Vorgestern wurde die neue Bundesregierung in Österreich angelobt, die erste mit grüner Beteiligung. Die Grünen haben einige wichtige Ministerien, und das Regierungsprogramm sieht einen Umbau zu einer ökosozialen Marktwirtschaft vor. Die Regierung wäre so nicht zustandegekommen, wären nicht im letzten Jahr auch in Österreich Zehntausende für den Klimaschutz auf die Straße gegangen. Das Programm der Regierung bleibt trotzdem unbestimmt, in entscheidenden Punkten hat man sich offenbar noch nicht einigen können.
Ich habe selbst, wenn auch nur sehr wenig, beim Wahlkampf der Grünen teilgenommen, und ich habe einige der Beteiligten, wenn auch nicht gut, persönlich kennengelernt. Ich habe sehr viel Vertrauen darauf, dass die Grünen das in Richtung auf eine ökologische Transformation überhaupt Mögliche durchsetzen, und dass sie das in einer intelligenten Weise tun. Andererseits engagiere ich mich bei Extinction Rebellion und trete für eine sofortige und viel radikalere Abkehr von fossilen Energien und der Zerstörung der Biodiversität ein. Ich bin einem Zwiespalt aus Freude darüber, dass mehr erreicht wurde, als man nach der Nationalratswahl 2017 hoffen konnte, und aus Sorge darüber, dass nicht jetzt schon sehr viel mehr geschieht. In diesem Zwiespalt bin ich sicher nicht allein.
Was sollen wir jetzt tun? Weitermachen, als wenn nichts wäre, ist keine Option, denn das entzieht den Grünen in der Regierung die Legitimation, die sie jetzt brauchen. Auf die Regierung zu vertrauen und auf Demonstrationen und auf zivilen Ungehorsam zu verzichten, ist auch keine Option, denn ohne Druck der Zivilbevölkerung wird das ökologische Programm der Regierung nicht so konkretisiert werden, wie es erforderlich ist.
Wenn es nur darum ginge, dass die richtigen Maßnahmen früher oder später, etwas radikaler oder etwas weniger radikal umgesetzt würden, wäre die Frage, wie die Klimabewegung jetzt weitermachen soll, weniger brisant. Es geht aber weltweit darum, ein Zeitfenster von wenigen Jahren, vielleicht nur von wenigen Monaten auszunutzen, um die fossilen Emissionen nach unten zu fahren—wenn dieses Zeitfenster nicht schon geschlossen ist. Die Gesellschaften stehen nicht vor der Frage, ob sie etwas mehr oder weniger nach rechts oder links und ob sie schneller oder langsamer fahren sollen. Sie müssen einen U-Turn vollziehen, wie es Will Steffen fordert, und zwar in voller Fahrt. Die Klimabewegung muss diesen U-Turn einleiten,
- indem sie Bewusstsein dafür schafft, dass er zwingend ist,
- indem sie zeigt, dass er möglich ist, und
- und indem sie die Kräfte, die ihm entgegenstehen, so massiv wie möglich isoliert und unter Druck setzt.
Die Hoffnung, dass es zu einer schnellen Wende kommt, mag absurd erscheinen, aber es gibt zu einer solchen Wende keine humane Alternative. (Was, um im Bild zu bleiben, nicht bedeutet, dass man rückwärts fährt, sondern vielleicht sogar weiter nach oben—aber jedenfalls nicht in den ökologischen Abgrund.)
Die Klimabewegung muss den Druck nicht verringern, sondern vergrößern, und sie darf dabei ihre Verbündeten in der Politik und in der Zivilgesellschaft nicht schwächen. Möglichkeiten dazu sehe ich auf zwei Ebenen:
- in so viel und so guter medialer Arbeit wie möglich—in der Aufklärung der Bevölkerung mit noch wirksameren Mitteln als bisher (also z.B. konkreter, bezogen auf Firmen, Wohnorte oder Konsumgüter) und in der Präsenz überall da, wo Medien berichten, also z.B. bei Konferenzen, politischen und gesellschaftlichen Events;
- in der Fokussierung auf die fossile Energiewirtschaft, ihre Finanzierung, ihre politische Absicherung und ihre unmittelbaren Nutznießer z.B. in der Luftfahrt- und Autoindustrie. Es muss deutlich werden, dass sich die Gesellschaft von diesen Sektoren in wenigen Jahren trennen muss, und dass Alternativen neben ihnen realisiert werden müssen, anstatt sie in einem langwierigen sogenannten Transformationsprozess so lange wie möglich zu erhalten.
Die Klimabewegung sollte sich also als Bewegung für sofortige und konsequente Aktion gegen den fossilen Energiesektor darstellen, der so schnell wie möglich stillgelegt werden muss. Es muss für alle deutlich werden, dass dieser Sektor der größte Gegner einer ökologischen Wende ist. Damit kann man die Grünen in der Regierung durchaus unterstützen und darauf setzen, dass sie sich weiter als Verbündete der Klimabewegung verstehen. Man kann auch darauf drängen, dass sich Österreich, in dem dieser Sektor weniger wichtig ist als in vielen anderen Ländern, auf internationaler Ebene gegen die fossile Energiewirtschaft und die mit ihr verbündeten Regimes aktiv wird.