Auf dem Weg zurück nach Graz. Gestern abend wurde im Figurentheater Lilarum der Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten zum ersten Mal verliehen (bei Twitter: #wolo09). An seiner Entstehung war ich nicht unbeteiligt. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich Lorenz letztes Jahr seinen Sager vom Scheiß-Internet entlockt, und bei der gemeinsamen Nachbetrachtung an der FH kam Kollege Grenzfurthner auf die Preisidee. Ich war gestern von einer Grippe noch etwas lädiert und froh, dass Jana ein Mashup mit Blogger-Reaktionen auf Armin Thurnhers Internet-Bashing vorbereitet hatte, das wir gemeinsam vorgetragen haben.

Es war eine sehr österreichische Veranstaltung. Wo sonst ziehen Onliner die Repräsentanten von Top down-Medien und Top down-Politik mit so viel vernichtendem und versöhnlichem Humor durch den Kakao? Wobei sich die Teilnehmer—allen voran die monochrom-Leute— zugleich über sich selbst lustig machten—sonst wäre alles in Rechthaberei ausgeartet. (Dass wir gegenüber den Lorenz und Thurnher Recht haben, wissen wir ja—und sie wissen es auch.)

Zur Doppelbödigkeit des ganzen Abends hat gut gepasst, dass zum Schluss mit Christoph Chorherr ein Unschuldiger bestraft wurde. Christoph nahm den Preis für die Wiener Grünen souverän an. Er bleibt der einzige österreichische (ich fürchte: deutschsprachige) Politiker, der das Web tatächlich versteht: als Alternativ-Plattform zu Parteien und Verbänden, nicht als ihre Ergänzung.

Highlights: Janas Nominierungsrede für Ibrahim Evsan in der Kategorie Social Media Guru nahm elegant alle Vertreter des technischen und technokratischen Determinismus auf Korn. Thomas Thurner stellte den Plagiatsjäger Stefan Weber in die Ecke der profilierungssüchtigen Studenten-Verächter—ein klassischer Distinktionsgewinnler. Max Kossatz‘ Blütenlese mit Statements von grünen Lokalpolitikern zum Netz und zur Basisdemokratie werde ich—wie mir empfohlen wurde—im Unterricht verwenden. Ingrid Brodnig decouvrierte die Großmäuligkeit des Ex-Kanzlers Schüssel (Stichwort: Internetmilliarde) mit ein paar scheinbar schüchternen Sätzen—die sie hoffentlich noch zu einer längeren Story ausbaut.

Wolokopie Leider sind nicht so viele gekommen, wie sich angekündigt hatten. Dafür kannten sich fast alle und setzten den Abend im Foyer noch ziemlich lange fort. Eine sehr angenehme Gruppe von Leuten, die medien- und technikaffin sind, weil sie sich gerne austauschen und neugierig sind—das Gegenteil der Karikatur von asozialen Nerds, die das Netz mit der Realität verwechseln. Anders als in Graz sind in diese Szene in Wien auch viele Frauen unterwegs, und leider nur ganz wenige Leute über 40.

Zum Schluss noch ein Dank an die Studenten von JuK07: Sie haben den Preis nach Johannes Grenzfurthners Original nachgebildet (Bild) und dieses womöglich noch übertroffen. Die nächste Jury wird entscheiden, ob 2010, wie von Jana vorgeschlagen, eine gehäkelte Version der Trophäe verliehen wird.

Ich habe im Unterricht schon oft im Anschluss an Jay Rosen von den People Formerly Known as the Audience gesprochen: den Leuten, die bisher Adressaten von Medien waren und die nun selbst weltweit publizieren können, wenn sie nur ein Handy haben. Bisher habe ich aber nicht berücksichtigt, dass sich durch die Online-Medien nicht nur die Beziehungen zwischen Sendern und Empfängen ändern, sondern auch die Beziehungen unter den bisherigen Empfängern. In den letzten Tagen bin ich auf mehrere Versuche gestoßen, diese Beziehungen zu beschreiben und vor allem: sie zu organisieren.

Am interessantesten und fortgeschrittensten: Cody Browns Post A Public Can Talk To Itself: Why The Future of News is Actually Pretty Clear. Cody Brown, ein New Yorker Undergraduate-Student, beruft sich auf den Gründer der New York Times, der es als Aufgabe seiner Zeitung sah, Nachrichten wiederzugeben, statt sie für andere zu machen. In seinem ausführlichen und komplexen Beitrag fordert er News-Werkzeuge, die es dem früheren Publikum ermöglichen, selbst in organisierter Form Nachrichten auszutauschen. Ein Vorbild: die Wikipedia, in der sich Autoren mit unterschiedlichen Positionen untereinander auf Formulierungen einigen. Cody Brown entwickelt mit einem Team ein solches Tool, das im kommenden Frühjahr veröffentlicht werden soll: Kommons.

Auf Cody Brown bin ich durch die Folge 31 von Rebooting the News gestoßen: Dave Winer und Jay Rosen unterhalten sich mit ihm und interpretieren sein Konzept.

Cody Brown zieht mit Kommons Konsequenzen aus Überlegungen, die bei Jay Rosen immer wieder auftauchen, ausführlich in Audience Atomization Overcome: Why the Internet Weakens the Authority of the Press. In diesem Post sieht er die Atomisierung des Publikums als notwendiges Gegenstück zur Macht der Presse, einerseits Debattenthemen zu definieren und andererseits festzustellen, welche Themen so selbstverständlich sind, dass sie nicht diskutiert werden dürfen oder müssen. Rosens und Browns schematische Beschreibungen des Gatekeeper-Journalismus sind ähnlich, aber nicht identisch; Rosen geht es eher um die Inhalte, Brown eher um die Arbeitsweise der news organizations.

Schließlich noch ein Hinweis auf eine plakative, aber instruktive Darstellung des veränderten Beziehungsgeflechts zwischen neuen und alten Medienmachern—Clay Shirky spricht darüber in seinem TED-Vortrag im Juni 2009. Seine Präsentation kann man sich wie eine Einführung zu den Überlegungen Rosens und den praktischen Konsequenzen Browns ansehen:

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Die Vogelperspektive ist Shirky, Rosen und Brown gemeinsam. Aber sie alle, am meisten wohl Brown, suchen nach einer Konkretisierung dieser Ideen im entstehenden Realtime Web.

Vorgestern erhielt die Öffentlichkeit wieder einmal über die Kleine Zeitung Informationen über die FH und unseren Studiengang, die auch intern den meisten neu waren: Sturm der Entrüstung an FH Joanneum. Über Facebook und Twitter haben mich viele Studenten und Bekannte gefragt, was bei uns los ist. Gestern habe ich einem Freund bei Facebook geantwortet (leicht verändert, um nicht Personen zu nennen):

Wir haben ein ziemlich hartes Jahr hinter uns—für mich die schlimmsten Erfahrungen, die ich am Studiengang gemacht habe.

Am Montag wurden wir offiziell darüber informiert, dass sich die FH von einem Kollegen trennt. Vorangegangen waren monatelange Attacken von Kollegen gegen den Studiengangsleiter und gegen mich.

Ihr könnt der Zeitung entnehmen, dass die Kündigung des Kollegen nicht mit Zustimmung der Personalabteilung erfolgte—die bei uns zugleich (!) für die interne Revision zuständig ist. Der gekündigte Kollege und seine Vertrauenspersonen haben immer wieder den Kontakt zur Personalabteilung gesucht. Fast zeitgleich mit der Kündigung erhielt die interne Revision Informationen über angebliche Unregelmäßigkeiten beim Aufnahmeverfahren zugespielt. Es kam—erstmals in der FH-Geschichte—zu einer polizeiartigen Beschlagnahmung von Unterlagen am Studiengang.

Die Konflikte sind nicht zuende, und ich kann mich leider selbst nicht so offen äußern, wie ich möchte—wobei ich mit allen Informationen, die mich betreffen, problemlos offen umgehen kann und gerne Auskunft gebe. Ich bin sicher, dass es bei offener Kommunikation nicht einmal ansatzweise zu den Intrigen gekommen wäre, die sich abgespielt haben und die sich jetzt abspielen.

Ich weiss, dass z.B. über mich ein (mir nie zugänglich gemachtes) Dossier existiert, in das zahlreiche Aussagen bestimmter Kollegen eingegangen sind. Zeichen besonderer Bösartigkeit, gerne verbunden mit „Mobbing“-Vorwürfen: Verwendung von Gmail; Benutzen des „du“-Worts gegenüber Studenten; Behauptung, dass der Journalismus tot sei (dabei glaube ich das nicht einmal); intensive Kommunikation im Web mit Studierenden.

Mich haben diese Dinge im letzten Jahr sehr belastet. Man ist beim Schreiben blockiert, wenn man sich nicht über die Dinge äußern kann, über die man ständig nachdenkt. Und auch wenn man es versucht—man kann sich Intrigen aus der untersten Schublade nicht mental entziehen, wenn man zu den Angegriffenen gehört. (Dabei bin ich einigen Verantwortlichen an der FH sehr dankbar dafür, dass sie mich gegen die Angriffe unterstützt haben.)

In den letzten Wochen haben wir am Studiengang auch ganz andere Erfahrungen gemacht.
Ich denke vor allem an die Auftritte von David Barstow und Klaus Eck. Fast alle Studente waren zusammen, wir haben uns völlig zwanglos unterhalten, wir waren uns über die Qualität einig, die uns demonstriert wurde— und diese Qualität streben wir wohl auch alle an. Ich hoffe, wir können uns in dieser Richtung weiterentwickeln, ohne dass uns weitere Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.

Christiane Schulzki-Haddouti erweitert in “Haltung” als journalistische Kernkompetenz ihren Katalog journalistischer Kerkompetenzen. Eine Haltung unterscheide Journalisten von PR-Leuten:

Dass Journalismus ohne “Haltung” überhaupt nicht möglich ist, zeigt ein einfacher Vergleich von journalistischer und auf Public Relations ausgerichteter Arbeit. Beide greifen auf die fünf Kernkompetenzen gleichermaßen zurück. Es besteht überhaupt kein Unterschied. Gleichwohl müssen sich beide voneinander abgrenzen. Denn sonst ginge das Vertrauen der Rezipienten verloren. Und für diese Abgrenzung ist einzig und allein “Haltung” erforderlich.

Sie stellt dann fest:

Haltung hat etwas mit “aufrechtem Gang” zu tun, den die Bürger im 19. Jahrhundert mühesam einübten.

Schließlich fragt sie, warum man die Frage nach der Vereinbarkeit von Journalismus und PR—im Studium oder in der eigenen Praxis—nicht als ethische Frage stellt:

Angesichts der immer wieder aufflammenden Debatte um das Verhältnis zwischen PR und Journalismus, uneinheitlichen Berufskodizes sowie Studiengängen, die beides vermitteln, frage ich mich, warum man dies nicht direkt als ethisches Problem thematisiert – und von dieser Perspektive her direkt angeht.

Ich habe schon mehrfach auf Christiane Schulzki-Haddoutis Ansatz zurückgegriffen, um so etwas wie ein Leitbild für unsere Ausbildung von Journalisten und PR-Leuten zu formulieren, und ich verwender sie auch bei der Neuformulierung des Social Media-Teils unseres Curriculums. Bisher bin ich nur davon ausgegangen, dass man über die erwähnten Kompetenzen hinaus zwischen den Rollen und Aufgaben von Journalisten und PR-Leuten unterscheiden muss. Zu diesen Rollen gehört aber—und das ist der wichtigste neue Gedanke in Christianes Beitrag—eine bestimmte Ethik, die man allerdings nicht mit allgemeinen ethischen Prinzipien gleichsetzen sollte, wie sie für jede Art von Kommunikation gelten.

David Barstow über journalistische Ethik

David Barstow von der New York Times hat während des Elevate-Festivals einen Workshop an unserem Studiengang gehalten. Barstow_small Dabei hat er gleich zu Beginn die Ethik als Kern des Journalismus bezeichnet. Die journalistische Ethik sei der wichtigste Inhalt einer journalistischen Ausbildung. Techniken, Schreiben, Storytelling, investigative Methoden könne man mehr oder weniger leicht erlernen. Die ethische Haltung müsse man sich selbst aneignen und aufrechterhalten, und zwar oft gegen heftige Widerstände.

Die ethische Haltung lässt sich für Barstow nicht von den journalistischen Techniken ablösen, sie ist die Voraussetzung dafür, dass das journalistische Handwerk richtig und erfolgreich ausgeübt wird. Die Haltung erlaubt es dem Journalisten, gegenüber sich selbst, gegenüber den Menschen, die ihm nahe stehen („your mum“), gegenüber den Informanten, den Vorgesetzten und seinen Gegnern so zu handeln, dass er verlässlich, verständlich, berechenbar bleibt. Bereits kleine Unsicherheiten und Fehler belasten die journalistische Arbeit, führen zu Zweifeln an der eigenen Rolle und machen die Geschichten, die der Journalist schreibt, ungenauer.

Am wichtigsten ist die ethische Haltung des Journalisten gegenüber Informanten, die sich in Gefahr bringen, wenn sie einem Journalisten etwas erzählen. Die Informanten müssen sich darauf verlassen können, dass die Journalistin oder der Journalist mit ihren Informationen korrekt umgeht und sie als Personen schützt. Der Journalist muss darüber hinaus den Informanten wie einen Mitarbeiter gewinnen. Die Quelle ist dann am besten, wenn ihr Name veröffentlicht werden kann und sie selbst dafür geradesteht, dass stimmt, was sie mitgeteilt hat.

Barstow lehnt es nicht nur ab, sich auf einzelne „whistleblowers“ zu verlassen. Wenn eine Quelle anonym bleiben will und ein Journalist nicht auf sie verzichten will, soll dieser Schritt ausdrücklich vollzogen und seine Bedeutung formuliert werden. Der Journalist muss dem Informanten feierlich mitteilen: „Ich werde für Sie notfalls ins Gefängnis gehen!“ Der Informant soll wissen, dass seine Information für den Journalisten ein Risiko bedeutet, und sie muss es selbst mitverantworten, dass der Journalist dieses Risiko eingeht.

Jpr_small Die Überzeugung, ethisch richtig zu handeln, gibt der Journalistin oder dem Journalisten die Kraft, ihre Arbeiten gegen heftige Widerstände zu verfolgen. „Fight like hell for your story!“ sei die einzig richtige Devise, wenn Vorgesetzte die Arbeit an einer Geschichte abbrechen wollten, von der der Journalist überzeugt sei.

Barstow hat uns klargemacht, wie viel Energie nötig ist, um etwas an den Tag zu bringen, was aus gutem Grund unter der Decke gehalten wurde. Der Journalist ist sich lange nicht sicher, ob er überhaupt auf der richtigen Spur ist; er und seine Informanten werden eingeschüchtert oder bedroht; seine Redaktion unterstützt ihn vielleicht nicht; sein Familienleben leidet, weil sich intensive Recherchen nicht in Achtstundentagen bewältigen lassen. Diesen Widerständen erliegt der Journalist, wenn er nicht daran glaubt, das Richtige zu tun und an einer Geschichte zu arbeiten, auf die er lange stolz sein kann, die nicht im Tagesschäft untergeht („I didn’t like doing the crap stories“).

Eine ethische Haltung bestimmt nicht nur, welche Ziele ein Journalist verfolgt, sondern auch, mit welchen Mitteln er arbeitet. Die Mittel dürfen das Ziel nicht diskreditieren, sie dürfen der Rolle des Journalisten nicht widersprechen und ihn gegenüber anderen und vor allem gegenüber sich selbst unglaubwürdig machen. Barstow hat 9/11 direkt vom Ground Zero berichtet und sich als Security-Mann ausgegeben, um in die streng abgesperrte Sicherheitszone zu kommen. Er ist sich bis heute nicht sicher, ob dieses Versteckspiel moralisch erlaubt war.

Aufdecken als journalistische Aufgabe

Beim Lesen von Christianes Posting ist mir David Barstows Vortrag sofort eingefallen. Barstow hat die Haltung beschrieben, die Journalisten von anderen professionellen Kommunikatoren unterscheidet. Diese Haltung ist keine persönliche Qualität, die ausschließt, dass ihr Träger andere Qualitäten und Eigenschaften hat. Sie wird von einem Job gefordert, so wie ein Leistungssportler eine bestimmte Moral braucht, um weitermachen zu können. Ob man diese Haltung haben und gleichzeitig PR machen kann, ist wohl keine Frage der moralischen Unverträglichkeit sondern der persönlichen Leistungsfähigkeit.

Barstow verkörpert ein Verständnis der Rolle des Journalisten, das man in Europa nur selten in dieser Schärfe findet: Journalisten kontrollieren die Mächtigen, indem sie für die demokratische Öffentlichkeit Dinge publizieren, die aus unethischen Gründen geheimgehalten werden. Die dazu erforderliche Haltung unterscheidet Journalisten von PR-Leuten: Journalisten müssen Rebellen sein.

Das bedeutet nicht, dass Journalisten bessere Menschen sind als PR-Leute. Eine Gesellschaft, die nur aus Rebellen besteht, wäre wahrscheinlich kein sehr angenehmer Platz, schon gar nicht für die Rebellen. Es bedeutet auch nicht, dass PR- oder Marketing-Leute keine Rebellen sein können—das Cluetrain Manifest ist ein Gegenbeweis. Aber zur Ethik der PR gehört nicht das Aufdecken von Informationen gegen alle Widerstände.

Noch eine Bemerkung zu diesem Thema, mit dem ich mich weiterbeschäftigen möchte: Die Krise des Printjournalismus ist dramatisch, weil sie den investigativen Journalismus, wie ein David Barstow mit der Unterstützung der New York Times betreiben kann, gefährdet. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, diesen Journalismus zu erhalten und seine Unabhängigkeit zu schützen. Dazu gehört es auch, ihn in der Ausbildung von Journalisten zu verankern, statt ihn einer falsch verstandenen „Wirtschaftsnähe“ zu opfern.

(Leider habe ich nur die beiden unscharfen Handy-Fotos von David Barstows Auftritt bei uns. Ich hoffe, sie vermitteln wenigstens etwas von der Stimmung an einem der spannendsten Tage an unserem Studiengang.)

Gestern hat Stefan getwittert:

Protestierende FH-Studierende sollten umgehend an Unis zwangsversetzt werden. Dort gehts euch besser, wirklich jetzt! [Twitter / Stefan: Protestierende FH-Studiere …]

Jochen Hencke, Studierendensprecher unseres Studiengangs (und Urheber des Titels dieses Beitrags) bloggt dagegen:

gerade die performance der gesamten fh joanneum ist sehr schwach. keine solidaritätsbekundungen, keine diskussion, keine information der studenten – nichts. auf der fh joanneum findet ein protest scheinbar nicht statt. warum ist das so? interessiert’s uns nicht, weil wir ja eine fh sind?! [schneeengel.de – der blog]

Einige meiner Studenten engagieren sich bei den Protesten hier in Graz, in der Vorklinik und jetzt auch an der FH selbst bei einem FH Plenum, zu dem gestern aufgerufen wurde. Welche Haltung dazu habe ich als Lehrender? Die Studenten haben ein Recht darauf, dass die Lehrenden ihre Meinung zu den Aktionen äußern—erst recht Lehrende an einem Studiengang, der sich mit öffentlicher Kommunikation beschäftigt.

Ich bin sicher: Als Student würde ich mich an den Aktionen beteiligen, auch hier an der FH. Warum? Ich bin nicht dafür, hier den Zugang zu den Studiengängen unterschiedslos zu öffnen, und ich vermute, dass sich die Studienbedingungen bei uns aus der Perspektive etwa von Publizistik-Studenten in Wien fast ideal ausnehmen. Trotzdem gibt es Gründe zum Protest: Auch die FHs gehören zu den österreichischen Hochschulen und sollten auf allen Ebenen als Teil der östereichischen Hochschullandschaft agieren statt als Insel der Seligen bzw. manchmal der Parias. Außerdem werden auch die FHs immer mehr gezwungen zu sparen—zu konsolidieren, wie es in der Sprache der Bürokraten heisst.

Wir lehren nicht auf einer Insel

FH-Studenten sind von den Bedingungen an den Universitäten unmittelbar betroffen. Nicht nur, weil in einigen Fächern die Maturanten an die FHs strömen, um den Verhältnissen an den Universitäten zu entgehen. Durch den Bologna-Prozess werden die Systeme durchlässig: Immer mehr FH-Studierende werden nach dem Bachelor an Universitäten weiterstudieren und umgekehrt. Schon jetzt promovieren einige unserer Absolventen an der Uni Wien. Wir können nicht sagen, dass die Zustände an den Universitäten uns nichts angehen.

Auch FHs brauchen mehr Studienplätze

Dass im Bildungssystem gespart wird, ist auch an den Fachhochschulen deutlich zu spüren. Ich habe erst in der letzten Woche gehört (habe es aber noch nicht überprüft), dass der dafür zuständige Fachhochschulrat zur Zeit keine neuen Studienplätze an FHs mehr genehmigt. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge muss (jedenfalls an unserer Hochschule) kostenneutral erfolgen. Folge: Es gibt deutlich weniger Master- als Bachelor-Studiengangsplätze. Viele, die gerade mit einem Bachelor-Studium begonnen haben, werden bei uns keinen Master machen können. Bei neuen Bachelorstudiengängen z.B. für medizinische Berufe gibt es kaum eine Chance, Masterstudiengänge einzurichten—obwohl gerade diese Berufe „akademisiert“ werden sollen. Bei Anschaffungen, Exkursionen u.ä. spüren meine Kollegen und sicher auch viele Studierende den Sparzwang immer wieder.

Forschung an den FHs darf nicht nur vom Markt abhängen

Es wird für die FHs noch schwieriger eine Aufgabe zu erfüllen, die sie neben der Lehre haben und die ihren akademischen Anspruch mitbegründet: die Forschung. Östereichische Fachhochschulen erhalten für Forschung keine Grundfinanzierung, müssen also alle Forschungsgelder auf dem Markt akquirieren—mit den entsprechenden Folgen für die Freiheit von Lehre und Forschung. Je mehr in der Bildung gespart wird, desto weiter sinken die Aussichten für uns, selbstgesteuert forschen zu können. Das bedeutet auch ein Risiko für die Qualität der Lehre.

Muss es so laut sein?

Muss man demonstrieren und Hörsäle besetzen um den Hochschulen zu helfen? Man muss! Manche Argumente der Studenten mögen platt sein, aber sie stimmen leider: Die Finanzkrise hat Panik in Politik und Wirtschaft ausgelöst, die Bildungskrise wird von vielen Politikern offenbar nicht einmal wahrgenommen. Christian Felber von attac hat Recht, wenn er in seiner Rede vor den Wiener Studenten im Audimax sagt:

Es ist ein Skandal, dass der Staat die Finanzierung der Banken 40mal wichtiger einstuft als die Finanzierung der Hochschul-Bildung.

Dieses Missverhältnis kann man selbst als Neoliberaler als Skandal werten.

Ein neues 68?

Noch eine Bemerkung: Manchmal hört man, bei den Protesten jetzt handele es sich um ein neues 68. Das wäre fatal, denn die Studentenbewegung damals endete in den Fraktionskämpfen diverser Uralt-Linker (deren Nachkommen wohl auch jetzt aktiv werden). Es wäre schade, wenn die neue Qualität der Proteste—die Selbstorganisation, das Umgehen der herkömmlichen Vertretungsmaschinerien und Funktionärsapparate, die Verwendung sozialer Medien— einer ähnlichen Erstarrung zum Opfer fielen.

(Für die, die diesen Beitrag lesen, ohne mit Blogs vertraut zu sein: Dies ist ein Blogpost. Es handelt sich um einen Adhoc-Diskussiosbeitrag. Ich freue mich über Widerspruch und über Korrekturen in den Kommentaren oder in anderen Blogs.)

Die letzte Woche war so angefüllt, dass ich ein paar Tage Ruhe brauche, um die Eindrücke zu verarbeiten. Es waren völlig unterschiedliche Treffen und Gespräche, die alle mit den radikalen Veränderungen in den Medien zusammenhingen, die wir gerade erleben. Der Höhepunkt war für mich gestern ein Workshop, den David Barstow für unsere Studenten hielt—ich glaube: der interessanteste Tag, den ich bisher an unserer Hochschule mitbekommen habe.

Davor: Am letzten Freitag ein Tag bei Burda im Media Innovation Lab: Wir sind bei einem neuen Projekt des Lab beteiligt, sodass unsere Studenten das Online-Business sehr konkret kennenlernen können. Dann am Samstag und Sonntag das Barcamp München—ich habe es noch nicht geschafft meine Notizen aufzuarbeiten; ich werde mit denen zu Scrum und zu Google Wave anfangen.

In der Woche: eine lange Diskussion mit Kurt Winter, Karin Raffer und Julian Ausserhofer über unser Web Literacy Lab und die Frage, welche Rolle Forschung dabei spielen soll, dann viele Gespräche vom allem im Umkreis des Elevate Festivals (bei dem eine Gruppe unserer Studenten das Video-Coverage macht) und vor allem mit Kollegen vom ORF wie Ilse Amenitsch, Erich Möchel und Karl Pachner.

Alle diese Gespräche und Treffen hängen für mich mit der Arbeit am Studiengang und der Frage zusammen, wie wir unser Programm weiterentwickeln sollten. Ich kann jetzt keine Schlüsse daraus ziehen und mich nur etwas kryptisch ausdrücken—vielleicht müssen wir, was unsere Inhalte und unsere Methoden angeht, auch zu so etwas wie der Agilen Softwareentwicklung kommen. Wir stecken mitten in einer Medienrevolution. Wir müssen Medienprofis so ausbilden, dass sie wissen was vor sich geht und die Distanz und den Überblick haben, um die Entwicklungen in ihren Gebieten mitsteuern zu können.

So viel für den Augenblick. Ich hoffe auf etwas ruhigere Wochen, um den vielen Input in etwas mehr Output verwandeln zu können.

Viel Neues fällt mir nicht ein zu der Debatte, die Armin Thurnher durch seinen ISPA-Auftritt und seinen Leitartikel wieder angefacht hat— Helge und viele andere haben genug Antworten gegeben. Ich hatte vermutet, Thurnher würde das Thema nicht mehr aufgreifen, um sich nicht weiter zu demontieren. Aber er nimmt einer Szene, die den Falter ernst nimmt, übel, dass sie dessen Chefredakteur nicht mehr ernst nimmt—jedenfalls nicht, wenn er sich über das Internet äußert, über das er—Entschuldigung !—losschwadroniert, als könne man es (deliberativ) in den Griff bekommen, indem man ausmacht und diskutiert, wieviel an ihm gut und wieviel schlecht ist.

Thurnher schreibt lieber (und besser) über Thurnher als über das Web; er inszeniert sich theatralisch als Opfer einer Hetzmeute und als Sachwalter der Aufklärung. Helge vergleicht ihn mit einem spätmittelalterlichen Abt (und denkt vielleicht an Johannes Trithemius, dessen gedruckte Polemik gegen den Buchdruck Clay Shirky aufgriff). Aus meinem Studium fallen mir Gottsched und der Sturm und Drang ein—ich weiß nicht, wie weit der Vergleich trägt.

Schade finde ich, dass Thurnher seinen Kritikern nicht seine Augenhöhe zutraut, dass er ihnen nicht einmal Artikulationsfähigkeit zuspricht: Sie blöken und jaulen. Und weil sie als Masse den großen Einzelnen Thurnher verfolgen, werden auch nur die wenigsten namentlich erwähnt. Wer sich nur akklamativ statt deliberativ äußert, wird auch als Quelle nicht verlinkt. (Helge hat es allerdings geschafft, den Falter zum Print-Linkjournalismus zu bewegen—hoffentlich nicht nur bei seiner Antwort auf Thurnher.) Thurnher fordert den Diskurs, aber er spricht nicht mit seinen Kritikern, sondern polemisiert über sie.

Wenn ich es richtig sehe, gehöre auch ich zu den implizit Erwähnten. Thurnher wirft mir vor, ich traue ihm nicht zu Blogs zu lesen. Für den Fall, dass er diesen Beitrag findet, empfehle ich ihm das Cluetrain Manifesto, vor allem die Sätze 3 und 4:

Conversations among human beings sound human. They are conducted in a human voice.

Whether delivering information, opinions, perspectives, dissenting arguments or humorous asides, the human voice is typically open, natural, uncontrived.

Wir suchen einen Dialog mit menschlicher Stimme. Es liegt auch an Armin Thurnher, ob er zustande kommt.

Am Freitag habe ich bei der Round Table dess Studiengang Management internationaler Geschäftsprozesse der FH Joanneum in das Thema Open Access eingeführt. Dabei habe ich versucht, auf die generelle Problematik des „geistigen Eigentums“ in der digitalen Gesellschaft hinzuweisen. Ich schaffe es im Augenblick nicht, den ganzen Vortrag zu referieren, hier wenigstens die Präsentation:

(Die Präsentation ist für das aktuelle Layout meines Blogs zu breit; um sie full screen zu sehen, bitte mit die Maus in die untere rechte Ecke bewegen und in in dem Menü, das sich dann öffnet, auf das unterste Symbol klicken.)

Die Veranstaltung war für mich übrigens sehr interessant. Es ging in den anderen Vorträgen um klassische Patente, über deren Bedeutung ich viel gelernt habe.

(Links zu weiteren Informationen trage ich nach.)

Ich lese gerade Garfinkels langen Text Passing and the managed achievement of sex status in an „intersexed“ person in den Studies in Ethnomethodology. In diesem Text geht es darum, wie eine Frau vor und nach einer Geschlechtsumwandlung die weibliche Rolle abonniert. Das Ziel Garfinkels ist es herauszubekommen, wie eine solche Rolle als moralische Entität oder moralisches Objekt verstanden wird. Agnes, so nennt Garfinkel die Person, die er beschreibt, managt das passing, den Übergang zu einem medizinisch gesehen neuen Geschlecht, indem sie sich darauf beruft, dass sie von Natur aus immer schon eine Frau gewesen ist.

Mich interessiert diese Rechtfertigung bzw. dieses Verständlichmachen. In Garfinkels Theorie spielen die Begriffe account und reflexivity eine wichtige Rolle. Zu jeder Art von menschlichem Handeln gehört Rationalität nicht im theoretischen Sinn sondern im Sinne des Verständlichmachens, Erklärens oder Rechtfertigens der eigenen Handlungen für andere und für sich selbst. Soziale Ordnungen oder Strukturen entstehen, weil—oder setzen voraus, dass—mehrere Akteure ihr Handeln füreinander so rechtfertigen bzw. verständlich machen können, dass sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können. Dabei handelt es sich nicht um ein Verständlichmachen gegenüber einem theoretischen Zweifel sondern um eine permanente Berufung auf Selbstverständliches, das als solches schwer zu thematisieren ist und außer von Soziologen oder Phänomenologen auch kaum thematisiert wird.

Im Grunde geht es dabei immer darum, was die soziale Wirklichkeit ist, was von den Teilnehmern in einer sozialen Struktur als unbezweifelbar und gewiss angesehen wird. Es gibt z.B. durchaus sozial sanktionierte Möglichkeiten das Geschlecht zu wechseln, z.B. im Karneval oder im Theater. In solchen Fällen kehrt man aber danach immer wieder zu seinem wirklichen Geschlecht zurück, an dem niemand zweifelt. (Mit diesen unverrückbaren praktischen Gewissheiten beschäftigt sich Garfinkel vor allem.)

Ein ganz anderes Beispiel: Gestern habe ich mit Kollegen über Lehrveranstaltungen diskutiert. Dabei haben wir uns alle drei auf die Aufgaben eines Bachelor-Studiums bezogen. Wir haben unsere Position bei relativ konkreten Fragen gerechtfertigt, indem wir uns auf sehr abstrakte Grundsätze und Programmen bezogen haben. Handlungen oder Äußerungen, die man nicht in einer solchen oder ähnlichen Form rechtfertigen kann, würden offenbar als unsozial, unverständlich, irrational oder ähnlich eingeschätzt. Die selbstverständliche Realität besteht in diesem Fall nicht in den Grundsätzen, auf die wir uns berufen haben, sondern darin, dass wir uns auf Grundsätze berufen.

In Bezug auf das Web stellt sich die Frage, ob es dort spezifische Selbstverständlichkeiten gibt und in welchen Verhältnis sie zu anderen sozialen Selbstverständlichkeiten stehen. Ein Beispiel, dass mich an den Geschlechtswandel im Karneval erinnert, nach dem man zu seinem natürlichen Geschlecht zurückkehrt: Der Realitätscharakter digitaler Informationen ist für viele Menschen offenbar unklar; Realität haben für sie nur Informationen, die ausgedruckt sind. Vielfach unterliegen digitale Informationen generell dem Zweifel an ihrer Wirklichkeit (so wie es mindestens früher auch mit geschriebenen Informationen war; die platonische Schriftkritik geht wohl von der grundsätzlichen Unzuverlässigkeit schriftlicher Informationen aus).

Für ethnomethodologische Untersuchungen zum Web kann das heissen: Auf einer Ebene lässt sich untersuchen, wie Akteure im Web ihr Handeln rechtfertigen und verständlich machen. Dafür gibt es Beispiele vom Literate Programming bis zur Selbstdarstellung bei Twitter. Auf dieser Ebene geht es um die accounts im Sinner Garfinkels, die nicht etwas Sekundäres sind, sondern zu jedem sozialen Handeln gehören. Auf einer zweiten Ebene lässt sich fragen, welche sozialen Objekte die Teilnehmer an der Webkommunikation konstruieren, oder: an welche Objekte sie glauben, welche Objekte für sie eine soziale und moralische Autorität, einen Sollenscharakter haben, und welche Eigenschaften diese Objekte haben.

Das sind sehr provisorische Überlegungen; ich bin mir nicht sicher, ob ich mit meinem Verständnis Garfinkels überhaupt richtig liege. Ich habe aber den Eindruck dass das Rechtfertigen und Transparentmachen des eigenen Agierens im Web ein Schlüsselthema sein könnte, wenn man herausfinden will, was die sozialen Eigenschaften des Webs sind.

Sollen Journalisten akademisch ausgebildet werden? Wie sollen Journalisten akademisch ausgebildet werden? Ein Dauerthema in Journalismus- und J-school-Blogs. (J-school ist der englische Ausdruck für Journalismus-Schulen, vor allem für die Journalismus-Fakultäten an den Universitäten.)

„Open J-School“

In den starred items meines Feedreaders haben sich einige Posts zu diesem Thema angesammelt; ein paar habe ich am Wochenende gelesen. Ein Schlagwort in Jay Rosen’s Tweets fasst die Diskussionen zusammen: open J-school, offene Journalistenschule. Gefordert ist eine Ausbildung in Sichtweite von und oft in Tuchfühlung mit den Änderungen in der Medien- und Kommunikationstechnik und der Wirtschaft. Sie muss widerspiegeln, dass sich die Rolle der Journalisten radikal wandelt, dass die Journalisten von Gatekeepern zu Knoten in einem Netzwerk werden, in dem Nachrichten immer mehr horizontal statt vertikal verbreitet werden.

Journalisten brauchen heute Kompetenzen, die die klassische Ausbildung—in Schulen oder Hochschulen, aber auch on the job—nicht vermitteln kann. Andere Disziplinen müssen eine größere Rolle spielen:

Mostly, I think j-schools need to be coordinating (even integrating) more closely with other departments — mainly business schools and departments of computer science and library science. … But if journalists need to learn skills that, by and large, j-schools and journalism professors don’t yet possess, then it probably makes sense to partner with other relevant departments in a college or university [Amy Gahran: Busting J-School Silos: What Will it Take?].

Allerdings zweifel Amy Gahran an der Fähigkeit von Journalistenschulen und der Universität insgesamt, auf schnelle Veränderungen zu reagieren, sie warnt vor institutioneller Trägheit.

Web Literacy

Web-Kompetenz, web literacy, ist die wichtigste unter den Fähigkeiten, die Journalisten heute und in Zukunft brauchen, die ihnen aber bisher nicht ausreichend vermittelt werden können. King Kaufman:

If you’re not willing to work on the Web, do more than write, get your hands dirty with code, blog, be a social media pro, etc, than journalism isn’t for you. If you don’t like turmoil, seek a different career. Journalism is going through a massive transformation right now, and unfortunately most journalism schools are not preparing students for those transformations [Let’s be honest about J-school – King Kaufman – Open Salon].

Allerdings macht web literacy allein keinen guten Journalisten, darüber sind sich die amerikanischen J-Blogger einig. Journalisten werden auch in Zukunft vor allem Geschichten finden und erzählen. Auf den journalistischen Anspruch dürfen Journalistenschulen nicht verzichten. Doc Searls kann niemand Missachtung des Web oder Wirtschaftsferne vorwerfen. Er macht sich darüber lustig, dass die renommierte Medill School of Journalism den Journalismus aus ihrem Namen tilgt, und spricht von der School of Journalism Marketing and Stuff. Achten wir auch hier darauf, dass wir nicht zu einer Schule für Journalismus, Marketing und Zeugs werden!

Breites Bachelor-Studium

Journalismus als Handwerk lässt sich nicht an Schulen und Universitäten lernen. Mindy McAdams:

No one learns how to do anything by sitting in a classroom and listening to a teacher. That might be a great way to get started — but the real learning is going to happen somewhere else [Teaching Online Journalism » Experience, the best teacher].

Trotzdem ist es sinnvoll, Journalismus zu studieren—allerdings in dem Wissen, dass die journalistische Praxis auch nur in der Praxis erlernt werden kann. Auch on the Job lassen sich die Fähigkeiten, die Journalisten in Zukunft brachen, heute kaum erwerben.

On-the-job training (as if there were anyone in today’s newsrooms who would or could train the new kid) is not going to suffice, because today’s journalist actually does need to be well educated.

Interessant ist, dass in den USA deutlich zwischen den Funktionen des Bachelor- oder Undergraduate- und des Master- oder Graduate-Studiums unterschieden wird. Ich glaube wie Mindy McAdams, dass das Bachelor-Studium eine breite Qualifikation vermitteln, also auch allgemeinbildend sein sollte:

The years spent at university as an undergrad are not meant to be job training. In North America, at least, those years serve as a transition between who you were as a child and who you will become. That has to do with a lot more than the job you will get after graduation.

Gerade gegenüber radikalem sozialen, ökonomischen und technischen Wandel sind die allgemeinen Qualifikationen oder Metaqualifikationen wichtiger als ein Fachwissen, das ohnehin nicht beständig ist:

The general ed courses fulfill the role that a liberal arts education has always fulfilled (or at least, they’re meant to): completing your education. Put another way, the undergraduate journey is supposed to lead to your becoming an educated person.

Der Sinn eines Bachelor-Studiums im Journalismus besteht also nicht nur darin, auf eine Berufstätigkeit als Journalist vorzubereiten. Die journalistische Bildung oder Ausbildung kann zu vielen anderen Tätigkeiten führen. Um es etwas phrasenhaft auszudrücken: Je wichtiger Kommunikation in vielen sozialen Bereichen wird, und je mehr dank der Möglichkeiten des Netzes jeder Medien herstellen und veröffentlichen kann, desto größer wird der Bedarf nach Menschen mit einer journalistischen Ausbildung, die in ganz verschiedenen Berufen und Funktionen für die Qualität von Informationen verantwortlich sind. Dazu muss die Ausbildung sich allerdings vor allem an journalistischer Qualität orientieren:

I do not think universities commit fraud if they admit hundreds of new journalism majors each year. I do believe that a journalism program commits fraud if it hands out journalism degrees to students who can’t write, can’t fact-check properly, or can’t use the necessary tools of journalism in the 21st century. [Teaching Online Journalism » Why does anyone major in journalism?]

Business-Orientierung im Master

Journalistische Master-Programme sind in den USA und in Großbritannien zunehmend mehr auf Entreperneurship ausgerichtet. Nicht so sehr unmittelbar journalistische Qualitäten sind das Ziel (die sich besser außerhalb der Hochschue erwerben lassen), als die Fähigkeit, mit diesen Fähigkeiten selbst wirtschaftlich zu überleben und neue Typen von Dienstleistungen und Medien zu entwickeln. King Kaufman:

If you already have journalism experience and lots of clips, I’d only attend a program that is going to modernize your skills and thought processes (and you’re not a self starter). This is where programs that are heavy into entrepreneurism make a lot of sense.

Außer in entsprechenden Programmen in den USA (z.B. an der CUNY Graduate School of Journalism und der New York University) wird journalistische Entrepreneuship jetzt auch an der Universität Birmingham unterrichtet.

Die NewYorker Columbia University sucht nach neuen Geschäftsmodellen für Nachrichten; dabei arbeitet sie mit Unternehmen zusammen, die sich untereinander lange erbittert Konkurrenz gemacht haben.

Hier in Graz sind wir mit der Konzeption unseres Master noch nicht fertig. Es ist sicher sinnvoll, dass wir uns intensiv mit den Diskussionen in den USA beschäftigen—schon weil es dort eine ganz andere Tradition von journalistischen Bachelor- und Masterstudiengängen gibt. Die Orientierung an Allgemeinbildung im Bachelor und an Entrepreneurship im Master halte ich auch bei unseren Studiengang (in dem Journalismus und PR unterrichtet werden) für eine sinnvolle, wenn auch sicher nicht für die einzige, Option. Das Ideal einer open J-School sollten wir in jedem Fall hochhalten.