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Perfektion ist der Feind der Innovation, sagt Brad Bird. Wäre es anders, würde ich dieses Video nicht veröffentlichen. Ich versuche, eine Linkliste in Form eines Screencasts zu publizieren, Adressaten sind vor allem meine Studenten. Ausgewählt habe ich Beiträge zu Themen des Online-Journalismus, die ich seit dem 1. Mai gesammelt habe. Die Quellenangaben finden sich bei del.icio.us. Produziert habe ich mit ScreenFlow. Bis zum nächsten Mal beschäftige ich mich so gründlich mit der Software, dass ich mich auf die Inhalte der Präsentation konzentrieren kann!

(Aus Versehen habe ich den Elektrischen Reporter als Video bezeichnet; tatsächlich handelt es sich natürlich um einen Video-Podcast, und zwar um einen der besten in deutscher Sprache.)

Wir hatten gestern einen spannenden halben Tag mit Georg Holzer. Issi hat mitgeschrieben, was er über seinen Werdegang und seine Arbeit erzählt hat. (Sie zeigt wieder einmal, wie gut sie live-bloggen kann.)

Gute Journalisten sind Fachleute für ein Gebiet. Georg vermittelt seine Themen authentisch, weil sie ihn interessieren. In der Ausbildung müssen wir das noch mehr berücksichtigen: Die Studenten brauchen Zeit um ihre Themen zu entdecken, und sie brauchen Anregungen. Georg Holzer hat sehr plastisch gezeigt, wie wichtig es ist, bekannte Themen aus neuen, schrägen Perspektiven zu sehen. Sein Beispiel war die Verbindung von Tankstellen und Kultur. Wenn wir unseren Studenten Mut machen können, Gewohntes in völlig neuen Zusammenhängen zu sehen, haben wir vielleicht den wichtigsten Teil unseres Jobs geschafft.

Über Thomas Pleil bin ich auf Jean-Pol Martin gestoßen, der die Theorie des Lernens durch Lehren entwickelt hat. (Ich glaube, dass wir an der FH an seine Arbeiten anschließen können, wenn wir uns mit Network Literacies beschäftigen.) In der Wikiversity beschreibt Martin, was er unter Netzsensibilität versteht — Regeln oder Muster dafür, im Netz Beziehungen zu Mitarbeitern und Mitstreitern aufzubauen. Sie sind alle zu beherzigen (und ich nehme mir vor, mich selbst besser nach ihnen zu richten). Jean-Pol Martin hat sie so konzis formuliert, dass man sie kaum zusammenfassen kann.

Hier nur die erst dieser Regeln; durch sie bin ich in meinem Feedreader auf den Text aufmerksam geworden:

Mach dich transparent: liefere in deinem Profil möglichst viele, für den Benutzer spannende Informationen über dich. Je mehr Informationen du über dich gibst, desto größer die Chance, dass jemand einen Ansatzpunkt zur Zusammenarbeit entdeckt. Angst vor Missbrauch der Angaben ist meistens unbegründet. No risk, no fun!

Martin formuliert hier einen entscheidenden Punkt. Im Netz kommunizieren Menschen miteinander, die als Individuen, mit ihren Wünschen, Vorlieben und Geschichten interessanter sind als die Firmen und Gruppen, zu denen sie gehören. Ich muss mich im Netz nicht hinter einer Institution verstecken oder den Regeln eines Verlags anpassen, um zu publizieren, und ich möchte dort auf Menschen treffen, die sich selbst nicht verstecken. Die interessantesten Texte im Web stammen von Autoren, die sich als Personen zeigen. (Für mich waren das in der Anfangszeit des Bloggens Dave Winer, Jeffrey Zeldman und Jörg Kantel.)

Man muss sich im Netz nicht entblößen, und man kann mit Identitäten spielen. Will man Menschen anspricht muss man ihnen aber signalisieren, welche Beziehung man zu ihnen möchte, und was und wieviel von sich man in diese Beziehung stecken will. Es geht um Angebote, nicht um einen Ausverkauf.

Anmerkung: Mit Kolleginnen bin ich dabei, ein Programm für die Forschung und Entwicklung in meinem Arbeitsbereich an der FH Joanneum zu formulieren. Wenigstens provisorisch möchte ich ihm den Titel Netzwerkkompetenz oder Network literacies geben. Wie vermittelt man besten die Fähigkeit, mit sozialen Medien umzugehen, mit ihnen Ziele zu erreichen und sie mit einem Lebensstil zu verbinden? Ich brauche dieses Wissen für meinen Unterricht, es lässt sich vielleicht auch in anderen Bereichen der Hochschule, an der ich arbeite, verwenden, und wir können es Unternehmen und Organisationen anbieten.

Eine Reflexion über einen Teil meines Jobs — das Betreuen von Diplomarbeiten. Unabgeschlossen und wahrscheinlich nicht sehr interessant für Leute, die nicht ähnliche Probleme haben:

Gestern abend habe ich mich mit fünf Studentinnen und Studenten getroffen, deren Diplomarbeiten ich in diesem Jahr betreue. Ich unterrichte erst seit wenigen Jahren an einer Fachhochschule, die Betreuung von Diplomarbeiten gehört zu den Teilen meiner Tätigkeit, die mir die meisten Schwierigkeiten bereiten. Diplomarbeiten können an unserem Studiengang (Journalismus und Unternehmenskommunikation) als Werkstücke oder als wissenschaftliche Arbeiten angefertigt werden. Auch Werkstücke sollen einen wissenschaftlichen Teil enthalten. Mit diesem wissenschaftlichen Anspruch komme ich nicht recht klar. Welche Wissenschaft unterrichten wir? Welche Rolle spielt die Wissenschaft in einem transdisziplinären, praktisch orientierten Studiengang? Wie schützen wir uns vor Dilettantismus und davor, Wissenschaftlichkeit auf Zitier- und Bibliographierregeln zu reduzieren? (An unserem Studiengang wurden einige Diplomarbeiten geschrieben, die das Niveau guter geisteswissenschaftlicher Abschlussarbeiten haben. Sie waren aber vor allem das Ergebnis der Fähigkeiten und Interessen — und z.T. auch der akademischen Vorbildung — ihrer Autorinnen und Betreuerinnen, und nicht eine direkte Folge der Ausbildung, die wir vermitteln.)

Wir bilden Journalisten und PR-Leute aus. Diese Ausbildung ähnelt eher einer Lehre als dem Erlernen einer wissenschaftlichen Disziplin. Es geht um Praxis, allerdings um eine Praxis, die so komplex und wissensintensiv ist, dass man sie on the job nur schwer erlernen kann — bzw. dass in einem Unternehmen der Freiraum fehlt, sich das erforderliche Wissen anzueignen.

Wenn man Schauspieler oder Regisseure ausbildet, unterrichtet man sie nicht in Theaterwissenschaft. (Auch wenn ihnen theaterwissenschaftliche Kenntnisse selten schaden.) Unseren hochschulischen Anspruch können wir nicht damit begründen, dass wir eine oder sogar mehrere Wissenschaften unterrichten. Als These würde ich formulieren: Hochschulisches Niveau erreichen wir vor allem durch stringente Argumentationen, die sich in unserem Fall auf die Praxis in Journalismus, PR, sozialen Medien beziehen. Die Ausbildung, die wir anbieten, wird akademischen Ansprüchen gerecht, wenn sie systematisch die Fähigkeit entwickelt, argumentativ zwischen besserer und schlechterer Praxis, zwischen Möglichkeiten und Realität zu unterscheiden. Außerdem müssen wir unseren Studenten die Fähigkeit vermitteln, sich Wissen ständig neu anzueignen und Wissen auszutauschen — auch darin dürfen wir hinter einer universitären Ausbildung in einer wissenschaftlichen Disziplin nicht zurückbleiben.

Was bedeutet das für die Wissenschaftlichkeit von Diplomarbeiten in unseren Fächern? Ich finde, die Diplomarbeit sollten (soweit sie nicht als Werkstücke praktische Fähigkeiten demonstrieren) vor allem zeigen, dass die Absolventen die Qualität praktischer Arbeiten begründet beurteilen, kritisieren oder auch verteidigen können. Solche Argumentationen können an ethischen oder auch einfach an wirtschaftlichen Zielen orientiert sein, sie können wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden einbeziehen, wo es für die Beurteilung von praktischen Arbeiten wichtig ist. Sicher arbeite ich mit Unbekannten, wenn ich von stringenten Argumentationen spreche. Ich glaube aber, dass es sich leichter klären lässt, welches argumentative Niveau von einem Absolventen erwartet werden kann, als zu definieren, worin die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit bestehen könnte.

Obwohl es leichter ist, im Web als gedruckt zu publizieren, sind die Webauftritte vieler Unternehmen und Organisationen weniger aktuell als ihre Printpublikationen. Oder sollte es eher heißen: weil es leichter ist? Webpublikationen von Organisationen leiden an umgekehrtem Informationsüberfluss. So viele und so unterschiedliche Informationen gehören ins Netz, dass sie sich nicht an einer Stelle kanalisieren lassen. Das Resultat ist, dass so gut wie überhaupt nicht publiziert wird.

Jon Udell spricht vom pattern of shared responsibility, einem Muster der geteilten Verantwortung Umfangreiche Publikationsaufgaben lassen sich leichter, vielleicht sogar nur bewältigen, wenn sie aufgeteilt werden. Udells Beispiel ist der Kalender seiner Stadtbücherei. Niemand hat den Überblik über alle Events, die dort stattfinden. Ein einzelner kann aber leicht die Verantwortung für einen bestimmten Typ von Informationen übernehmen. Technische Lösungen — bei Udell geht es um Mashups — sorgen dann dafür, dass die Informationen zusammengetragen werden. Man kann auch von organisationsinternem Crowdsourcing sprechen — aber vielleicht ist dieser Ausdruck zu geschwollen.

Jedenfalls spricht viel dafür, die Verantwortung für die Webauftritte von Organisationen nicht an einzelne Personen oder Abteilungen zu delegieren. Pflegt eine Stelle den Webauftritt, fühlen sich alle anderen entlastet und informieren nicht von sich aus. Der Auftritt der Organisation sollte sich eher — eben als oder wie ein Mashup — aus den Informationsströmen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Abteilungen ergeben. Damit gelangen nicht nur mehr Informationen auf die Website, man gibt den Benutzerinnen auch weitaus mehr Möglichkeiten, sich die Informationen herauszusuchen, die sie wirklich interessieren.

(Ich tagge dieses Posting mit eContentPro. Das ist der Titel eines Projektes, an dem unser Studiengang beteiligt ist. Ziel ist es, die Kompetenz kleiner und mittlerer Unternehmen zur Kommunikation im Web zu erhöhen.)