Ich habe mich lange für einen Linksliberalen gehalten, ich bin es ziemlich sicher nicht mehr. Die Position, die ich jetzt politisch vertrete, wäre wohl am ehesten etwas zwischen Ökosozialismus und Öko-Anarchismus. Ich glaube nicht, dass man die Klimakrise und die noch schlimmeren anderen ökologischen Krisen aufhalten kann, wenn man nicht das Wachstum in den reichen Ländern beendet. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man das Wachstum beenden kann, wenn man nicht die Kapital-Akkumulation beendet, die es jetzt antreibt.
Man kann nicht vernünftig über den Zusammenhang von Treibhausgasemissionen und globaler Erhitzung diskutieren, aber man kann sehr wohl über die Wege diskutieren, die Treibhausgasemissionen zu beenden und vor allem über die Systemveränderungen, die dazu nötig sind. Hier in Graz würde ich darüber gerne mit ÖVP-Politikern diskutieren, und ich habe einige Versuche unternommen – vor allem, seit sich Kurt Hohensinner und Günter Riegler, die beiden ÖVP-Stadträte, neulich mit allen anderen seriösen Partei-Vertreter:innen zum 1,5°-Ziel bekannt haben. Wir hatten sie als Plattform 1,5 Graz dazu eingeladen. (Siehe das Bild von Nicolas Galani oben.)
Ich würde mich freuen, rationale Argumente gegen z.B. eine ökosozialistische Position zu hören, so wie es ja durchaus viele vernünftige Argumente gegen traditionelle sozialistische Positionen gibt. Ich könnte mir auch gut vorstellen, wie man solche Argumentationen führen könnte. Es gibt z.B. ernstzunehmende sogenannte Ökomodernisten. Ich vermute, dass Zeke Hausfather – für mich eine der wichtigsten Quellen zur Klimaforschung – eine solche Position vertritt. Es gibt viele Ansätze, die von CO2-Preisen und z.B. vom Zertifikatehandel ausgehen. Wenn ich es richtig sehe, liegt der Leiter des Potsdam Instituts Ottmar Edenhofer auf einer solchen Linie. Schumpeter hat davon gesprochen, dass die schöpferische Zerstörung zum Kapitalismus gehört. Ich frage mich, ob es nicht von einer prokapitalistischen Position aus gute Argumente dafür gäbe, zu sagen, dass das Geld, das man der fossilen Wirtschaft entzieht, in andere Bereiche investiert werden könnte und dort für Innovationen, neue Produkte, vielleicht auch wirklich ganz neue Wirtschaftszweige sorgen könnte. Ich glaube nicht, dass mich solche Argumente überzeugend würden, denn sie würden Lösungen befürworten, die weitere nicht regenerierbare Ressourcen des Erdsystems benötigen. Aber es lohnt sich sicher, solche Argumentationem durchzugehen, und es wäre interessant, solche Debatten hier in Graz – in einer Stadt, die sich zu einer schnellen Dekarbonisierung entschlossen hat – zu führen.
Leider macht die ÖVP aber etwas ganz anderes, und damit imitiert sie hier im Kleinen das, was sie auch im Bund tut, und offenbar orientiert sie sich auch an der deutschen CDU und Leuten wie Friedrich Merz und Jens Spahn. Sie zieht zwar nicht – wie ihre dumpfen Kameraden in der FPÖ – die globale Erhitzung als solche in Zweifel, aber praktisch plädiert sie dafür, nichts gegen diese Erhitzung zu unternehmen und alles zu lassen, wie es ist. Sie nutzt die Verunsicherung z.B. der Autofahrenden aus und verschafft ihnen ein gutes Gewissen. Offenbar glauben die Vertreter der ÖVP, auf diese Weise Stimmen sammeln zu können, weil viele Menschen Angst davor haben, dass die Klimapolitik ihre Lebensgewohnheiten in Frage stellt. Eine solche Linie findet sicher kurzfristig bei einigen Zuspruch. Ich bin aber nicht sicher, ob es sich dabei um viele handelt, denn die meisten Menschen wissen sehr wohl, dass wir unsere Konsumgewohnheiten nicht aufrecht erhalten können, wenn wir nicht den Weg in die globale Katastrophe noch beschleunigen wollen. Langfristig lässt sich diese Position nur aufrecht erhalten, wenn man die Klimakrise nach FPÖ- oder AfD-Vorbild leugnet, und dann wird die Position der ÖVP von der FPÖ-Position und deren Zynismus ununterscheidbar. Das dürfte auf Dauer der FPÖ mehr nutzen als der ÖVP. Die Grazer Wirtschaft, deren Vertreter:innen in der Wirtschaftskammer jetzt applaudieren, wenn es gegen Verkehrsberuhigung und gegen ein Stadtentwicklungskonzept mit z.B. vorgeschriebenen Grün-Dächern geht, wird feststellen, dass sich andere Städte und auch andere Länder schneller auf die veränderte ökologische Situation einstellen und dann, sollte es überhaupt noch möglich sein, in einigen Jahren nachziehen müssen.
Bei den Debatten um die Digitalisierung vor einigen Jahren wurde gern das chinesische Sprichwort zitiert:
„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Einen Schutzmauern, die anderen bauen Windmühlen.“
Die ÖVP hat sich im Moment für die Mauern und das Abducken entschieden. Das schadet der Grazer Klimapolitik, es wird auf Dauer auch der Grazer Wirtschaft und der ÖVP selbst schaden.
Die globale Erhitzung und die übrigen ökologischen Krisen, die sich aus der Überschreitung der planetaren Belastungsgrenzen ergeben, stellen alle Ideologien in Frage. Die Liberalen, die alte Linke und die Konservativen haben sich an einer ständig wachsenden Wirtschaft orientiert, deren Früchte zu verteilen sind – wobei es unterschiedliche Positionen dazu gibt, wie man das Wachstum der Wirtschaft am besten antreibt und wie man die Früchte verteilt. Keine dieser Positionen lässt sich noch halten, und was an ihre Stelle treten kann, ist nicht abzusehen. Hier in Graz – einer Stadt, in der es vielen gut geht, und die man sich gar nicht so schwer als eine Art Postwachstumsmusterstadt vorstellen kann – wäre es sehr interessant, konkret zu überlegen, welche Alternativen es zu den vergangenen Ideologien gibt, und zwar bezogen auf unsere Stadt und unsere Region hier. Dass die ÖVP solche Diskussionen nicht führt, ist nicht nur schade, weil es die Klimapolitik blockiert, bei der auch die KPÖ und die Grünen Angst davor haben, zu unpopuläre Maßnahmen vorzuschlagen. Es ist auch schade, weil konservative und liberale Beiträge in einer wichtigen Debatte fehlen.
@heinz politiker der etablierten parteien wollen leider nix tun, um den nächsten generationen etwas die (klima-)last zu nehmen. Sie wollen alle (#afd, #cdu, #csu, #fdp, #spd, #gruene, #linke, #oevp, #fpoe, #spoe und weitere) nur noch eines: ihre eigene gesellschaftliche position sichern. Es sind keine staatsmänner, sondern moralische luftpumpen.
FDP
Linke
SPD
afd
cdu
csu
fpoe
gruene
oevp
spoe
Danke! Ich habe schon auf Mastodon geantwortet: https://graz.social/@heinz/110560095595306857