Die folgende Rede habe ich für die Plattform 1,5 Graz zum Abschluss des Klimastreiks am 19.5.2023 in Graz gehalten. Bei der Plattform vertrete ich Extinction Rebellion Österreich. (Das Motto des Streiks war nicht #StopFossilFuels, sondern #EndFossilFuels.) Es geht nicht zuletzt um die OMV.
Wir kämpfen für Klimagerechtigkeit in Graz, weil die Stadt dadurch lebenswerter wird: Wenig Verkehr, gute öffentliche Angebote, gesundes Essen, weniger Versiegelung, weniger Stress und mehr soziale Sicherheit. Wir treten aber auch dafür ein, weil Städte wie Graz eine wichtige Rolle beim Kampf gegen die globale Erhitzung spielen. Lokale und globale Klimagerechtigkeit lassen sich nicht voneinander trennen.
Das Motto dieses Klimastreiks ist #StopFossilFuels. Warum? Fossile Brennstoffe töten. Richard Parncutt hier aus Graz hat mit einem anderen Forscher zusammen ausgerechnet, dass jede Kilotonne zusätzliches CO2 in der Atmosphäre für den Tod eines Menschen in der Zukunft verantwortlich ist, eine Gigatonne also für eine Million Tote. Gerade erst wurde festgestellt, dass bei einer Temperaturerhöhung um 2° große Teile der Erde unbewohnbar werden. Wieviel Menschen der Klimakatastrophe schon heute zum Opfer fallen, kann man aus den Medien erfahren, wenn man es wissen will.
Der Anteil von Kohle, Gas und Öl an der Klimakatastrophe liegt bei 75%. Noch immer steigt die Nutzung von fossilen Energien – vorangetrieben von wirtschaftich und politisch Mächtigen, die kurzfristige Vorteile suchen und eine Ideologie verbreiten, die in die Katastrophe führt, nämlich die Ideologie vom ewigen Wachstum.
Wenn Kohle, Öl und Gas aus den Lagerstätten, die schon abgebaut werden, vollständig verbrannt werden, wird viel mehr CO2 frei, als mit dem Pariser Abkommen zu vereinbaren ist. Deshalb ergibt sich aus 1,5° zwingend, dass keine neuen fossilen Lagerstätten erschlossen werden. Der IPCC und die Internationale Energieagentur fordern das seit langem.
Passiert ist das Gegenteil. Milliarden werden in die Entwicklung von Öl- und Gaslagern investiert, deren Ausbeutung erst relevant ist, wenn die 1,5° längst überschritten sind. Die größeren dieser Lagerstätten bezeichnet man als Carbon Bombs. Jede reicht für mindestens eine Gigatonne mehr CO2. Eine Gigatonne – das bedeutet nach Richard Parncutts Rechnung eine Million Tote.
Man könnte jetzt sagen: Das ist eine schlimme Entwicklung, aber sie hängt nicht davon ab, was wir in Österreich tun. Leider ist das nicht so. Österreichs Regierung und das größte österreichische Unternehmen, die OMV, tragen aktiv dazu bei, solche Carbon Bombs zu zünden. Die Regierung, indem sie sich zusammen mit der EU bemüht, LNG z.B. aus den arabischen Emiraten aber auch aus den USA zu beziehen, die dafür neue Gaslager erschließen. Die OMV indem sie selbst Gasfelder enwickelt wie in Rumänien. Dort will sie ab 2027 für 20 Jahre jährlich 8 Milliarden Kubikmeter Gas fördern. Und zusätzlich ist die Adnoc Mitbesitzerin der OMV, die Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, die ihrerseits sehr aktiv weitere Lagerstätten erschließen.
Die OMV will die Klimakrise auch dann noch anheizen, wenn wir die 1,5° längst überschritten haben werden. Das ist nicht einfach unterbleibender Klimaschutz. Die OMV macht genau das Gegenteil. Wenn das Management der OMV nicht gestoppt wird, macht es sich schuldig am Tod von Tausenden, vielleicht sogar von Millionen Menschen. Bei der OMV handelt es sich nicht um umwissentliche Mittäter, sondern um wissentliche. Der EU-Vertreter in Österreich, Martin Selmayr, hat auch die OMV gemeint, als er vom „Blutgeld“ gesprochen hat, das für Gas nach Russland überwiesen wird.
#StopFossilFuels muss hier in Österreich heißen: Stoppt die OMV! Sie darf keine neue Gasprojekte mehr beginnen. Und die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem der Länder, die am intensivsten dabei sind, noch mehr Öl und Gas zu fördern, muss aufhören. Es ist schlimm genug, dass ausgerechnet der Chef der Adnoc Sultan Al Jaber Präsident der nächsten Klimakonferenz COP28 werden wird – in keiner Satire hätte man es besser erfinden können. Und es ist unerträglich, dass Österreich in einer halbstaatlichen Firma mit ihm und seiner Firma business as usual betreibt.
Die Begründung dafür, dass noch mehr Öl und Gas gefördert und verbrannt werden, ist immer: Wir brauchen jetzt billige Energie, damit die Wirtschaft weiterläuft—spricht: wächst—und wir sie langsam umstellen können. Aber das Ende der fossilen Energien lässt sich nicht länger hinausschieben, wenn die Erhitzung gebremst werden soll, bevor unsere Zivilisation kollabiert. Den fossilen Lock-in zu verschärfen ist die Methode aller, die Suchtmittel verkaufen: Nimm‘ nur noch etwas, du kannst ja bald damit aufhören.
Auch hier in der Steiermark argumentieren viele wie Drogendealer: Nimm‘ nur noch etwas, du kannst ja bald damit aufhören. Sie sind für Klimaschutz, aber nicht zu sehr und nicht sofort. Sie arbeiten an der Verfestigung des fossilen Lock-ins statt daran, Graz zu einer lebenswerten Postwachstumsstadt zu machen.
In Graz haben alle Parteien dafür gestimmt, die Emissionen jedes Jahr um 10% zu senken. Die Umsetzung dieses Beschlusses ist schleppend. Und da wo er umgesetzt wird, werden Grabenkämpfe geführt, um jeden Parkplatz, gegen jede Baumaßnahme. Während Paris grün wird, weil man dort sonst die Hitze nicht mehr überlebt, werden in Graz sogar kleine Verkehrsberuhigungen von den Systemerhaltern zu einer Glaubensfrage hochstilisiert—u.a. von der Partei, die sich eine innovative Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Ich möchte hier nicht nur die Opposition kritisieren. Die Stadtregierung muss Klimapolitik offensiv vertreten und auch für radikale Maßnahme werben. Ich verstehe, dass Judith Schwentner und Elke Kahr wiedergewählt werden wollen. Aber die Lage ist so ernst, dass es jetzt einfach darauf ankommt, das Richtige zu tun. Den Populisten, die Klimaschutz und Klimaanpassung verhindern wollen, hilft es mehr, wenn wir die Umstellung nur zögernd vorantreiben, statt deutlich zu sagen, dass es dabei um ein menschenwürdiges Leben in der Stadt geht .
#StopFossilFuels in Graz setzt voraus, das Verkehr und Versiegelung in der Region nicht vorangetrieben werden. Wenn noch mehr Menschen aus dem Umland mit dem Auto nach Graz pendeln, lässt sich der Verkehr nicht reduzieren. Deshalb lehnen wir den Ausbau der A9 scharf ab. Einen Ausbau von Autobahnen darf es nicht geben. In Den Haag in den Niederlanden besetzten in dieser Woche mehrmals über 10000 Menschen von Extinction Rebellion – diese Bewegung vertrete ich bei 1,5Graz – eine Autobahn. Einen Autobahn-Ausbau hier werden wir nicht akzeptieren und viele werden mit zivilem Ungehorsam dafür kämpfen, diesen Beitrag zum Ökozid zu stoppen.
Ein klimafreundliches Graz braucht eine regenerative Region – deshalb ist es wichtig, dass Projekte wie die Zerstörung des Schießstatt-Walds in Gleisdorf für ein ÖWG-Wohnprojekt oder eines Waldstücks in Wundschuh für eine Kiesgrube nicht umgesetzt werden. Wir brauchen auch im Land entschlossene Klimapolitik statt Systemerhaltung.
Wir haben einen Sommer hinter uns, der die Voraussagen der Klimaforschung übertroffen hat. Hitzewellen, Rekordwaldbrände, tropische Stürme selbst im Mittelmeer – mit Tausenden Todesopfern. Das Wasser der Ozeane hat Rekordtemperaturen. In dieser Situation nicht umzudrehen sondern auf Gaspedal zu treten, wie es UN-Genralsekretät Guterres gesagt hat, ist mörderisch. Den Mittäterinnen und Mittätern diese Ökozids stellen wir uns entgegen. Und wir unternehmen alles, damit es auch die Stadt Graz als ganze tut.
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