Hans Joachim Schellnhubers Vortrag Können wir uns aus der Klimakrise herausbauen kann man sich auf YouTube anschauen1. Die Folien sind downloadbar2.

Der erste und längere Teil des Vortrags ist eine der besten zusammenfassenden Darstellungen der Klimakrise, die ich kenne—nicht nur wegen der Auswahl der Informationen und der Infografiken dazu, sondern vor allem wegen der Perspektive, aus der Schellnhuber dieses Material zeigt: der des Holozän als eines mit einem Organismus vergleichbaren Systems, das durch die Erhöhung der Temperatur ähnlich aus dem Gleichgewicht gebracht wird wie ein menschlicher Organismus durch Fieber. Schellnhuber macht sehr deutlich, dass es beim Kampf gegen die Klimakrise nicht um ein Mehr oder Weniger an Temperaturerhöhung geht, sondern darum, ein System zu erhalten, das sich als ganzes qualitativ radikal verändert, wenn bestimmte Schwellen (planetary boundaries) überschritten werden. Eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um etwa 2° bedeutet mit einiger Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Schwelle überschritten wird. Noch mehr Erhitzung des Klimas (die mit Sicherheit eintreten wird, wenn die Staaten der Erde ihre aktuellen Selbstverpflichtungen nicht verschärfen und diese verschärften Selbstverpflichtungen einhalten) führt mit einer immer mehr an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu Veränderungsprozessen und Zuständen des planetaren Gesamtsystems, in denen die Zivilisation, die wir kennen, nicht mehr existieren kann.

Im zweiten Teil stellt Schellnhuber die Ergebnisse eines Forschunsgpapiers vor, das kurz vor diesem Vortrag publiziert wurde3. Dieses Papier stellt dar, welche Folgen für den CO2-Gehalt der Atmosphäre ein Wechsel von Beton und Stahl zu Holz als primärem Baumaterial haben würde. Durch den Wechsel zu Holz würden nicht nur die Emissionen vermieden, die mit der Produktion und Verwendung der üblichen nicht nachhaltigen Baumaterialien verbunden sind. Holz, das langfristig verbaut wird, ist eine CO2-Senke und Holzbau damit eine Technologie zur CO2-Reduzierung. 40% der Emissionen von Treibhausgasen werden heute direkt oder indirekt durch das Bauen verursacht. Deshalb ist ohne Umstellung der Bauindustrie CO2-Neutralität nicht erreichbar. Umgekehrt ist das Bauen ein so wichtiger Wirtschaftszweig, dass eine Transformation dieser Branche tatsächlich positive ökologische Folgen für das planetare System hätte. Gegen Ende seines Vortrags stellt Schellnhuber fest:

Wer also Klimaschutz will, muss sich der Holzarchitektur zuwenden.

CO2-Emissionen und CO2-Speicherung bei einer Umstellung auf Holzbau für 90% der urbanen Neubauten. Folie aus dem Vortrag von Hans Joachim Schellnhuber.
CO2-Emissionen und CO2-Speicherung bei einer Umstellung auf Holzbau für 90% der urbanen Neubauten. Folie aus dem Vortrag von Hans Joachim Schellnhuber.

Dank an Veronika Rochhart für den Hinweis auf das YouTube-Video des Vortrags!

Zum Holzbau siehe hier im Blog: Material zu den Themen Holzbau und Baustopp in Graz und Bauen als Schlüsselthema der Transformation zur Postwachstumsgesellschaft. Zu Präsentationen über planetare Grenzen: Wie können wir innerhalb planetarer Grenzen leben?—Ein Vortrag Dieter Gertens in der KHG Graz und Noch ein Tag bis 2020. Will Steffens Aufruf zum radikalen Kampf gegen die globale Erhitzung.

Nachweise


  1. Schellnhuber, H. J. (2020, April 16). Können wir uns aus der Klimakrise herausbauen? YouTube https://www.youtube.com/watch?v=3ra5HD2NpbU 
  2. Schellnhuber, H. J. (2020, Februar 13). Können wir uns aus der Klimakrise herausbauen? Dialog Holzbau, Linz. https://www.proholz-ooe.at/fileadmin/proholz.ooe/media/user_upload/Dialog_Holzbau_2020_-_Vortrag_Schellnhuber.pdf 
  3. Churkina, G., Organschi, A., Reyer, C. P. O., Ruff, A., Vinke, K., Liu, Z., Reck, B. K., Graedel, T. E., & Schellnhuber, H. J. (2020). Buildings as a global carbon sink. Nature Sustainability, 3(4), 269–276. https://doi.org/10.1038/s41893-019-0462-4 

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