracted tumblelog.“
    (tags: tumblelogs)
  • „Anarchaia is, if you look closely, just a list of certain things, just as * Links * Flickr images * Quotes * IRC quotes * Lyrics Each of these get their own Vooly tag…“
  • „Tumblelogs are like blogs with less fuss. Tumblr is your friendly and free tool for creating tumblelogs.“
    (tags: tumblelogs)
  • „You can also look at tumblelogs as slightly more structured blogs that make it easier, faster, and more fun to post and share stuff you find or create.“
    (tags: tumblelogs)
  • „Tumblen ist das bessere Twittern…“ „weil sich – glaub ich – durch Twitter tatsächlich unsere Wahrnehmungskompetenz von atomisierten Informationseinheiten verschoben hat.“
    (tags: tumblelogs)
  • „A tumblelog is a quick and dirty stream of consciousness,“… „The further away from punditry I can get, the better it will be for all of us.“
  • „A tumblelog is a variation of a blog, that favors short-form, mixed-media posts over the longer editorial posts frequently associated with blogging. Common post formats found on tumblelogs include links, photos, quotes, dialogues, and video.“
    (tags: tumblelogs)

In den letzten Monaten bin ich mehrfach auf Texte von Stephen Downes gestoßem, einem der Initiatoren des Konnektivismus. Ich kenne seine Arbeiten nur aus der Ferne; ich habe den Eindruck, dass man nicht an ihnen vorbei kommt, wenn man sich theoretisch damit beschäftigt, was Internetmedien von den Massenmedien unterscheidet.

Jetzt hat Downes auf seinem Weblog ausführlich und sehr verständlich beschrieben, an was er arbeitet. Er geht vom Grundgedanken des Konnektionismus (verwandt mit dem Konnektivismus, aber nicht damit identisch!) aus, dass Wissen nicht als Beschreibung von Objekten, sondern nur als Beziehung zu ihnen verstanden werden kann. Downes‘ zentrales Thema ist: Wie wird Wissen in Netzwerken erzeugt? Dabei verweist Downes auf ein ganze Reihe von eigenen und fremden Texten (die man am liebsten alle lesen würde…). Schließlich kommt er zu aktuellen Projekten, in denen es um die technische Unterstützung der Wissenserzeugung in sozialen Netzen geht: Edu-RSS und personal learning environments.

Ich glaube, dass Downes bei seine Projekten die technische und die soziale Ebene nicht unterscheiden würde. Aber in seiner praktischen Arbeit setzt er offenbar sehr stark auf Automatisierung.

Interessant (wenn auch nicht so interessant wie der erkenntnistheoretische Ansatz) ist die Bedeutung, die RSS dabei hat. RSS scheint für Downes in den wissensgenerierenden Netzen die Rolle zu haben, die im Nervensystem Botenstoffe spielen.

Doc Searls benutzt den Begiff Social Media ungern:

It’s natural to want to lump technologies and practices together into categories that bear Greater Significance. But for some reason we still drag along the limiting concepts that the new stuff should help us escape, no matter what we call it. [The Doc Searls Weblog : Tuesday, February 20, 2007.]

Searls will seine Arbeit nicht mit Plastikwörtern beschreiben:

I don’t think of my what I do here as production of "information" that others "consume"… I tihnk of it as writing that will hopefully inform readers… Inform is derived from the verb to form. When you inform me, you form me. You enlarge that which makes me most human: what I know. I am, to some degree, authored by you.

Ich möchte Social Media oder Soziale Medien trotzdem verwenden, weil ich einen Ausdruck mit diesem Bedeutungsspektrum brauche. Das liegt wohl vor allem daran, dass ich unterrichte, und dass ich meine Themen jeden Tag von der reinen Webtechnik unterscheiden muss. Soziale Medien
glänzt für mich so wenig, dass es sich nicht lange zum Buzzword eignet.

Doc Searls erwähnt in seinem Posting übrigens nicht, dass er sich nicht wie in einem Brief an bestimmte Leser wendet, sondern im Web publiziert und damit von jedem gelesen werden kann. Das ist, finde ich, eine Begründung dafür, einen Blog oder Podcast ein Medium zu nennen. Bei einem privaten Brief wäre das anders (auch wenn Medientheoretiker sicher auch vom Brief als einem Medium sprechen würden.) Gemeinsam ist Massenmedien und sozialen Medien, dass sie Technik gebrauchen, um das potentielle Publikum nicht von vornherein einzuschränken. Soziale Medien können private Kommunikationsformen als Mittel verwenden, aber es handelt sich bei ihnen nicht um private Unterhaltungen, weil sie sich anders beobachtbar machen.

Dave Winer:

It’s too late to be training new journalists in the classic mode. Instead, journalism should become a required course, one or two semesters for every graduate. Why? Because journalism like everything else that used to be centralized is in the process of being distributed. In the future, every educated person will be a journalist, as today we are all travel agents and stock brokers. [Trouble at the Chronicle (Scripting News).]

Adrian Monck antwortet:

Well Dave, there are still travel agents and professional stock brokers. Our old friend the division of labour means even an economist like Steven Levitt needs a journalist like Stephen Dubner to write a book like Freakonomics.
But if I can restate your point, I don’t think j-schools need reforming so much as education in journalism needs to be made more widely available. [Adrian Monck – News on the News Business.]

Monck bringt sich zwar selbst um seine Pointe, aber zusammen drücken die beiden Statements gut aus, von welcher Situation die Ausbildung von Profis für die Kommunikation im Web ausgehen muss. Professionalität besteht hier vor allem darin, andere bei der Kommunikation zu unterstützen oder sie anderen zu ermöglichen. Die Schranke zwischen Journalisten und Nicht-Journalisten ist niedriger als früher, trotzdem gibt es eine Skala der Kompetenz und damit der Professionalität. Aber was unterscheidet den professionellen Journalisten als Dienstleister — Monck spricht von der Rhetorik unserer Zeit — noch vom PR-Profi?