Wir arbeiten jetzt seit zwei Wochen mit dem Social Media Classroom. Wir benutzen ihn für zwei Lehrveranstaltungen (PR im Web, Webbasiertes Arbeiten) als Content Management System und als einen virtuellen zusätzlichen Unterrichtsraum. An den Kurs über webbasiertes Arbeiten gekoppelt ist eine Schreibwerkstatt, in der einige der behandelten Tools gleich verwendet werden können. In der Veranstaltung zum webbasieren Arbeiten soll eine von den Studenten gepflegte Wissensbasis entstehen; abgesehen von 7 Rahmenthemen bestimmen die Studierenden selbst, was sie lernen wollen; für die Note wird bewertet, was und wie sie zur Wissenbasis beitragen, nicht was sie individuell als Wissen in einer Prüfung demonstrieren können. Das Wissen der Lehrenden wird also als Ressource genutzt, die inhaltliche Steuerung ist aber Sache der Studierenden.

Es ist natürlich viel zu früh für eine Einschätzung, ob dieses Konzept funktioniert. Die Studenten brauchen zuerst (wie ich auch) eine Zeit, um das Konzept zu verstehen und mit der Technik umgehen zu können, und diese Einarbeitungsphase ist nicht einmal abgeschlossen. Eine ganze Reihe der Studenten haben gesagt, dass es ungewohnt für sie ist, die verschiedenen Tools, die im Social Media Classroom zusammengefasst sind (Wikis, Blogs, Social Bookmarks, Foren und Chat) zusammen zu benutzen, obwohl sie meisten von ihnen einzeln kennen und verwenden. Gestern hatten wir die ersten Themenpräsentationen durch Studenten in der gesamten Gruppe; dabei hat mich überrascht, wie engagiert sich die Studenten mit den Inhalten beschäftigt haben. Ich bin schon nach dieser Sitzung ziemlich sicher, dass sich die eher technischen Themen (die für eine Reihe der angehenden Kommunikatoren und Journalisten fremd sind) so besser vermitteln lassen als im Lehrervortrag.

Die eigentliche Schwierigkeit liegt, glaube ich, darin, in der Lehre eine Community of Practice aufzubauen. Das wäre leichter, wenn wir an unserem Studiengang bereits eine solche Community wären, in die die neuen Studenten hineinwachsen könnten. Das PolitCamp im letzten Jahr war für viele Studenten ein Initiation, bei der sie erlebten, wie in einer Gruppe von Leuten kommuniziert wird, die mehr oder weniger alltäglich im Web Wissen untereinander austauschen. Wir müssen uns im Studiengang mehr als offene Gruppe verstehen und organisieren, in der der Wissensaustausch (intern und extern) selbstverständlich ist.

Ich kann das leider in dieser Anfangsphase nur so vage andeuten; die Vorstellungen von Studenten wie Luca und Michael, dazu, wie Kommunikation an einer Hochschule gelehrt und gelernt werden kann, gehen wohl in dieselbe Richtung. Im Augenblick kreieren wir im Unterricht die Community of Practice, in die der Unterricht einführen soll. Das ist ein spannender Prozess, der sich schon jetzt auch auf die Kommunikation unter den Lehrenden auswirkt. Zum ersten Mal arbeiten wir spontan als eine Gruppe, die sich um mehrere Lehrveranstaltungen zugleich kümmert. Ich habe auch den Eindruck, dass wir die Querverbindungen zwischen verschiedenen Lehrveranstaltungen noch nie so gut als ein zentrales Element des Unterrichts verstanden haben.

Heute beginnt bei uns die Lehrveranstaltung Webbasiertes Arbeiten 2. Wir wollen dabei zum ersten Mal den Social Media Classroom verwenden, der im vergangenen Jahr zuerst für den Unterricht Howard Rheingolds entwickelt wurde. (Wir benutzen den Social Media Classroom bei demselben Jahrgang auch für eine Einführung in die Online-PR.) Dabei versuchen wir, in den Web-bezogenen Lehrveranstaltungen mit einem Team von Lehrenden zu arbeiten, das selbst Teil der learning community ist, die entstehen soll.

Wir wollen uns in diesem Semester auf sieben Themen konzentrieren; vorausgegangen ist eine Einführung in einige Aspekte des Webs, vor allem das Schreiben von HTML, im vergangenen Semester. Ich überlege gerade zum letzten Mal, ob die Auswahl der Themen für das Semester stimmt. Die Studenten werden zu jedem Thema ein Team bilden, das wichtige Inhalte der ganzen Gruppe präsentiert. Darauf soll sich dann die ganze Gruppe mit dem Thema beschäftigen, jede Studentin wird zu jedem Thema zweimal im Lauf des Semesters wenigstens einen Wiki- und einen Blogbeitrag verfassen, der die „knowledge base“ des Social Media Classrooms erweitert. Wichtig ist, dass in der ersten Phase der Arbeit (nach der ersten Präsentation des Themas) von der Gruppe Fragen formuliert werden, die dann nach Wichtigkeit bewertet werden. Im Lauf des Semesters sollen die wichtigsten dieser Fragen beantwortet werden. Die Studierenden können ihre Arbeitsergebnisse in Übungen diskutieren, und sie sollen ihren eigenen Lernfortschritt in Blogposts dokumentieren und reflektieren. Inhaltlich sind sie — abgesehen von der Auswahl der Rahmenthemen — frei; auch für einen großen Teil der Vermittlung sind sie im Sinne des Lernens durch Lehren selbst verantwortlich, wobei die Lehrenden die Teams unterstützen und ihr eigenes Wissen so umfassend wie möglich zur Verfügung stellen. (Das didaktische Konzept für diese Veranstaltung hat vor allem Anastasia Sfiri entwickelt, und ich bin gespannt, ob es funktioniert.)

Folgende Themen sollen behandelt werden:

  1. Browser und Browsererweiterungen (wichtige aktuelle Browser, auch auf mobilen Plattformen; Flash und Silverlight; Browser und Web-Applikationen)

  2. Newsfeeds und Aggregation (RSS und Atom, Erweiterungen, Mashups/aggregierte Feeds aus verschiedenen Quellen, Life Streams)

  3. Wikis und kollaboratives Arbeiten im Web (Zweck von Wikis, Wiki-Markup, Strukturierte Information in Wikis)

  4. Mindmaps und Note Taking (Basics, Open Source-Tools, Mindmaps als Präsentationsmittel, Organisation von Schreibprozessen mit Notiz-Tools, Online-Bibliographieren)

  5. Cascading Stylesheets (Grundlagen, Design von HTML-Fragmenten, Layouts mit CSS)

  6. Präsentationen im Web (Publikation von Präsentationen im Web, Tools zum Erstellen von Präsentationen im Web, webbasierte Präsentationsformate wie S5)

  7. Suchmaschinen (Syntax, spezialisierte Suchmaschinen, Echtzeit-Suche, Suchstrategien)

Ich hoffe, dass diese Auswahl die wichtigsten praktischen Arbeitsmittel für den textorientierten Web Worker umfasst (einiges, z.B. Blogging, Microblogging, Social Bookmarking, HTML-Authoring mit Markdown, wurde schon im ersten Semester behandelt). Gibt es Alternativvorschläge, Ergänzungen oder Modifizierungen? Ich wäre für eine Diskussion sehr dankbar, und hoffe da natürlich auch auf die Studenten. Zwei große Lücken sehe ich jetzt schon: Einerseits das Verhaltenslayer von Webdokumenten, also alles, was mit JavaScript und Ajax zusammenhängt, und andererseits Editoren. JavaScript und Co. muss ich wohl im folgenden Semester unterbringen; auf Editoren kann ich vielleicht im Lauf der Arbeit und bei der Betreuung der einzelnen Teams eingehen.

Der Workshop in Rostock hat mich auch interessiert, weil ich mich frage, wie man den besonderen akademischen Charakter des Studiengangs beschreiben kann, an dem ich arbeite. In welchem Verhältnis steht die praktische Ausbildung von Journalistinnen und Kommunikatoren an einer Hochschule zur wissenschaftlichen Ausbildung? In der kurzen Zeit in Rostock habe ich einen Einblick in die Kommunikations- und Argumentationkultur des Kollegs erhalten: Zu ihr gehört eine sorgfältige Reflexion des eigenen Vorgehens vor dem Horizont der Methodendiskussionen in den Geisteswissenschaften in den letzten Jahrzehnten.

Die Rostocker Studierenden stellten während des Kolloquiums eigene mediale Prduktionen vor — eine Ausstellung, Websites und ein Magazin, also die Ergebnisse von Ausflügen in das vor- und außerakademische Terrain. Wenn ich es richtig sehe,haben die meisten von ihnen die mediale Reflexion ihrer Dissertationsthemen als Ergänzung ihrer wissenschaftlichen Arbeit verstanden, in der sie sich mit Aspekten ihres Themas beschäftigen konnten, die sie in ihren Dissertationsvorhaben ausklammern müssen. Wäre es sinnvoll, wenn diese Stipendiaten auf eine professionelle Medienproduktion vorbereitet würden, also z.B. Veranstaltungen zur Konzeption von Websites oder zum Magazinjournalismus besuchen würden? Und wäre es sinnvoll, wenn wir unsere Studierenden zu einer Reflexion ihrer Methoden anhalten würden, die sie auf eigene geisteswissenschaftliche Publikationen vorbereiten würde?

Ich habe neulich versucht, die Ausbildung von Kommunikatoren an einer Fachhochschule deutlich von einer wissenschaftlichen Ausbildung zu unterscheiden; Thomas Pleil hat meiner Argumentation in einem Kommentar widersprochen, dem ich wiederum in Vielem nicht widersprechen würde. Der Hintergrund für mein Post war, dass wir an unserem Studiengang den Studenten noch nicht genug praktisches Schreiben und Kommunizieren beibringen; es ging mit nicht so sehr um die wissenschaftliche Fundierung der Lehre. Dabei bedeutet übrigens Wissenschaft speziell an unserem Studiengang einerseits empirisches sozialwissenschaftliches Arbeiten: im Kleinen das, was ein Christoph Neuberger in seinem Institut konsequent und sehr anspruchsvoll betreibt, und andererseits eher interpretierendes, textorientiertes geisteswissenschaftliches oder kulturwissenschaftliches Arbeiten: im Kleinen das, was an dem Rostocker Graduiertenkolleg konsequent betrieben wird.

Durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge werden die Pakete, die wir schnüren können, kleiner, und es ist noch wichtiger, sich über das Verhältnis von wissenschaftlichen und praktischen Inhalten Gedanken zu machen. Diese Umstellung macht es aber gleichzeitig auch noch wichtiger, das Verhältnis zu anderen Studiengängen zu klären. Ein Ziel der Umstellung ist es ja, dass die Studenten ihren Bachelor und ihren Master an verschiedenen Hochschulen machen können. Für uns stellt sich damit die Frage, welche Masterstudiengänge unsere Bachelor-Studenten besuchen können sollen, und ob und wo unsere zukünftigen Master-Studenten das Doktorat erwerben können. (Unser Bachelor hat gerade begonnen; das Curriculum lässt uns einige Spielräume; die Duchlässigkeit von Fachhochschulstudiengängen zu den Universitäten ist ein offenes Problem.)

Unabhängig von einer wissenschaftlichen Disziplin verlangen die Berufe, auf die wir vorbereiten, Kompetenzen, die zur wissenschaftlichen Arbeit gehören: methodisches Vorgehen, Fähigkeit zur Kritik und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Wichtig ist vor allem, dass die Studenten wissenschaftliche Ansprüche an die Begründbarkeit von Aussagen kennenlernen und sich aneignen. Nicht gut nachvollziehen kann ich die Idee, dass wir angewandte Journalistik und PR unterrichten. Könnte man das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis nicht eher analog zum Theater sehen? Die Ausbildung von Schauspielern und Regisseuren ist nicht angewandte Theaterwissenschaft. Aber für ein sich selbst reflektierendes Theater sind die Ergebnisse der Theaterwissenschaft (und anderer Humanwissenschaften) wichtig; wenn man Regisseure ausbildet, wird man sie berücksichtigen.

Vielleicht kann man es so formulieren: Unsere Studierenden sollten lernen, mit Ergebnissen der kommunikationswissenschaftlichen Forschung kompetent umzugehen. Dazu gehört ein Einblick in wissenschaftliche Methoden, der am besten durch eigene propädeutische Arbeiten gewonnen werden kann. Dazu gehört, dass sie von Lehrern unterrichtet werden, die selbst wissenschaftlich arbeiten. In der PR/Unternehmenskommunikation ist es außerdem sinnvoll, dass sie wissenschaftliche Verfahren kennenlernen, die sich in ihrem Beruf z.B. zur Messung des eigenen Erfolgs benutzen können. Sie werden aber in einem praktisch orientierten Bachelor-Studium wissenschaftlich nicht das Niveau erreichen können, das ein geistes- oder sozialwissenschaftliches Studium vermittelt — während sie als Journalisten oder Kommunikatoren nach einem Bachelor-Studium zu produktiver professioneller Arbeit in der Lage sein sollten.

Das bedeutet, dass unsere Bachelor-Absolventen weniger gut als Bachelor-Studenten einer Universität auf ein wissenschaftlich ausgerichtetes Masterstudium vorbereitet sind — so wie umgekehrt Bachelor-Absolventen von der Uni nicht die praktischen Kenntnisse mitbringen werden, die sie für ein Masterstudium bei uns benötigen. Die Unterschiede lassen sich nur durch Zusatzangebote ausgleichen. Am einfachsten wäre es, dass Fachhochschulen und Universitäten Veranstaltungen für Studierende der anderen Einrichtung öffnen; Studenten von uns, die bestimmte Zusatzveranstaltungen an der Uni besucht haben, könnten dann ein Masterstudium an der Universität besuchen und umgekehrt. (Das hört sich leicht an, aber angesichts der Durchbürokratisierung der Hochschulen dürfte es ziemlich schwierig sein, ein solche Vorhaben umzusetzen.)

Noch einmal anders ausgedrückt: Ziel unserer Ausbildung sind kommunikative/persuasive Kompetenzen, die wissensbasiert und auch wissenskontrolliert sein sollten. Die wissenschaftliche Orientierung der Ausbildung soll sicherstellen, dass die Studierenden lernen, Wissen zu vermitteln (also erkennen können, was es wert ist, vermittelt zu werden) und dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse benutzen können, um ihre eigenen kommunikativen Fähigkeiten zu erweitern. Auf der ersten Ebene sollten sie zum Beispiel dazu in der Lage sein, Fachleute zu einem bestimmten Thema zu identifizieren und zu befragen; auf der zweiten Ebene dazu, wissenschaftliche Studien zu Journalismus und PR zu verstehen und für ihre Arbeit zu übersetzen.

(Anmerkung: Ich komme erst heute, am 3.3., dazu, den Beitrag zu publizieren.)

Am Dienstag hatte ich in Münster ein Gespräch mit Christoph Neuberger. Ein Thema war die Durchlässigkeit zwischen Studiengängen an Fachhochschulen und Universitäten. Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen, dass ich vielleicht darüber blogge, deshalb hier nur eine Überlegung, die sich an das Gespräch anschließt, und mit der ich noch nicht fertig bin. Deutlicher als vor dem Gespräch sehe ich die Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen bei den Kommunikationsfächern, also Kommunikationswissenschaft, Zeitungswissenschaft oder Journalistik auf der einen Seite, Journalismus, PR oder Unternehmenskommunikation auf der anderen.

Christoph Neuberger steht für eine exzellenz-orientierte akademische Forschung, eine wissenschaftliche Arbeit auf höchstem Niveau. Das Studium der Kommunikationswissenschaft in Münster hat verhältnismäßig wenig praktische Komponenten; wesentlich wichtiger ist es die Einführung in eine methodisch saubere sozialwissenschaftliche Forschung. Für ein Institut wie das in Münster wird — jenseits der Lehre — die Beteiligung an Großforschungsprojekten immer wichtiger; sie sichert die Reputation des Instituts wie der Universität insgesamt.

Das ist von der Arbeit an einem Fachhochschulstudiengang, und ich glaube: auch von den Aufgaben einer Fachhochschule, weit entfernt. Wir bilden Leute für ein konkretes Berufsfeld aus, dazu brauchen sie praktische Fähigkeiten (z.B. schreiben, publizieren im Web), kommunikative Kompetenzen (z.B. recherchieren, moderieren, komplexe Zusammenhänge erklären) und die Fähigkeit zu Reflexion und Innovation (ein weiteres Thema unseres Gesprächs), aber nur bedingt, wenn überhaupt, einen wissenschaftlichen Zugang z.B. zum Journalismus.

Um es sehr allgemein zu formulieren: Man kann nicht beides leisten, eine gute Vorbereitung auf die Wissenschaft und eine gute praktische Vorbereitung auf Kommunikationsberufe. Ich hatte schon bisher ein Unbehagen dabei, wenn von wissenschaftlichen Arbeiten gesprochen wird, mit denen bei uns das Studium abgeschlossen wird. Dieses Unbehagen wächst, weil wir da nicht in der Liga spielen, die interessant ist. Wir sollten auf einer Fachhochschule nicht halbherzig Wissenschaft nachahmen, sondern entschlossen auf die praktische und kommunikative Seite der Ausbildung setzen. Nur dort ist für uns Exzellenz erreichbar. Einen akademischen Anspruch können wir nicht mit Wissenschaftlichkeit begründen, sondern dadurch, dass wir experimentell und innovativ arbeiten und im Freiraum der Hochschule Ideen und Formate entwickeln.

Weil wir uns von den Universitäten deutlich unterscheiden, ist der Dialog mit der Forschung für uns wichtig. Aber in diesen Dialog müssen wir eigene Perspektiven einbringen; wir haben besondere Möglichkeiten, wissenschaftliche Diskurse von außen wahrzunehmen und auf sie zu antworten. Gerade in Bezug auf das Web gibt es eine Fülle von Themen für Dialoge, denn dort gibt es weder eine etablierte akademische Tradition noch fertige und erprobte Konzepte für die praktische Ausbildung. Ich hoffe, dass wir Foren für solche Dialoge finden.

Christiane Schulzki-Haddouti benennt fünf Kernkompetenzen von Journalisten:

  1. Recherche und Monitoring;
  2. Die Erschließung und einfache Darstellung komplexer Zusammenhänge;
  3. Trends erkennen und verständlich visualisieren, kontextualisieren, vertonen, vertexten;
  4. Dialog und Moderation: Einen Diskurs, einen Dialog zwischen verschiedene Interessensgruppen anregen und moderieren;
  5. Aufmerksamkeit generieren, Publizität herstellen, Veröffentlichungsprozesse beherrschen.

Man kann die ersten vier dieser Kompetenzen zwanglos den Bausteinen des Online-Journalismus zuordnen, von denen Jeff Jarvis spricht (Nr.2 und Nr. 3 muss man dazu vertauschen):

  1. Kuratierte Aggregation von Quellen;
  2. ein Blog, dass die Geschichte nicht als Produkt, sondern als Prozess begreift;
  3. ein Wiki mit einer Momentaufnahme des vorhandenen Wissens
  4. Diskussion und Vernetzung mit laufenden Diskussionen über ein Thema.

Die fünfte Kompetenz, das Generieren von Aufmerksamkeit, basiert im Web ebenfalls auf Verlinkungen, so dass sich aus beiden Listen zusammen ein Kompetenzprofil des Linkjournalismus oder Online-Journalismus zusammenstellen lässt.

Ich habe damit begonnen, ein Spreadsheet aus beiden Listen zu erstellen, und durch die entsprechenden persönlichen Fähigkeiten und technischen Tools/Skills zu ergänzen.

Die Listen habe ich schon etwas erweitert; ich möchte die Tabelle zur Selbstverständigung und zur Diskussion der Kompetenzen benutzen, die wir am Studiengang vermitteln. Ich habe mich bewusst auf Online-Journalismus beschränkt; ich glaube, dass die Kompetenzen der Journalisten für Offline-Medien sich daraus ableiten lassen. Ich gehe davon aus, dass sich die Kompetenzen von Fachleuten für Online-PR (die wir an unserem Studiengang ebenfalls ausbilden) nicht von diesen Kompetenzen unterscheiden; Journalistinnen und PR-Leute brauchen zusätzlich natürlich noch ein berufsspezifisches institutionelles Wissen.

Es handelt sich um einen ersten Versuch. Das Dokument lässt sich unter diesem URL von Benutzern editieren, die bei Google eingeloggt sind.

An unserem Studiengang kommt es immer wieder zu Diskussionen über die Zukunft des Journalismus. Dabei geht es auch um unser zukünftiges Masterprogramm. Ich bin dafür, auch darin Journalisten auszubilden und das auch öffentlich deutlich zu machen, so wie wir es jetzt im Bachelorstudiengang tun.

Für unsere Hochschule ist die Frage, wie wir es mit dem Journalismus halten, zentral. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, dass ich als Evangelist der sozialen Medien den Journalismus für tot halte. Das Gegenteil ist der Fall. Meine Position möchte ich in einigen plakativen, provisorischen und persönlichen Thesen beschreiben. Ich werde an ihnen weiterarbeiten und hoffe auf eine Diskussion.

  1. Apokalyptische Schemata und revolutionäre Rhetorik sagen mehr über ihre Urheber aus als über die Wirklichkeit. Entwicklungen in komplexen Systemen lassen sich grundsätzlich nicht voraussagen. Wer über die Medien in der Zukunft spricht, und meint, er könne seine Aussagen verifizieren, ist bestenfalls ein Scharlatan.

  2. Der Journalismus endet nicht, weil die Verlage sterben. Die Geschäftsmodelle der Verlagsbranche sind in einer Krise. Verlage haben immer davon gelebt, Inhalte zu kaufen oder zu erstellen, Träger für diese Inhalte zu reproduzieren und sie zu distribuieren. Dieses Modell ist für digitale Inhalte obsolet. (Damit ist aber nicht gesagt, dass es nicht auch Inhalte geben wird, die weiterhin auf Papier verteilt werden.) Viele Verlage und Medienhäuser bewegen sich auf einer Todesspirale: Einnahmeverluste lassen die Qualität sinken und umgekehrt. Dass mit dieser Krise der Journalismus aufhört, ist so unwahrscheinlich, wie dass die Krise der großen Plattenlabels zum Untergang der Popmusik führt — auch wenn die Labels das behaupten.

  3. Journalismus im Web findet verteilt und dezentral statt. Das Web vernetzt Menschen und Medien: Wenn alles mit allem verknüpft werden kann, entwickeln sich die Knoten am besten, die für die anderen Knoten wichtig sind und sich intelligent mit ihnen verbinden.

  4. Unsere Kultur wird auf den Journalismus so wenig verzichten wie auf die Wissenschaft oder die unabhängige Rechtsprechung. Journalismus dient im Kern dazu, unbeeinflusst von Interessen über aktuelle Ereignisse zu informieren; dazu haben sich eine Reihe von Methoden, Techniken und Praktiken entwickelt. Kulturell sind sie vergleichbar mit anderen Methoden der Wahrheitsfindung im Rechtssystem, in der Philologie und Historiographie oder in den Naturwissenschaften. (Ich bin vielleicht naiv, aber wie Tim Bray glaube ich an die Wahrheit. Ich bin davon überzeugt, dass die Bedeutung eines Satzes in seinen Wahrheitsbedingungen besteht.)

  5. Die journalistischen Recherche- und Verifikationsmethoden verändern sich radikal. Immer mehr Informationen sind öffentlich zugänglich; Journalistinnen können (und sollen) publizieren, wie sie zu ihren Aussagen kommen; Newsrooms werden transparent arbeiten, wenn sie in einer vernetzten Öffentlichkeit eine Chance haben wollen. Journalismus hängt immer mehr von Daten ab und muss mit Daten umgehen. Diese Veränderungen bedeuten für den Journalismus Chancen auf größere Aktualität, mehr Kontext, direkteren Zugang zu Quellen, also zu größerer Qualität. Die Grundlagenkrise wird den Journalismus so wenig umbringen, wie Grundlagenkrisen in der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts zum Ende der Physik geführt hat.

  6. Die Gesellschaft wird mehr und nicht weniger Journalismus brauchen. Je mehr die Gesellschaft zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft wird, desto größer wird der Bedarf nach verlässlicher Information. Das Leben von immer mehr Menschen hängt davon ab, dass sie nicht nur über Politik, sondern auch über Entwicklungen in der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien informiert werden. Je mehr Firmen und Organisationen auf Kommunikation angewiesen sind, desto wichtiger werden neutrale Informationsquellen. Wenn journalistische Qualität weniger von Unternehen (Verlagen) finanziert wird, wird der gesellschaftliche Druck wachsen, die anders zu ermöglichen, z.B. im öffentlich-rechtlichen System und durch Non-Profit-Organisationen und NGOs.

  7. Es entwickeln sich neue Geschäftsmodelle und Berufsbilder. Es gibt viele Beispiele dafür, dass journalistische Kompetenz im Web erfolgreich vermarktet werden kann, von der Sportberichterstattung bei adrivo bis zu einem Branchenmagazin wie turi2. Zum Erfolg gehört es dabei, die Vorteile des Webs zu nutzen und auf eine überflüssige materielle Infrastruktur zu verzichten.

  8. Journalistische Kompetenz wird mehr und mehr außerhalb der traditionellen Berufsfelder gefragt werden. Jeder Mensch und jede Organisation kann im Web selbst publizieren. Blogs, Microblogs und Wikis haben bereits einen blühenden Mikrojournalismus hervorgebracht. Erfolg mit solchen Publikationen ist auch eine Sache journalistischer Kompetenz. Journalisten sind deshalb immer mehr auch als Vermittler und Pädagogen gefragt. Dass jeder journalistisch arbeiten kann, bedeutet aber nicht, dass es keine professionellen Journalisten mehr geben wird. Die professionelle Fotografie ist nicht untergegangen, weil sich jeder Mensch eine Kamera leisten kann.

  9. Öffentlichkeitsarbeit und PR werden sich nicht weniger radikal verändern als der Journalismus. Aus der Krise in der Medienbranche kann man nicht schließen, dass es sinnvoller sei, für PR und Unternehmenskommunikation auszubilden. PR, die sich auf die klassischen Medien verlässt, wird weniger wichtig werden, wenn diese Medien zu Randphänomenen werden. Gerade in der Organisations- und Unternehmenskommunikation ist aber journalistische Kompetenz gefragt, und dabei wird es sich immer mehr die Kompetenzen handeln, die Robert Scoble „Journalismus Plus“ nennt.

  10. Erfolgsfaktoren für Journalistinnen sind Medien- und Netzwerkkompetenz und Wissen auf einem Fachgebiet. Durch das Web sinkt die Bedeutung von materieller Infrastruktur und hierarchischer Organisation. Inhaltlich kompetente Menschen können direkt die Öffentlichkeit und die Medien erreichen. Noch mehr als bisher wird der Erfolg eines Journalisten damit von seiner fachlichen Kompetenz und seiner Fähigkeit abhängen, sich eine persönliche Marke aufzubauen. Wie und wie gut so etwas funktionieren kann, zeigen in unserer Region Georg Holzer oder Norbert Mappes-Niediek.

Ich kommentiere hier einen Artikel in der Kleinen Zeitung, dem meinungsbildenden Print-Organ in der Steiermark: Vollath will sich von FH-Rektor trennen. Es ist mir nicht gelungen, ihn auf der Site der „Kleinen“ zu kommentieren: Die Regelung des Logins kommt mir ähnlich wirr vor wie die Berichterstattung in dieser Sache.

[…]

Der Text ist ist unverständlich, kein Leser kann begreifen, um was es geht. Tatsache ist: Die Bildungslandesrätin der Steiermark will sich vom Rektor der FH Joanneum trennen. Dafür gibt es, so weit ich es als Lehrender an der FH und als Mitglied des Kollegiums weiß, verschiedene Gründe. Sie hängen mit der Amtsführung des Rektors zusammen, und mit seiner Loyalität zur „politischen Führung“.

Die Öffentlichkeit wird zur Zeit von allen interessierten Seiten manipulativ informiert. Die Kleine Zeitung macht sich zum Instrument. Sie hat gestern Indiskretionen aus dem Aufsichtsrat der FH kolportiert, die offenbar die Position des Rektors bei den Verhandlungen über eine Vertragsaufösung schwächen sollen. Sie bringt heute ein Interview mit dem Rektor, das PR-Zwecken dient, und politische Stellungnahmen (Fluch, Lechner-Sonneck), die parteipolitisch motiviert sind.

Die FH braucht dringend einen Neuanfang. Ihr guter Ruf ist nicht von den Mitarbeitern, den Lehrenden und Studierenden gefährdet worden, sondern von Provinzpossen in der politischen und administrativen Führung. Das Wichtigste für die FH ist jetzt Unabhängigkeit von politischen Einflussnahmen und eine offene (und öffentliche) Diskussion der Zukunft. Sie kann — das ist meine persönliche Meinung — mit dem jetzigen Rektor nicht gelingen; er hat keinerlei Initiative zur Weiterentwicklung der Hochschule gezeigt. Sie wird auch nicht gelingen, wenn die FH weiter politisiert geführt wird. Die FH muss ihre Position im Wettbewerb europäischer Bildungseinrichtungen behaupten, nicht in steirischen Landtagswahlkämpfen.

Als Mitarbeiter der FH appelliere ich an alle Verantwortlichen und vor allem an die Öffentlichkeit — denn die Hochschule wird vom Steuerzahler finanziert: Stellen Sie sicher, dass sich die FH an akademischen Kriterien orientiert und machen Sie sie nicht noch länger zum Spielball politischer und persönlicher Interessen. Die Studierenden, die Lehrenden und die Steuerzahler haben Besseres verdient!

(Anmerkung, 13.4.2010: An der durch Auslassungszeichen gekennzeichneten Stelle habe ich einen Link auf die PDF-Version des Artikels in der Kleinen entfernt.)

In dem Kollegium, zu dem ich gehöre, gibt es keinen Konsens über Blogs und das Bloggen. Leider gibt es auch keinen Konsens darüber, wie und wie weit man Dissens publizieren kann/darf/soll, und es gibt auch keine Übereinstimmung darüber, wie Lehrende und Studiengang auf kritische Äußerungen in studentischen Blogs reagieren sollen. Ich vertrete selbst den Standpunkt, dass man über andere bis auf Ausnahmen nur publizieren darf, was diese auch selbst publizieren oder publizieren wollen, also kann ich mich hier mit solchen Äußerungen und Positionen nur schwer auseinandersetzen. Andererseits möchte ich nicht darauf verzichten, meinen Standpunkt zu vertreten, auch und gerade in Blogs. Nicht nur, aber auch, weil ich Studierende zum Bloggen anrege und das auch weiterhin tun werde.

Wenn Leute wie Michael Thurm und Jochen Hencke, die bei mir studieren, Posts (1, 2) zu unserem Studiengang publizieren, in denen es unter anderem um das Bloggen und die Grenzen des Bloggens geht, kann ich als Lehrender, der dieses Thema im Unterricht behandelt, nicht dazu schweigen — sonst steht, was ich praktiziere, in Widerspruch zu dem, was ich lehre. Einfacher ausgedrückt: Als akademischer Lehrender für Web Publishing halte ich mich nicht nur für berechtigt, sondern für verpflichtet, zu Blogposts von Studierenden Stellung zu nehmen, in denen es um das Publizieren von Blogposts über unseren Studiengang geht.

Ich werde mich an folgenden Grundsätzen orientieren:

  1. Kritik am Verhalten von Personen gehört nicht in ein öffentliches Weblog, es sei denn, das Verhalten ist Teil ihrer öffentlichen Tätigkeit.

  2. Öffentlich gemachte Aussagen können öffentlich zitiert, diskutiert und verlinkt werden. Wenn ich in meinem Blog auf eine Aussage z.B. in einem Studenten-Blog verweise, nehme ich Stellung zu dieser Aussage und nicht zu kompletten Posts und ihren Kommentaren.

  3. Kritik an einem Studiengang ist öffentlich möglich. Tatsächlich agieren wir durch Uni-Rankings, Diskussionen in Social Networks und Blogs ohnehin mehr oder weniger öffentlich. Als Lehrende müssen wir die Studierenden auch (nicht nur) wie Kunden behandeln; wir können Kunden nicht verbieten, im Web über unsere Leistungen zu sprechen.

  4. An unserem Studiengang, der sich mit Kommunikation und Webkommunikation beschäftigt, wäre es absurd, Kritik in Weblogs oder irgendwelchen anderen Online-Foren zu unterbinden.

  5. Posts und Kommentare können nur ernst genommen werden, wenn sie namentlich gezeichnet sind. Wer anonym schreibt, entzieht sich der Konversation und dem Dialog, die er zu führen vorgibt.

Zum Anlass der Einträge Michael Thurms und Jochen Henckes: Eine Person innerhalb unseres Kollegiums hat intern wegen einer Äußerung in einem Kommentar des Blogs von Michael Thurm mit juristischen Maßnahmen gedroht. Nach einer Rüchfrage hatte ich den Eindruck, dass diese Drohung ernst gemeint war, und habe Michael informiert, um ihm die Möglichkeit zu geben rechtzeitig zu reagieren. Wie Michael in seinem Blog schreibt, ist inzwischen klar, dass es keine Klage befürchten muss. Aber allein die Möglichkeit rechtlicher Schritte durch einen Lehrenden hat bei bloggenden Studierenden erhebliche Unruhe ausgelöst. Von Anfang an war allerdings klar, dass hier nicht das Kollegium oder der Studiengang über Maßnahmen nachgedacht hat.

Ich bin kein Jurist, und ich lehne es auch ab, Auseinandersetzungen wie diese vor allem auf einer juristischen Ebene zu führen. Die Formulierung, um die es ging, ist verletzend (auch für mich) und lässt sich tatsächlich als Beleidigung verstehen. Allerdings dürfte die Betroffenheit begrenzt gewesen sein, denn keiner meiner Kollegen hat in den drei Monaten, die seit diesem Kommentar vergangen sind, den Betreiber des Weblogs um eine Korrektur, eine Stellungnahme oder eine Löschung gebeten. Im Grunde handelt es sich um eine Formulierung, die man am besten ignoriert — zumal sie anonym gepostet wurde. Schade ist, dass der Eintrag, zu dem sie gehört, nach wie vor weder in Blogs noch in einem anderen Forum des Studiengangs angemessen diskutiert wurde, er hätte es verdient.

Im Grunde ist diese ganze Auseinandersetzung oder Nicht-Auseinandersetzung ein Zeichen für Dialogunfähigkeit. Ich kann an meine Kollegen nur appellieren — und ich weiss, dass ich damit einen Dissens öffentlich austrage: Nutzt Kommunikationsmittel wie Weblogs, kommentiert in ihnen oder schreibt selbst welche! Es ist eine Illusion zu glauben, sie würden wieder verschwinden. (Es ist auch eine Illusion zu glauben, der Hochschulunterricht werde sich durch die Online-Medien nicht radikal verändern.) Gerade unser Studiengang wird immer mehr daran gemessen werden, wie transparent er ist.

Von den Studierenden erwarte ich, dass sie zwischen der allgemeinen, sachlich-methodischen Ebene, die öffentlich diskutiert werden muss („Wie soll bei uns unterrichtet/gelernt werden?“), und der Kritik am Verhalten von Personen unterscheiden. Die Kritik an persönlichem Verhalten gehört nicht in die Öffentlichkeit des Webs, wenn nicht alle Beteiligten zustimmen. Sie gehört allerdings in die Öffentlichkeit des Studiengangs, wenn dieses Verhalten sich auf den ganzen Studiengang auswirkt.

Einige meiner Kollegen werfen Studierenden, die Kritik in Blogs äußern, vor, dass sie die Kritik nicht persönlich vorbringen. Ich glaube, dass dahinter ein grundsätzliches Missverständnis von Blogs und sozialen Medien steht: Sie sind nicht ein Ersatz für persönliche Kommunikation, sondern eine Erweiterung. Sie ermöglichen andere, z.B. mehrstimmigere und ausgedehntere Dialoge, als sie in der face-to-face-Kommunikation möglich sind. Öffentlichkeit ist dabei weniger ein Ziel als ein Mittel, um etwa noch mehr Teilnehmer zu gewinnen (allerdings ein Mittel, dessen Konsequenzen berücksichtigt werden muss; Blogs sind eben nicht nur privat). Zu verlangen, man solle auf sie verzichten und stattdessen mündlich kommunizieren, ist letztlich eine Forderung nach Einschränkung der Kommunikation und hat für mich — da Blogs eine schriftliche Kommunkikationsform sind — auch etwas von der barbarischen Abwehr der indirekten, schwierigen oder mittelbaren schriftlichen Kommunikation (womit ich die Kritiker des Bloggens nicht zu Barbaren erklären will!).

Leider komme ich im Moment kaum dazu zu bloggen; vor allem weil ich mit der Neufassung eines Forschungsantrags für ein Kompetenzzentrum Webkommunikation beschäftigt bin.

Heute und morgen bin ich auf einer Klausurtagung unseres Studiengangs. Um mich vorzubereiten, habe ich in ein paar Thesen mein derzeitiges Selbstverständnis als Lehrender formuliert. Ich hoffe, sie sind ohne die eigentlich nötigen Erläuterungen nicht zu kryptisch:

  • Der Studiengang ist eine Lerncommunity, in der Wissen ausgetauscht und damit
    erweitert wird.
  • Seine Aufgabe ist es, den Studierenden eine — offene — Toolbox mit Werkzeugen zu vermitteln, um nachhaltige… Dialoge mit der Öffentlichkeit und Stakeholdern (Gerrit Eicker) beginnen und führen zu können. Theorie ist nichts Sekundäres, sondern das Wissen, mit dem man von der eigenen Kommunikation Rechenschaft ablegen kann.
  • Professionelle Kommunikation lässt sich heute nur über einen offenen, experimentellen Zugang vermitteln.
  • Der Kontext, in dem wir Inhalte vermitteln, ist für den Erfolg nicht weniger entscheidend als die Inhalte selbst. Durch diesen Kontext lernen die Studierenden, wie sie weiterlernen.
  • Die wichtigsten Komponenten der Lehre sind die Vermittlung von Techniken, die Analyse von Beispielen und die von Lehrenden und Mitstudierenden unterstützte eigene Praxis.
  • Die Studierenden lernen zu einem großen Teil selbstgesteuert und voneinander. Als Lehrende sollten wir sie dabei unterstützen und nicht ersetzen.
  • Die Möglichkeiten der Vernetzung und die Inhalte, die wir unterrichten, erfordern, dass wir weitgehend öffentlich unterrichten und uns den damit gegebenen Risiken aussetzen.

Ich werde an dieses Thesen weiterarbeiten und sie ausführlich begründen, sobald ich dazu komme. Ich freue mich auf interne und externe Diskussionen, durch die ich sie ergänzen oder revidieren kann.

Und wo fange ich nach vierzehn Tagen Blog-Pause wieder an zu schreiben? Am besten da, wo ich aufgehört hatte. Ich hatte in einem vielleicht zu grundsätzlichen Post überlegt, was ich eigentlich an der Fachhochschule unterrichte oder unterrichten sollte. Eine der Antworten auf dieses Post hat mir besonders gut gefallen: Gerrit Eicker sagt, es gehe darum den Studenten beizubringen, wie sie mit den Mitteln des Web in einen nachhaltigen Dialog mit der Öffentlichkeit und Stakeholdern eintreten.

In den Ferien habe ich viel darüber nachgedacht, worauf ich in meiner Arbeit in Zukunft die Schwerpunkte legen soll. Wenn ich von Gerrits Vorschlag ausgehe, kann ich vielleicht sagen, dass es mir um zwei Dinge geht:

  • Zum einen versuche ich, den Studenten eine Reihe von Tools, Techniken oder Instrumenten zu vermitteln;

  • zum anderen reflektiere ich diese Tools und versuche nach ihren gesellschaftlichen Konsequenzen, ihrem Kontext, ihren gesellschaftlichen Bedingungen zu fragen.

Die Instrumente, die ich versuche zu unterrichten, hängen alle mehr oder weniger mit digitalem Text zusammen. Ich könnte auch sagen: Ich unterrichte Schreiben oder Texten mit den Mitteln des Webs oder: Ich unterrichte wie man mit den Mitteln des Webs nachhaltige Konversationen — um auf Gerrits Formulierung zurückzukommen — in Gang bringt oder fortsetzt. Ich glaube, dass es den Studenten und mir selbst hilft, mich an der Vorstellung von Instrumenten oder Werkzeugen zu orientieren. Damit meine ich nicht in erster Linie Applikationen, die Verwendung einer bestimmten Software oder von bestimmten Formaten, sondern ich meine das Umgehen mit solchen Tools zu bestimmten kommunikativen Zwecken. Vielleicht könnte ich auch sagen: Es geht mir in erster Linie um rhetorische Instrumente. Aber: Diese Instrumente sind nie von der — im weitesten Sinne — Webtechnologie zu trennen. (Ich bin mir grundsätzlich nicht sicher, ob man überhaupt zwischen Sprache als etwas quasi Natürlichem und Technik als etwas Unnatürlichem, Hinzukommenden trennen kann.)

Der zweite Teil meiner Arbeit entspringt noch mehr als der erste meinen persönlichen Interessen; ich glaube aber, dass auch er für die Studenten wichtig ist. Ich gebe aber zu, daß es mir hier vor allem darum geht, selbst zu schreiben, beziehungsweise selbst klare Vorstellungen zu entwickeln. Dabei muß sich zugeben, dass ich nicht einmal genau sagen könnte, welche Funktionen die theoretische Reflexion in diesem Zusammenhang hat. Ich sehe die Gefahr, dass man zu globalen Aussagen über die technische oder sozialer Entwicklung kommt, die letztlich nur eigene Voreinstellungen wiedergeben und im Grunde beliebig austauschbar sind. Mir ist noch nicht klar — aber genau das möchte ich eben herausbringen — welche Rolle zum Beispiel soziologische oder auch den linguistische Theorien in diesem Zusammenhang spielen können.

Wie auch immer: Ich konzipiere meine Arbeit in den kommenden Semestern um diese beiden Themen oder Perspektiven herum. Ich werde zum einem versuchen die verschiedenen Instrumente, von den ich gesprochen habe, genauer zu beschreiben, Möglichkeiten zu Ihrer Evaluierung herauszufinden, Beispiele für ihren guten Gebrauch zusammenzustellen, und Methoden zu entdecken, sie mit den Studenten zu üben. Es ist klar, dass der Werkzeugkasten, mit dem wir hier arbeiten, offen bleibt, dass es immer möglich und notwendig ist, weitere Werkzeuge zu entwickeln. Zum andern werde ich versuchen, möglichst konkret und orientiert an Beispielen theoretisch zu reflektieren, was bei diesen Web-Konversationen eigentlich passiert, was dabei anders ist als bei anderen Formen der menschlichen Kommunikation, beziehungsweise wie sich überhaupt herausfinden lässt, oder wie sich überhaupt beschreiben lässt, was bei dieser Form von Kommunikation passiert. Soweit für heute — ich bin nicht sicher, ob sich diese Überlegungen in ihrer Vagheit nachvollziehen lassen.