Christiane Schulzki-Haddouti erweitert in “Haltung” als journalistische Kernkompetenz ihren Katalog journalistischer Kerkompetenzen. Eine Haltung unterscheide Journalisten von PR-Leuten:

Dass Journalismus ohne “Haltung” überhaupt nicht möglich ist, zeigt ein einfacher Vergleich von journalistischer und auf Public Relations ausgerichteter Arbeit. Beide greifen auf die fünf Kernkompetenzen gleichermaßen zurück. Es besteht überhaupt kein Unterschied. Gleichwohl müssen sich beide voneinander abgrenzen. Denn sonst ginge das Vertrauen der Rezipienten verloren. Und für diese Abgrenzung ist einzig und allein “Haltung” erforderlich.

Sie stellt dann fest:

Haltung hat etwas mit “aufrechtem Gang” zu tun, den die Bürger im 19. Jahrhundert mühesam einübten.

Schließlich fragt sie, warum man die Frage nach der Vereinbarkeit von Journalismus und PR—im Studium oder in der eigenen Praxis—nicht als ethische Frage stellt:

Angesichts der immer wieder aufflammenden Debatte um das Verhältnis zwischen PR und Journalismus, uneinheitlichen Berufskodizes sowie Studiengängen, die beides vermitteln, frage ich mich, warum man dies nicht direkt als ethisches Problem thematisiert – und von dieser Perspektive her direkt angeht.

Ich habe schon mehrfach auf Christiane Schulzki-Haddoutis Ansatz zurückgegriffen, um so etwas wie ein Leitbild für unsere Ausbildung von Journalisten und PR-Leuten zu formulieren, und ich verwender sie auch bei der Neuformulierung des Social Media-Teils unseres Curriculums. Bisher bin ich nur davon ausgegangen, dass man über die erwähnten Kompetenzen hinaus zwischen den Rollen und Aufgaben von Journalisten und PR-Leuten unterscheiden muss. Zu diesen Rollen gehört aber—und das ist der wichtigste neue Gedanke in Christianes Beitrag—eine bestimmte Ethik, die man allerdings nicht mit allgemeinen ethischen Prinzipien gleichsetzen sollte, wie sie für jede Art von Kommunikation gelten.

David Barstow über journalistische Ethik

David Barstow von der New York Times hat während des Elevate-Festivals einen Workshop an unserem Studiengang gehalten. Barstow_small Dabei hat er gleich zu Beginn die Ethik als Kern des Journalismus bezeichnet. Die journalistische Ethik sei der wichtigste Inhalt einer journalistischen Ausbildung. Techniken, Schreiben, Storytelling, investigative Methoden könne man mehr oder weniger leicht erlernen. Die ethische Haltung müsse man sich selbst aneignen und aufrechterhalten, und zwar oft gegen heftige Widerstände.

Die ethische Haltung lässt sich für Barstow nicht von den journalistischen Techniken ablösen, sie ist die Voraussetzung dafür, dass das journalistische Handwerk richtig und erfolgreich ausgeübt wird. Die Haltung erlaubt es dem Journalisten, gegenüber sich selbst, gegenüber den Menschen, die ihm nahe stehen („your mum“), gegenüber den Informanten, den Vorgesetzten und seinen Gegnern so zu handeln, dass er verlässlich, verständlich, berechenbar bleibt. Bereits kleine Unsicherheiten und Fehler belasten die journalistische Arbeit, führen zu Zweifeln an der eigenen Rolle und machen die Geschichten, die der Journalist schreibt, ungenauer.

Am wichtigsten ist die ethische Haltung des Journalisten gegenüber Informanten, die sich in Gefahr bringen, wenn sie einem Journalisten etwas erzählen. Die Informanten müssen sich darauf verlassen können, dass die Journalistin oder der Journalist mit ihren Informationen korrekt umgeht und sie als Personen schützt. Der Journalist muss darüber hinaus den Informanten wie einen Mitarbeiter gewinnen. Die Quelle ist dann am besten, wenn ihr Name veröffentlicht werden kann und sie selbst dafür geradesteht, dass stimmt, was sie mitgeteilt hat.

Barstow lehnt es nicht nur ab, sich auf einzelne „whistleblowers“ zu verlassen. Wenn eine Quelle anonym bleiben will und ein Journalist nicht auf sie verzichten will, soll dieser Schritt ausdrücklich vollzogen und seine Bedeutung formuliert werden. Der Journalist muss dem Informanten feierlich mitteilen: „Ich werde für Sie notfalls ins Gefängnis gehen!“ Der Informant soll wissen, dass seine Information für den Journalisten ein Risiko bedeutet, und sie muss es selbst mitverantworten, dass der Journalist dieses Risiko eingeht.

Jpr_small Die Überzeugung, ethisch richtig zu handeln, gibt der Journalistin oder dem Journalisten die Kraft, ihre Arbeiten gegen heftige Widerstände zu verfolgen. „Fight like hell for your story!“ sei die einzig richtige Devise, wenn Vorgesetzte die Arbeit an einer Geschichte abbrechen wollten, von der der Journalist überzeugt sei.

Barstow hat uns klargemacht, wie viel Energie nötig ist, um etwas an den Tag zu bringen, was aus gutem Grund unter der Decke gehalten wurde. Der Journalist ist sich lange nicht sicher, ob er überhaupt auf der richtigen Spur ist; er und seine Informanten werden eingeschüchtert oder bedroht; seine Redaktion unterstützt ihn vielleicht nicht; sein Familienleben leidet, weil sich intensive Recherchen nicht in Achtstundentagen bewältigen lassen. Diesen Widerständen erliegt der Journalist, wenn er nicht daran glaubt, das Richtige zu tun und an einer Geschichte zu arbeiten, auf die er lange stolz sein kann, die nicht im Tagesschäft untergeht („I didn’t like doing the crap stories“).

Eine ethische Haltung bestimmt nicht nur, welche Ziele ein Journalist verfolgt, sondern auch, mit welchen Mitteln er arbeitet. Die Mittel dürfen das Ziel nicht diskreditieren, sie dürfen der Rolle des Journalisten nicht widersprechen und ihn gegenüber anderen und vor allem gegenüber sich selbst unglaubwürdig machen. Barstow hat 9/11 direkt vom Ground Zero berichtet und sich als Security-Mann ausgegeben, um in die streng abgesperrte Sicherheitszone zu kommen. Er ist sich bis heute nicht sicher, ob dieses Versteckspiel moralisch erlaubt war.

Aufdecken als journalistische Aufgabe

Beim Lesen von Christianes Posting ist mir David Barstows Vortrag sofort eingefallen. Barstow hat die Haltung beschrieben, die Journalisten von anderen professionellen Kommunikatoren unterscheidet. Diese Haltung ist keine persönliche Qualität, die ausschließt, dass ihr Träger andere Qualitäten und Eigenschaften hat. Sie wird von einem Job gefordert, so wie ein Leistungssportler eine bestimmte Moral braucht, um weitermachen zu können. Ob man diese Haltung haben und gleichzeitig PR machen kann, ist wohl keine Frage der moralischen Unverträglichkeit sondern der persönlichen Leistungsfähigkeit.

Barstow verkörpert ein Verständnis der Rolle des Journalisten, das man in Europa nur selten in dieser Schärfe findet: Journalisten kontrollieren die Mächtigen, indem sie für die demokratische Öffentlichkeit Dinge publizieren, die aus unethischen Gründen geheimgehalten werden. Die dazu erforderliche Haltung unterscheidet Journalisten von PR-Leuten: Journalisten müssen Rebellen sein.

Das bedeutet nicht, dass Journalisten bessere Menschen sind als PR-Leute. Eine Gesellschaft, die nur aus Rebellen besteht, wäre wahrscheinlich kein sehr angenehmer Platz, schon gar nicht für die Rebellen. Es bedeutet auch nicht, dass PR- oder Marketing-Leute keine Rebellen sein können—das Cluetrain Manifest ist ein Gegenbeweis. Aber zur Ethik der PR gehört nicht das Aufdecken von Informationen gegen alle Widerstände.

Noch eine Bemerkung zu diesem Thema, mit dem ich mich weiterbeschäftigen möchte: Die Krise des Printjournalismus ist dramatisch, weil sie den investigativen Journalismus, wie ein David Barstow mit der Unterstützung der New York Times betreiben kann, gefährdet. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, diesen Journalismus zu erhalten und seine Unabhängigkeit zu schützen. Dazu gehört es auch, ihn in der Ausbildung von Journalisten zu verankern, statt ihn einer falsch verstandenen „Wirtschaftsnähe“ zu opfern.

(Leider habe ich nur die beiden unscharfen Handy-Fotos von David Barstows Auftritt bei uns. Ich hoffe, sie vermitteln wenigstens etwas von der Stimmung an einem der spannendsten Tage an unserem Studiengang.)

Gestern hat Stefan getwittert:

Protestierende FH-Studierende sollten umgehend an Unis zwangsversetzt werden. Dort gehts euch besser, wirklich jetzt! [Twitter / Stefan: Protestierende FH-Studiere …]

Jochen Hencke, Studierendensprecher unseres Studiengangs (und Urheber des Titels dieses Beitrags) bloggt dagegen:

gerade die performance der gesamten fh joanneum ist sehr schwach. keine solidaritätsbekundungen, keine diskussion, keine information der studenten – nichts. auf der fh joanneum findet ein protest scheinbar nicht statt. warum ist das so? interessiert’s uns nicht, weil wir ja eine fh sind?! [schneeengel.de – der blog]

Einige meiner Studenten engagieren sich bei den Protesten hier in Graz, in der Vorklinik und jetzt auch an der FH selbst bei einem FH Plenum, zu dem gestern aufgerufen wurde. Welche Haltung dazu habe ich als Lehrender? Die Studenten haben ein Recht darauf, dass die Lehrenden ihre Meinung zu den Aktionen äußern—erst recht Lehrende an einem Studiengang, der sich mit öffentlicher Kommunikation beschäftigt.

Ich bin sicher: Als Student würde ich mich an den Aktionen beteiligen, auch hier an der FH. Warum? Ich bin nicht dafür, hier den Zugang zu den Studiengängen unterschiedslos zu öffnen, und ich vermute, dass sich die Studienbedingungen bei uns aus der Perspektive etwa von Publizistik-Studenten in Wien fast ideal ausnehmen. Trotzdem gibt es Gründe zum Protest: Auch die FHs gehören zu den österreichischen Hochschulen und sollten auf allen Ebenen als Teil der östereichischen Hochschullandschaft agieren statt als Insel der Seligen bzw. manchmal der Parias. Außerdem werden auch die FHs immer mehr gezwungen zu sparen—zu konsolidieren, wie es in der Sprache der Bürokraten heisst.

Wir lehren nicht auf einer Insel

FH-Studenten sind von den Bedingungen an den Universitäten unmittelbar betroffen. Nicht nur, weil in einigen Fächern die Maturanten an die FHs strömen, um den Verhältnissen an den Universitäten zu entgehen. Durch den Bologna-Prozess werden die Systeme durchlässig: Immer mehr FH-Studierende werden nach dem Bachelor an Universitäten weiterstudieren und umgekehrt. Schon jetzt promovieren einige unserer Absolventen an der Uni Wien. Wir können nicht sagen, dass die Zustände an den Universitäten uns nichts angehen.

Auch FHs brauchen mehr Studienplätze

Dass im Bildungssystem gespart wird, ist auch an den Fachhochschulen deutlich zu spüren. Ich habe erst in der letzten Woche gehört (habe es aber noch nicht überprüft), dass der dafür zuständige Fachhochschulrat zur Zeit keine neuen Studienplätze an FHs mehr genehmigt. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge muss (jedenfalls an unserer Hochschule) kostenneutral erfolgen. Folge: Es gibt deutlich weniger Master- als Bachelor-Studiengangsplätze. Viele, die gerade mit einem Bachelor-Studium begonnen haben, werden bei uns keinen Master machen können. Bei neuen Bachelorstudiengängen z.B. für medizinische Berufe gibt es kaum eine Chance, Masterstudiengänge einzurichten—obwohl gerade diese Berufe „akademisiert“ werden sollen. Bei Anschaffungen, Exkursionen u.ä. spüren meine Kollegen und sicher auch viele Studierende den Sparzwang immer wieder.

Forschung an den FHs darf nicht nur vom Markt abhängen

Es wird für die FHs noch schwieriger eine Aufgabe zu erfüllen, die sie neben der Lehre haben und die ihren akademischen Anspruch mitbegründet: die Forschung. Östereichische Fachhochschulen erhalten für Forschung keine Grundfinanzierung, müssen also alle Forschungsgelder auf dem Markt akquirieren—mit den entsprechenden Folgen für die Freiheit von Lehre und Forschung. Je mehr in der Bildung gespart wird, desto weiter sinken die Aussichten für uns, selbstgesteuert forschen zu können. Das bedeutet auch ein Risiko für die Qualität der Lehre.

Muss es so laut sein?

Muss man demonstrieren und Hörsäle besetzen um den Hochschulen zu helfen? Man muss! Manche Argumente der Studenten mögen platt sein, aber sie stimmen leider: Die Finanzkrise hat Panik in Politik und Wirtschaft ausgelöst, die Bildungskrise wird von vielen Politikern offenbar nicht einmal wahrgenommen. Christian Felber von attac hat Recht, wenn er in seiner Rede vor den Wiener Studenten im Audimax sagt:

Es ist ein Skandal, dass der Staat die Finanzierung der Banken 40mal wichtiger einstuft als die Finanzierung der Hochschul-Bildung.

Dieses Missverhältnis kann man selbst als Neoliberaler als Skandal werten.

Ein neues 68?

Noch eine Bemerkung: Manchmal hört man, bei den Protesten jetzt handele es sich um ein neues 68. Das wäre fatal, denn die Studentenbewegung damals endete in den Fraktionskämpfen diverser Uralt-Linker (deren Nachkommen wohl auch jetzt aktiv werden). Es wäre schade, wenn die neue Qualität der Proteste—die Selbstorganisation, das Umgehen der herkömmlichen Vertretungsmaschinerien und Funktionärsapparate, die Verwendung sozialer Medien— einer ähnlichen Erstarrung zum Opfer fielen.

(Für die, die diesen Beitrag lesen, ohne mit Blogs vertraut zu sein: Dies ist ein Blogpost. Es handelt sich um einen Adhoc-Diskussiosbeitrag. Ich freue mich über Widerspruch und über Korrekturen in den Kommentaren oder in anderen Blogs.)

Die letzte Woche war so angefüllt, dass ich ein paar Tage Ruhe brauche, um die Eindrücke zu verarbeiten. Es waren völlig unterschiedliche Treffen und Gespräche, die alle mit den radikalen Veränderungen in den Medien zusammenhingen, die wir gerade erleben. Der Höhepunkt war für mich gestern ein Workshop, den David Barstow für unsere Studenten hielt—ich glaube: der interessanteste Tag, den ich bisher an unserer Hochschule mitbekommen habe.

Davor: Am letzten Freitag ein Tag bei Burda im Media Innovation Lab: Wir sind bei einem neuen Projekt des Lab beteiligt, sodass unsere Studenten das Online-Business sehr konkret kennenlernen können. Dann am Samstag und Sonntag das Barcamp München—ich habe es noch nicht geschafft meine Notizen aufzuarbeiten; ich werde mit denen zu Scrum und zu Google Wave anfangen.

In der Woche: eine lange Diskussion mit Kurt Winter, Karin Raffer und Julian Ausserhofer über unser Web Literacy Lab und die Frage, welche Rolle Forschung dabei spielen soll, dann viele Gespräche vom allem im Umkreis des Elevate Festivals (bei dem eine Gruppe unserer Studenten das Video-Coverage macht) und vor allem mit Kollegen vom ORF wie Ilse Amenitsch, Erich Möchel und Karl Pachner.

Alle diese Gespräche und Treffen hängen für mich mit der Arbeit am Studiengang und der Frage zusammen, wie wir unser Programm weiterentwickeln sollten. Ich kann jetzt keine Schlüsse daraus ziehen und mich nur etwas kryptisch ausdrücken—vielleicht müssen wir, was unsere Inhalte und unsere Methoden angeht, auch zu so etwas wie der Agilen Softwareentwicklung kommen. Wir stecken mitten in einer Medienrevolution. Wir müssen Medienprofis so ausbilden, dass sie wissen was vor sich geht und die Distanz und den Überblick haben, um die Entwicklungen in ihren Gebieten mitsteuern zu können.

So viel für den Augenblick. Ich hoffe auf etwas ruhigere Wochen, um den vielen Input in etwas mehr Output verwandeln zu können.

Sollen Journalisten akademisch ausgebildet werden? Wie sollen Journalisten akademisch ausgebildet werden? Ein Dauerthema in Journalismus- und J-school-Blogs. (J-school ist der englische Ausdruck für Journalismus-Schulen, vor allem für die Journalismus-Fakultäten an den Universitäten.)

„Open J-School“

In den starred items meines Feedreaders haben sich einige Posts zu diesem Thema angesammelt; ein paar habe ich am Wochenende gelesen. Ein Schlagwort in Jay Rosen’s Tweets fasst die Diskussionen zusammen: open J-school, offene Journalistenschule. Gefordert ist eine Ausbildung in Sichtweite von und oft in Tuchfühlung mit den Änderungen in der Medien- und Kommunikationstechnik und der Wirtschaft. Sie muss widerspiegeln, dass sich die Rolle der Journalisten radikal wandelt, dass die Journalisten von Gatekeepern zu Knoten in einem Netzwerk werden, in dem Nachrichten immer mehr horizontal statt vertikal verbreitet werden.

Journalisten brauchen heute Kompetenzen, die die klassische Ausbildung—in Schulen oder Hochschulen, aber auch on the job—nicht vermitteln kann. Andere Disziplinen müssen eine größere Rolle spielen:

Mostly, I think j-schools need to be coordinating (even integrating) more closely with other departments — mainly business schools and departments of computer science and library science. … But if journalists need to learn skills that, by and large, j-schools and journalism professors don’t yet possess, then it probably makes sense to partner with other relevant departments in a college or university [Amy Gahran: Busting J-School Silos: What Will it Take?].

Allerdings zweifel Amy Gahran an der Fähigkeit von Journalistenschulen und der Universität insgesamt, auf schnelle Veränderungen zu reagieren, sie warnt vor institutioneller Trägheit.

Web Literacy

Web-Kompetenz, web literacy, ist die wichtigste unter den Fähigkeiten, die Journalisten heute und in Zukunft brauchen, die ihnen aber bisher nicht ausreichend vermittelt werden können. King Kaufman:

If you’re not willing to work on the Web, do more than write, get your hands dirty with code, blog, be a social media pro, etc, than journalism isn’t for you. If you don’t like turmoil, seek a different career. Journalism is going through a massive transformation right now, and unfortunately most journalism schools are not preparing students for those transformations [Let’s be honest about J-school – King Kaufman – Open Salon].

Allerdings macht web literacy allein keinen guten Journalisten, darüber sind sich die amerikanischen J-Blogger einig. Journalisten werden auch in Zukunft vor allem Geschichten finden und erzählen. Auf den journalistischen Anspruch dürfen Journalistenschulen nicht verzichten. Doc Searls kann niemand Missachtung des Web oder Wirtschaftsferne vorwerfen. Er macht sich darüber lustig, dass die renommierte Medill School of Journalism den Journalismus aus ihrem Namen tilgt, und spricht von der School of Journalism Marketing and Stuff. Achten wir auch hier darauf, dass wir nicht zu einer Schule für Journalismus, Marketing und Zeugs werden!

Breites Bachelor-Studium

Journalismus als Handwerk lässt sich nicht an Schulen und Universitäten lernen. Mindy McAdams:

No one learns how to do anything by sitting in a classroom and listening to a teacher. That might be a great way to get started — but the real learning is going to happen somewhere else [Teaching Online Journalism » Experience, the best teacher].

Trotzdem ist es sinnvoll, Journalismus zu studieren—allerdings in dem Wissen, dass die journalistische Praxis auch nur in der Praxis erlernt werden kann. Auch on the Job lassen sich die Fähigkeiten, die Journalisten in Zukunft brachen, heute kaum erwerben.

On-the-job training (as if there were anyone in today’s newsrooms who would or could train the new kid) is not going to suffice, because today’s journalist actually does need to be well educated.

Interessant ist, dass in den USA deutlich zwischen den Funktionen des Bachelor- oder Undergraduate- und des Master- oder Graduate-Studiums unterschieden wird. Ich glaube wie Mindy McAdams, dass das Bachelor-Studium eine breite Qualifikation vermitteln, also auch allgemeinbildend sein sollte:

The years spent at university as an undergrad are not meant to be job training. In North America, at least, those years serve as a transition between who you were as a child and who you will become. That has to do with a lot more than the job you will get after graduation.

Gerade gegenüber radikalem sozialen, ökonomischen und technischen Wandel sind die allgemeinen Qualifikationen oder Metaqualifikationen wichtiger als ein Fachwissen, das ohnehin nicht beständig ist:

The general ed courses fulfill the role that a liberal arts education has always fulfilled (or at least, they’re meant to): completing your education. Put another way, the undergraduate journey is supposed to lead to your becoming an educated person.

Der Sinn eines Bachelor-Studiums im Journalismus besteht also nicht nur darin, auf eine Berufstätigkeit als Journalist vorzubereiten. Die journalistische Bildung oder Ausbildung kann zu vielen anderen Tätigkeiten führen. Um es etwas phrasenhaft auszudrücken: Je wichtiger Kommunikation in vielen sozialen Bereichen wird, und je mehr dank der Möglichkeiten des Netzes jeder Medien herstellen und veröffentlichen kann, desto größer wird der Bedarf nach Menschen mit einer journalistischen Ausbildung, die in ganz verschiedenen Berufen und Funktionen für die Qualität von Informationen verantwortlich sind. Dazu muss die Ausbildung sich allerdings vor allem an journalistischer Qualität orientieren:

I do not think universities commit fraud if they admit hundreds of new journalism majors each year. I do believe that a journalism program commits fraud if it hands out journalism degrees to students who can’t write, can’t fact-check properly, or can’t use the necessary tools of journalism in the 21st century. [Teaching Online Journalism » Why does anyone major in journalism?]

Business-Orientierung im Master

Journalistische Master-Programme sind in den USA und in Großbritannien zunehmend mehr auf Entreperneurship ausgerichtet. Nicht so sehr unmittelbar journalistische Qualitäten sind das Ziel (die sich besser außerhalb der Hochschue erwerben lassen), als die Fähigkeit, mit diesen Fähigkeiten selbst wirtschaftlich zu überleben und neue Typen von Dienstleistungen und Medien zu entwickeln. King Kaufman:

If you already have journalism experience and lots of clips, I’d only attend a program that is going to modernize your skills and thought processes (and you’re not a self starter). This is where programs that are heavy into entrepreneurism make a lot of sense.

Außer in entsprechenden Programmen in den USA (z.B. an der CUNY Graduate School of Journalism und der New York University) wird journalistische Entrepreneuship jetzt auch an der Universität Birmingham unterrichtet.

Die NewYorker Columbia University sucht nach neuen Geschäftsmodellen für Nachrichten; dabei arbeitet sie mit Unternehmen zusammen, die sich untereinander lange erbittert Konkurrenz gemacht haben.

Hier in Graz sind wir mit der Konzeption unseres Master noch nicht fertig. Es ist sicher sinnvoll, dass wir uns intensiv mit den Diskussionen in den USA beschäftigen—schon weil es dort eine ganz andere Tradition von journalistischen Bachelor- und Masterstudiengängen gibt. Die Orientierung an Allgemeinbildung im Bachelor und an Entrepreneurship im Master halte ich auch bei unseren Studiengang (in dem Journalismus und PR unterrichtet werden) für eine sinnvolle, wenn auch sicher nicht für die einzige, Option. Das Ideal einer open J-School sollten wir in jedem Fall hochhalten.

In einer Frankfurter Rundschau, die ich vorgestern auf dem Flug von Frankfurt nach Graz gelesen habe, bin ich auf einen Artikel über adaptives Denken gestoßen; Gerd Gigerenzer beschreibt darin, weshalb intuitive Entscheidungen in den meisten komplexen Situationen erfolgreicher sind als Entscheidungen, die auf einem möglichst umfassenden Tatsachenwissen basieren. Beispiel: Ein Baseballspieler fängt einen fliegenden Ball nicht, indem er dessen Flugbahn berechnet. Er verwendet stattdessen eine ganz einfache Methode:

1. Fixiere den Ball mit deinen Augen. 2. Beginne zu laufen. 3. Passe Deine Laufgeschwindigkeit so an, dass der Blickwinkel konstant bleibt. Der Spieler kann alle Informationen ignorieren, die man benötigt, um die Flugbahn des Balls zu berechnen. Er löst dieses Problem nicht durch etwas Komplexes, sondern durch etwas ganz Einfaches. Er beachtet nur eine einzige Größe, den Blickwinkel, den er konstant zu halten versucht.

Wie könnte ein solcher Anpassungsmethode für die Gegenstände aussehen, die ich vermittele? Kann ich mich auf ein Objekt konzentrieren und mich—wie der Baseballspieler—so bewegen, dass ich es immer im Auge behalte und dadurch etwas erreiche, nämlich ein langfristig nutzbares Wissen zu vermitteln?

Ich überlege, ob ich diesen Punkt nicht am besten mit dem Ausdruck Hypertext bezeichnen kann (ich benutze Hypertext und Hypermedium synonym). Hypertext unterscheidet das Web von anderen Medien und er unterscheidet es von den anderen Teilen des Internet. Die gesamte Architektur des Web dient dazu, Hypermedialität zu ermöglichen. Hypertext ist die Ursache dafür, dass man digitale Oberflächen, bis heute Bildschirme, verwenden muss, um im Web zu kommunizieren. Dabei ist das Web letztlich ein Hypertext, genauer: ein hypermediales System. Von jedem Punkt aus kann zu jedem anderen verlinkt werden. Auch was man Web auf Knopfdruck nennt, ist nicht etwas, das als zusätzliches Element zum Hypertext hinzukommt; Hypertext besteht gerade darin, dass ich in Echtzeit von einem Element zu einem mit ihm verknüpften gelangen kann. Das Web ist ein Real-Time-Medium, in dem alle Inhalte gleichzeitig erreichbar sind und beliebig miteinander verbunden werden können.

Für meinen Unterricht bedeutet das:

  1. Es gibt eine Ebene der technischen Basis, auf der es darum geht, was Hypertext ist, wie er technisch realisiert wird, mit welchen Mitteln man ihn produziert und wie man ihn publiziert. Zu dieser Ebene gehört auch, wie Hypertext und Medien zusammenspielen, wie man Hypertext durchsucht und wie er dargestellt wird.

  2. Es gibt hypertextuelle Formate oder Genres, die z.T. erst entwickelt werden und sich ständig verändern. Beispiele sind Blogs, Microblogs, Wikis oder Profile. (Dabei ist eine offene Frage, ob ein konkreter Text nicht meist zu mehreren dieser Genres gehört.) Diese Genres realisieren Eigenschaften des Hypertexts in kommunikativen Situationen oder für kommunikative Zwecke. Sie gehören nicht zur Ebene der Anwendungen (siehe unten), aber sie werden auf dieser Ebene in bestimmter Weise interpretiert und geformt. Dies ist die Ebene der sozialen Medien, der Kommunikation im Web.

  3. Es gibt Anwendungen für Hypertext—für meinen Unterricht relevant sind dabei Journalismus und Public Relations. (Politische Kommunikation, Wissenschaft, Wissenmanagement oder Lehre und Unterricht sind weitere Anwendungen). Diese Anwendungen stellen Kontexte für Hypertext dar, und sie werden durch die Möglichkeit hypermedialer Kommunikation verändert. Die Kommunikationsformate der zweiten Ebene werden auf dieser Ebene einerseits eingeschränkt und andererseits erweitert.

  4. Auf einer vierten Ebene lässt sich das, was auf den ersten drei—der technischen, der kommunikativen und der institutionellen—stattfindet, wissenschaftlich untersuchen: das wäre die Ebene der Webwissenschaft.

Für meine Unterricht an unserem Studiengang ist die zweite Ebene wohl die wichtigste. Zukünftige Medienpraktiker müssen die Kommunikationsformen im Web und ihre Dynamik verstehen. Dabei ist aber die Hypertextualität das verbindende Element: Es kommt darauf an, die spezifischen hypertextuellen Möglichkeiten dieser Formate zu begreifen, insbesondere die Verknüpfungsmöglichkeiten, durch die sie auf der Anwendungs- oder Institutionsebene relevant werden. Um diesen Unterricht auf einem Hochschulniveau, also wissenschaftlich fundiert geben zu können, ist dabei eine Rückbindung an die vierte Ebene wichtig—die allerdings gerade erst entsteht. Hier ist für mich—sozusagen als passende Analyse-Ebene für die hypertextuellen Formate oder Genres—eine mikrosoziologische Untersuchung von Webkommunikation am interessantesten, wie sie bisher nur rudimentär existiert.

Die Fachgruppe PR und Organisationskommunikation der DGPuK hat ein Positionspapier Akademische PR-Ausbildung in Deutschland publiziert. Verantwortliche Autoren sind Thomas Pleil und René Seidenglanz.

Das Papier ist knapp und übersichtlich; es beginnt mit einer guten Zusammenfassung. Die folgende Grafik (entnommen der S. 3 des Papiers) zeigt, wie die DGPuK die Rolle der akademischen PR-Ausbildung versteht:

Rolle der akademischen PR-Ausbildung, Positionspapier der DGPuK, S. 3

Nach der ersten Lektüre würde ich das Papier so charakterisieren: Es begründet und fordert den akademischen Charakter der PR-Ausbildung: Die PR-Ausbildung soll wissenschaftlich fundiert sein und sowohl auf eine praktische Tätigkeit in der PR wie auf eine wissenschaftliche Karriere vorbereiten. Die akademisch ausgebildeten PR-Leute sollen nicht nur Wissen anwenden, sondern dazu in der Lage sein, die eigene Tätigkeit mit wissenschaftlichen Maßstäben zu bewerten und zugleich kritisch zu reflektieren, z.B. in Hinsicht auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen. Das Papier bindet die PR-Ausbildung an die Kommunikationswissenschaft, fordert aber auch, PR-Praktikern eine weit über eine rein fachliche oder fachwissenschaftliche Qualifikation hinausgehende Kompetenz zum kritischen Nachdenken zu vermitteln.

Das ist eine aufklärerische Position, die sich am Leitbild eines autonomen und auf Wissen und Reflexion gestützten Handelnden orientiert—im Gegensatz zum reinen Praktiker, der nur Anweisungen seiner Kunden oder Vorgesetzten umsetzt. Es ist außerdem eine sehr anspruchsvolle Position: Die Ausbildung wird an Forschung gebunden; für die akademische PR-Ausbildung an Hochschulen und Fachhochschulen sollen vor allem Wissenschaftler verantwortlich sein, die selbst forschen, die also nicht nur einen bereits erarbeiteten Wissensbestand vermitteln.

Für mich ist die Bindung der Ausbildung an die Forschung ein wichtiger Punkt: An den österreichischen Fachhochschulen wird Forschung betrieben, und die Hochschulen sind verpflichtet, den Lehrenenden Forschung zu ermöglichen; nur die Lehre ist aber fix finanziert. Forschungstätigkeit hängt von Aufträgen aus der Wirtschaft oder von Förderungen ab, die man akquirieren muss. Wenn wir die Forderungen des Papiers an unserem Studiengang umsetzen wollen, müssen die Lehrenden Freiräume für die Foschung erhalten, die von Projekten für Auftraggeber unabhängig sind. In einem gewissen Ausmaß—das muss ich hinzufügen—hat man diese Freiheit im Rahmen der Weiterbildung und der Vorbereitung für die Lehre, aber sie ist von Zufällen und der Gutwilligkeit der Vorgesetzten und der Verwaltung abhängig.

Noch zwei Bemerkungen zu Themen, die in dem Papier nicht explizit behandelt werden, eine zu dem kommunikativen Kompetenzen, die wir vermitteln, und eine zu meinem eigenen Unterrichtsgebiet, der Webkommunikation:

  1. Kommunikative Kompetenzen: Für mich hat die Ausbildung von Kommunikatoren immer auch eine rhetorische, vielleicht könnte man auch sagen: gestalterische Komponente, die nicht einfach zu den nichtakdemischen, rein praktischen Teilen der Ausbildung gehört. Vor allem an Fachhochschulen sehe ich hier Ähnlichkeiten mit der Ausbildung an Kunst- oder Musikhochschulen. Ich fände es sinnvoll, diese Komponente in einem Positionspapier zur akademischen Aubildung von Kommunikatoren explizit und differenziert zu berücksichtigen—womit ich auf keinen Fall für eine Entakademisierung plädieren möchte.

  2. Webkommunikation: Auf Webkommunikation geht das Papier nicht ein—wahrscheinlich, um die zentralen Aussagen nicht durch weitere Themen zu verwässern. Für die PR bringt das Web radikale Veränderungen, und für die Aubildung und die wissenschaftliche Kommunikation neue Formen, die wir gerade erst auszuloten beginnen. Für eine Bewertung der Konsequenzen des Webs für die akademische PR-Ausbildung wäre wohl ein eigenes Papier (oder Wiki) nötig. Zur wissenschaftlichen Fundierung in diesem Bereich gehört wohl auch die entstehende Webwissenschaft— die man auch als Teilgebiet der Kommunikationswissenschaft verstehen kann.

Für unsere Diskussionen am Studiengang und in der Hochschule ist das Papier hilfreich, auch wenn es sich nur auf die Ausbildung in Deutschland bezieht. Es formuliert klar und verständlich Sinn und Anspruch einer akademischen Kommunikationsausbildung. Es bezieht eine Position, die ich als Lehrender auf diesem Gebiet gern auch als Verpflichtung annehme.

Ein Bericht der MacArthur-Stiftung ermutigt zum partizipatorischen Lernen

Ein neuer Report der MacArthur Foundation gilt der Zukunft der Lerninstitutionen in der digitalen Welt. Eine ausführliche PDF-Version ist erschienen; ein Buch zum selben Thema entsteht gerade in offener Zusammenarbeit im Web. Wer will, kann Anmerkungen zu jeder Seite des Werks machen; es soll 2010 herauskommen.

Dank des Reports verstehe ich Erfahrungen und Konflikte besser, mit denen ich bei der Vermittlung von Webkompetenz an einer Fachhochschule täglich zu tun habe. Er ist voller Argumente dagegen, Lehren und Lernen als Reproduktion von Wissen in einem von Autoritäten kontrollierte Setting, als Klonen, zu verstehen.

Nennen wir das geklontes Lernen, Klonen von Wissen und Klone als das erstrebte Produkt. Solche Lernmodelle—oder „Klonkulturen“—sind oft verdummend und kontraproduktiv; sie lassen viele Kinder gelangweilt, frustriert und unmotiviert zu lernen zurück. [S. 21]

Die Autoren betrachten das Web nicht als technische Plattform sondern als eine Umgebung, die Lernen ermöglichen will. Im Web lernen wir partizipativ: Unabhängig von den Zufällen von Ort und Zeit und unabhängig von den hierarchischen Bildungssystemen können sich Menschen austauschen und ihr Wissen erweitern. Neue Lerninstitutionen entstehen; die spektakulärste und erfolgreichste ist die Wikipedia. Wer heute aufwächst und Zugang zum Web hat, hat sich daran gewöhnt, partizipativ und online zu lernen. Bildungseinrichtungen wollen sich diesen Lernformen zwar oft mir viel Geld für neue Technik anpassen. Sie sind als Institutionen aber meist blind dafür, dass sich im Web nicht technische, sondern kulturelle Veränderungen abspielen. Nicht nur die Formen des Lernens ändern sich, sondern auch die Inhalte und die Rolle des Lernens in der Gesellschaft.

Remixing als Lern- und Lehrstrategie

Remixing nennt der Report das, was Web-orientierte Lernende und auch wir Lehrenden mit den hergebrachten akademischen Unterrichtsformen machen. Wenn wir etwas wissen wollen, suchen wir alle heute zuerst im Web, fragen in unseren sozialen Netzwerken, wenden uns via Email oder Skype an Bekannte (ich selbst als jemand, der vor der Erfindung von Web und PC aufgewachsen ist, viel weniger als meine Studenten). In diese partizipatorische Lernwelt montieren wir, was wir aus den hierarchisch geordneten Welten der alten Schule und Hochschule und auch des alten Verlagswesens benutzen wollen oder benutzen müssen: vom wissenschaftlichen Buch bis zu Lehr- und Prüfungsformen wie Seminar, Vorlesung und Diplomarbeit.

Was der McArthur-Report als remixing bezeichnet, nennt Martin Lindner die Bildung hacken. Wir suchen Methoden für ein Aufbohren der Lern- und Lehrstrategien aus der Zeit vor dem Web, die über ein bloßes Addieren (oder Subtrahieren) von Altem und Neuem hinausgehen. Genau darin sehen die Autoren des Reports eine Hauptaufgabe für Bildungsinstitutionen. Es fehlen Übersetzungen zwischen der Welt der Webkommunikation und Institutionen, welche die Qualität des Lernens und Lehrens überprüfen. In der Open Source-Welt sind Institutionen für die Sicherung der Qualität und eines gerechten Zugangs schon vor einiger Zeit entstanden, und sie bilden sich gerade auch (Stichwörter: Open Access, Creative Commons) für Publikationen heraus. Vielleicht stellen E-Portfolios einen wichtigen Schritt bei der Entwicklung partizipativer Lerninstitutionen dar, denn sie dokumentieren, was jemand online gelernt und entwickelt hat.

Clash of Cultures

Wenn man den Report liest, versteht man besser, warum Vertreter des weborientierten Lernens bei Repräsentanten von Bildungskonzepten aus der Vor-Web-Zeit oft radikaler Ablehnung begegnen. (Ich weiß, wovon ich spreche!) Die Autoren stellen ausführlich und zum Teil auch polemisch dar, wie radikal sich das partizipative, kollektive Lernen im Web davon unterscheidet, wie bisher individuell Qualifikationen in Schulen und Hochschulen erworben werden. Die Hierarchien, die mit akademischen Titeln und den unterschiedlichen Rollen von Lehrenden und Lernenden an Hochschulen verbunden sind, verlieren beim Wissensaustausch im Web an Bedeutung. Nicht nur, weil die Studenten oft mehr über das Web wissen als ihre Lehrer: Das Lernen im Web ist noch deutlicher als bisher unabgeschlossen; feste Wissensbestände haben ihren Wert verloren. Sie können jederzeit überholt sein. Faktenwissen kann zudem online abgerufen und muss nicht memoriert werden. Lernen ist lebenslang

… auch in dem, vielleicht antiplatonischen, Sinn, dass die zunehmend schnellen Wechsel in der Gestaltung der Welt bedeuten, dass wir zwangsläufig von neuem lernen müssen, uns dabei neues Wissen aneignen, um den Herausforderungen neuer Bedingungen gewachsen zu sein, während wir die Lehren der Anpassungsfähigkeit bei uns tragen, der Anwendung der Lehren auf neuartige Situationen und Herausforderungen. Dabei handelt es sich nicht nur darum, wirtschaftlichen Zwängen zu gehorchen; in steigendem Maß verlangen es auch „unsere“ Gesellschaft und Kultur. [S. 33]

Damit ändert sich die Aufgabe von Schulen und Hochschulen. Sie müssen nicht Normen und Regeln durchsetzen und sich damit selbst perpetuieren, sondern ihre Mitglieder mobilisieren und die Lernenden flexibler machen:

Traditionell wurden Institutionen mit Konzepten wie Regeln, Regulierungen und Normen erfasst, die die Interaktion, Produktion und Distribution innerhalb der Struktur der Institution regeln. Die Netzkultur und die zu ihr gehörenden Lernpraktiken und -vereinbarungen legen es nahe, Institutionen, besonders diejenigen, die das Lernen fördern, als Mobilisierungsnetze zu denken. Die Netzwerke ermögliche eine Mobilisierung, die Flexibilität, Interaktvität und Ergebnisse betont. [S.33/34]

Die Kultur einer Institution darf sich nicht mehr am immer Gleichen, sie muss sich an der Veränderung ausrichten. Sie soll nicht feststellen, was ist, sondern zu dem befähigen, was wird:

Die institutionelle Kultur verschiebt sich so von Gewichtigen zum Leichten, von der Beurteilung zur Befähigung. [S. 34]

Partizipatorisches Lernen fordert schwerfällige Hierarchien heraus: vom Umgangs von Lernenden und Lehrenden miteinander bis zum Verständnis von Wissen und Lehre:

Die Herausforderungen der institutionellen Kultur durch das partizipatorische Lernen (wobei diese Herausforderungen auch hinsichtlich anderer institutioneller Ebenen und Ausprägungen bedacht werden sollten) reichen vom Banalen zum Grundsätzlichen, von Disziplinarmaßnahmen gegen protokollwidriges und unkonventionelles Verhalten bis zu normativen Vorstellungen davon, was Wissen konstituiert und wie es autorisiert wird. [S. 36]

Keine Experimente?

Viele Formulierungen des Berichts sind nicht neu. Was die Autoren als partizipatorisches Lernen verstehen, ist viel älter als das Web—und tatsächlich ist das Web nicht zuletzt entstanden, um einen Austausch von Wissen und Informationen unabhängig von bremsenden Hierarchien jeder Art zu ermöglichen. Es ist weit mehr Folge als Ursache des Bedarfs nach neuen Formen des Lernens.

Aus meiner Sicht als Lehrer an einer Fachhochschule verstehe ich den Report als Ermutigung, mit der Vermittlung und den Definitionen des zu vermittelnden Wissens zu experimentieren. Zu den Formen können Barcamps gehören, aber auch Vernetzungen von Lehrveranstaltungen mit der Vermittlung von Wissen außerhalb der Hochschule, z.B. in Medien oder in Unternehmen. Partizipatorisches Lernen an der Hochschule wird nur funktionieren, wenn die Studenten selbständiger und selbstbewusster werden. Mir ist klar, dass Studierende und Lehrende, die die Möglichkeiten und Herausforderungen des Webs ernst nehmen, immer wieder auf aggressiven Widerstand stoßen werden: Auch in Hochschulen fühlen sich viele bedroht, wenn Hierarchien in Frage gestellt werden. Ich bin mir aber sicher, dass Klonierungskulturen nicht in das Fachhochschulwesen passen. Zu Recht werden hier in Österreich FH-Studiengänge höchstens für fünf Jahre akkreditiert, damit sie didaktisch und inhaltlich immer wieder neu begründet werden.

Ergänzung, 13.7.09: In dem Post gehen die Ausdrücke partizipatorisch und partizipativ durcheinander. Partizipativ ist wohl besser.
Die Übersetzungen der Zitate sind von mir. Die Seitenangaben beziehen sich auf das oben verlinkte PDF-Dokument.
Ergänzung, 14.7.09: In der ersten Zeile Link zu MIT-Press hinzugefügt.

Immer wieder stellen Blogger in Listen zusammen, welche Kompetenzen Online-Journalisten und Online-Kommunikatoren heute haben müssen. Interessant finde ich unter anderem:

Ich arbeite mich gerade durch diese und weitere Listen hindurch, um genauer beschreiben zu können, welche Kompetenzen wir unseren Absolventen vermitteln sollten. Vor allem für die Studenten selbst ist es wichtig, dass wir genau sagen können, was wir ihnen beibringen wollen. Ich möchte präzisieren, was ich hier begonnen habe.

Die meisten dieser Listen sind — oft sehr brauchbare — ad-hoc-Zusammenstellungen. Eine Sonderrolle spielen die Ergebnisse des Convergence Journalism Skills Survey der Skills Group, die mit einer Reihe britischer Institutionen zusammen unternommen wurde. Der Ansatz ist sicher konservativer als bei den oben zusammengestellten Links (Besonderheiten sozialer Medien geraten nicht in den Blick); dafür sind die Thesen aber empirisch belegt.

Eine Zusammenfassung hat Paul Bradford in einem Video dokumentiert. Was vermissen Arbeitgeber bei Bewerbern um journalistische Jobs? Am wichtigsten sind ihnen nach wie vor klassische journalistische Fähigkeiten; vor allem bei folgenden Kompetenzen stellen sie ein skills gap fest:

  • Finding own stories 64%
  • Use of language 51%
  • Writing 48%
  • Media law 46%
  • Shorthand 43%
  • News gathering 38%

Mehr Kowhow bei der Produktion digitaler Medien wünschen sie sich vor allem auf diesen Gebieten:

  • Video skills — recording and editing 59%
  • Writing for search engine optimization 57%
  • Writing for multi-platforms — 24hr rolling news 56%
  • Prioritising ways to tell a story 53%
  • Assembling news bulletins and audio/video packages 53%
  • Using Freedom of Information Act 53%

Die core skills würde ich den kommunikativen Kompetenzen zuordnen, die new skills dem Produktionswissen. Wahrscheinlich würde eine Untersuchung hier in Mitteleuropa zu ähnlichen Ergebnissen führen, abgesehen wohl von shorthand und Using Freedom of Information Act.

Wir sind übrigens an unserem Studiengang gar nicht so weit von den Anforderungen entfernt, die sich aus der britischen Studie ergeben — wenn wir uns auch sicher noch mehr auf die zentralen Kompetenzen konzentrieren müssen. Und: Wir müssen unser Angebot noch mehr auf einen Markt einzustellen, der durch seine Fähigkeit zur Veränderung mitdefiniert wird.

Leider auf der Website der Süddeutschen nicht zu finden: Franziska Augsteins Bericht von der Frankfurter Gebutstagsfeier für Jürgen Habermas Der Eremit vom Starnberger See (20./21. 6. 2009, p. 15). Zitat:

Und dann sagte Habermas ein paar Sätze, die das Publikum bewegten: In jedem Seminar kann ein neues Gesicht auftauchen, ein Student, der einen unerwarteten Stein ins Wasser wirft. Das ist das Außerordentliche des universitären Lebens und Lernens. Er glaubt, dass es im Seminar nur so lange mit rechten Dingen zugeht, wie auch der Professor von seinen Studenten etwas lernen kann.

Ich kenne Leute, die akademische Titel führen und Gedanken wie diesen als Provokation empfinden. Für mich haben sie an Hochschulen nichts verloren. Habermas formuliert, was universitäres Lernen von noch so guten anderen Ausbildungen unterscheidet. Seine Sätze gelten nicht nur für die Universiät Frankfurt, sie begründen auch, warum eine FH wie unsere sich Hochschule oder University of Applied Sciences nennen kann.

Zwei Graduierungsreden an renommierten amerikanischen Journalismus-Schulen: Barbara Ehrenreich begrüßt die Absolventen der Berkeley’s Graduate School of Journalism: Welcome to a dying industry, journalism grads!. Nicholas Leman stellt bei der Graduierung der Columbia Journalism School fest:

This sudden and dramatic change has generated a big, urgent conversation about the need for a “new business model” for news production. That conversation is important, but it isn’t all-important. There is a subtler but no less pressing need for a different kind of conversation, which will take place in a wider realm, about our purpose—what we do and how we interact with other elements in society.

Ich verfolge die Diskussionen über den Journalismus in den USA seit Jahren. Trotzdem überrascht mich, wie radikal dort am Ende der Ausbildung alles in Frage gestellt wird, was bisher über den Journalismus gesagt wird. Dabei verstärken sich die Wirtschaftskrise, deren Ausmaß immer deutlicher wird, und das Internet wechselseitig: Journalismus kann sich nicht mehr so finanzieren wie bisher, und zugleich verändern sich seine Rolle und seine Formen radikal. Wer heute Journalist wird, weiß weder, wovon er in Zukunft leben wird, noch wie seine Arbeit aussehen wird.

Barbara Ehrenreich reagiert auf diese Situation mit einer Partisanenmentalität:

As long as there is a story to be told, an injustice to be exposed, a mystery to be solved, we will find a way to do it. A recession won’t stop us. A dying industry won’t stop us. Even poverty won’t stop us because we are all on a mission here. That’s the meaning of your journalism degree. Do not consider it a certificate promising some sort of entitlement. Consider it a license to fight. In the ’70s, it was gonzo journalism. For us right now, it’s guerrilla journalism, and we will not be stopped.

Das ist glänzend formuliert, klingt aber essentialistisch, als gäbe es ein gleichbleibendes Wesen des Journalismus. Guerilla-Journalismus mag die Antwort auf die Krise sein, aber Guerilleros kämpfen mit anderen Zielen als übliche Soldaten; sie brauchen eine Bevölkerung, die sie trägt und enden als Attrappen, wenn sie sich für regulär ausgeben.

Mit gefällt Lemans gelassenere, aber radikalere Haltung besser. Journalismus ist neu zu definieren:

You will not only have to reinvent journalism, you will also have to reinvent the conversation about journalism, making it less internal to the profession, and more interactive with the rest of society. That’s an enormous job; I wonder whether any generation of journalists has had a more momentous mission than yours. But, to me, and I hope to you too, it sounds like fun.

Wie verhalten wir uns hier in dieser Situation? Wer glaubt, dass uns diese Krise erspart bleiben wird?