Ein Hinweis auf PeopleBrowsr — hier kommte etwas Wichtiges auf uns zu! Robert
Scoble:

For the past few weeks I’ve been using PeopleBrowsr. Very cool. It’s
the most significant thing to happen to social networking since
FriendFeed came on the scene a year ago. [Twitter (and all social networks) will never be the same thanks to PeopleBrowsr«]

Wie PeopleBrowsr funktioniert, zeigt Scobles Video

PeopleBrowsr stellt der Benutzerin ein Steuerpult für soziale Netze zur
Verfügung. Über das Steuerbord kann man die Streams und
Benutzerprofile, auf die man in verschiedenen sozialen Netzen
(z.B. Twitter, flickr, YouTube, seesmic, friendfeed, LinkedIn) Zugriff
hat, ansehen, mischen und manipulieren. PeopleBrowsr ist eine
gemeinsame Schnittstelle zu den Daten verschiedener sozialer Netze,
die es erlaubt, diese Daten zu kombinieren, zu ergänzen (z.B. indem
man Informationen über Personen eingibt) und über die Grenzen der
einzelnen Services hinweg zu nutzen, indem man z.B. Botschaften an
eine Gruppe schickt, zu der User von Twitter, flickr und seesmic
gehören.

Brian Solis, der PeopleBrowsr mitgestaltete, schreibt:

With one simple to use browser-based hub, everyone can view, group, and communicate with friends, and friends of friends, in and across all of the popular networks. You can update status, view posts, connect with contacts, make new friends, and share content within and between networks. [PeopleBrowsr Centralizes Conversations & Relationships: Introduces A Dashboard for Social Networks]

Man kann mit PeopleBrowsr Personen, aber natürlich auch Marken
verfolgen, man kann sich ein Addressbuch anlegen, und man kann
differenziert suchen und sich die Suchergebnisse als Stream anzeigen lassen.

Ich habe PeopleBrowsr nur kurz getestet; die Alphaversion ist
vielversprechend. Es wird versucht, das Maximum aus den Daten
herauszuholen, die Personen im Web über sich selbst und ihre
Aktivitäten publizieren — auch ein Anlass dafür, sich intensiv mit dem Thema
Öffentlichkeit und Privatsphäre im Web 2.0 zu beschäftigen.

Ich habe noch nie etwas zu Twitter geschrieben, weil mir dazu nie etwas Interessantes eingefallen ist. Währenddessen häufen sich in meinen ungelesenen starred items und meiner Read It Later-Liste Texte über Twitter. Ein paar meiner Studis und Kollegen sind sehr erfolgreiche Twitterer, und viele sind von Twitter begeistert. Hier ein paar erste Bemerkungen zu Twitter bzw. zum Microblogging (ich verwende die Ausdrücke synonym). Sie gehören in eine Materialsammlung zu den Formen der Webkommunikation (und sind weder inhaltlich noch stilistisch ausgereift).
Ich finde, fast alle Texte über Twitter, die nicht einfach Tools beschreiben, haben etwas gemeinsam: Sie schreiben, wie man Twitter für das nutzt, was die Autorin auch schon am meisten interessiert hat, bevor es Twitter gab — dabei kann es sich um Marketing, Journalismus, PR, Wissensaustausch oder Celebrity Gossip handeln. Je mehr ich über Twitter nachdenke, desto mehr finde ich: Die Frage: Welchen Sinn hat Twitter? hat keinen Sinn. Twitter ist kein Werkzeug, sondern eine Kommunikationsform. Und wie Kommunikation selbst haben auch Kommunikationsformen wohl keinen höheren Zweck — oder sehr viele unterschiedliche Zwecke, die immer wieder neu besprochen, ausgehandelt und festgelegt werden, während man kommuniziert. Mit Twitter kann man twittern, so wie man mit einem Telefon telefonieren, oder mit einem Blog bloggen kann.

Punkte, die mir bei Twitter wichtig sind:

  1. Twittern/Microblogging ist ein eigenes Format der Webkommunikation, das nicht durch andere Formen (z.B. Blogs, Wikis) ersetzbar ist, aber mit ihnen verglichen werden kann.
  2. Twitter erlaubt es offenen Gruppen von Menschen (und auch Services) im Web, sich zu beobachten und zu kommunizieren, und erleichtert es ihnen damit, sich zu organisieren.
  3. Twitter ist ein Teil des Webs. Twitter kann damit die Möglichkeiten des Webs und der Webkommunikation nutzen und ist für andere Formen der Webkommunikation einschließlich aller technischen Erweiterungen direkt anschlussfähig.
  4. Man twittert in der Öffentlichkeit des Webs; Twittern ist eine Publikationsform und eine Option für jeden, der im Web publiziert.

Weblogs — Twitter — Wikis

Vom Bloggen unterscheidet sich Twittern u.a. dadurch,

  • dass es in Echtzeit beobachtet wird,
  • dass Twitterer ihre Follower kennen, und
  • dass man mehrere oder viele Twitterer gleichzeitig beobachtet.

Wie das Bloggen ist Twittern aber eine hypertextuelle Gattung. Es ist also auch asynchron beobachtbar, und jede Äußerung ist verlinkbar, so dass man immer wieder an sie anschließen kann. Der Übergang zwischen Twittern und Bloggen ist fließend — man kann ohne Follower twittern, und man kann Twitterer im Web beobachten, ohne sich bei dem Service anzumelden. Aber das Besondere an Twitter besteht darin, dass man anderen ohne einen zwischengeschalteten Service (wie einen Feedreader) in Echtzeit folgt, und dass man weiß, wer einem selbst folgt.
Mit dem Schreiben in Wikis hat Microblogging auf den ersten Blick wenig gemeinsam, aber auch bei Twitter arbeiten viele Autoren zusammen an Seiten, und wie in einem Wiki kann man sehr leicht zwischen den Seiten navigieren. Wie
Wikis macht es auch Twitter so leicht wie nur möglich mitzumachen. Es gibt (Hashtags, @-Syntax) sogar etwas wie ein spezielles Markup. Während bei einem Wiki Wissen zusammengestellt wird und damit etwas Dauerhaftes entsteht (das aber trotzdem von einer Community getragen und geschützt werden muss, wie es für die Wikipedia Clay Shirky beschreibt), erfährt man bei Twitter, was gerade los ist. Wikis wurden von vielen für etwas Absurdes gehalten, bis dann die Wikipedia gezeigt hat, was mit diesem Format möglich ist. Genauso hielten und halten viele Twitter für sinnlos. Möglicherweise werden sie erleben, dass Twitter alles, was mit Nachrichten zu tun hat, so revolutioniert wie es die Wikis mit dem Wissensaustausch getan haben und tun.

Many to many

Am interessantesten erscheint mir bei Twitter, dass damit viele mit vielen kommunizieren können. Das wird nicht durch das Subskribieren von Twitterern ermöglicht, sondern durch die Beschränkung der Länge der Tweets auf 140 Zeichen. Man twittert immer in eine Wolke von Menschen hinein. Ein Menge von Botschaften unterschiedlicher Sprecher tritt an die Stelle von Monologen oder Dialogen.
Mit Twitter wird eine andere Form von Community oder Gruppe möglich als durch Wikis (zielgerichtete Kollaboration) oder Blogs (Gedanken- und Erfahrungsaustausch). Durch Twitternachrichten lässt sich eine Webcommunity permanent beobachten. Vielleicht ist das der Kern des Phänomens: Twitter gibt Communities im Weg die Möglichkeit, sich in Echtzeit zu wahrzunehmen. Dabei ist der Austausch synchron und asynchron ohne Medienbruch für andere Webteilnehmer prinzipiell offen; das unterscheidet Twitter von Gruppenchats oder dem Austausch in social networks.

Anschlusskommunikation

Twitter erlaubt einen unmittelbaren, interaktiven Umgang mit Echtzeitkommunikation über die unmittelbare Kommunikationssituation hinaus. Es macht Echtzeitkommunikation im Web anschlussfähig, weil sie direkt im Web beobachtbar und adressierbar ist. Man kann auf Tweets verlinken, man kann Streams von Tweets in Widgets zeigen, und man kann sie mit den verschiedensten Tools auswerten bzw. für Mashups verwenden. Vielleicht kann man sagen: Twittern erschließt für das Web eine Kommunikationsform, die vorher zwar im Internet (seit dem IRC) aber nur außerhalb des Webs möglich war. Damit erschließt es umgekehrt für die Echtzeitkommunition die Vielfalt der Möglichkeiten des Webs.

Twittern als Publikationsform

Wenn man twittert, statt zu chatten, begibt man sich in die Öffentlichkeit des Webs (auch wenn sich diese Öffentlichkeit einschränken lässt, indem man seine Tweets nur Followern zugänglich macht, die man vorher akzeptiert). Noch mehr als andere Formen der Webkommunikation ist dabei Twittern writing as a performing art. Twittern hat nur da einen Sinn, wo man die Vorteile des Webs benötigt, z.B. Verlinkbarkeit von Informationen, Zugänglichkeit für eine große, potenziell unbeschränkte Öffentlichkeit und Kombinierbarkeit von verschiedenen Medien. Wenn Twittern nicht nur eine Kuriosität ist, sondern eine der wichtgen Kommunikationsformen im Web, ist es damit eine ständigen Option für alle, die im Web publizieren. Wo immer öffentliche Information in Echtzeit (und am besten durch mehrere Autoren) sinnvoll ist, stellt sich die Frage, warum man nicht einfach twittert.

In die rechte Kolumne von Lost and Found habe ich unter Tips ein Linkblog eingefügt. Gemacht ist das Linkblog mit Publish2 (Blog hier), einem Service für Journalisten zum Sammeln und Austauschen von Links. Ins Leben gerufen hat ihn Scott Karp, der in seinem Blog Publishing 2.0 den Link-Journalismus ausgerufen hat und promotet. Publish2 hat die meisten Funktionen von Delicious und erlaubt es, Links auch an Delicious zu posten. (Was ich tue, denn für mich bleibt Delicious das wichtigste Werkzeug, um Informationen zu sammeln.)

Publish2 enthält aber auch Funktionen, die delicious nicht bietet, und die die Recherche und das Publizieren erleichtern. So kann man bei demselben Link private und öffentliche Notizen machen. In eigenen Feldern können das Veröffentlichungsdatum und die Quelle festgehalten werden. Außerdem gibt es drei Kategorien von Bookmarks: außer denen für die Publikation von Links kann man welche für laufende Recherchen und für Hinweise auf eigene Publikationen anlegen. Außer an Delicious lassen sich Links auch an Twitter schicken, wahlweise mit eigenem Text oder dem öffentlichen Kommentar für die Linksammlung.

Wichtigstes Arbeitsmittel ist ein Bookmarklet. Wie es funktioniert, habe ich in einem Screencast festgehalten:

Link: Das publish2-Bookmarklet

Die Linksammlung jedes Benutzers ist auf einer Seite erreichbar; dort können die Links ausgetauscht und auch kommentiert werden. (Meine Publish2-Links sind außer in diesem Blog hier zu finden. Ein RSS-Feed kann hier über Feedburner abonniert werden.) Über diese Linksammlung kann man sich mit wenigen Klicks ein Widget erstellen, das man als Linkblog in sein Blog einbauen kann.

Publish2 integriert das Sammeln von Links in den journalistischen Workflow, und zwar in einer webgemäßen Weise, bei der Informationen auf allen Bearbeitungsstufen geteilt werden. Es gehört so in eine Reihe mit anderen Netzwerken für Journalisten, die verteiltes gemeinsames Arbeiten im Web erlauben, z.B. Wired Journalists.

Der Offenheit des Web 2.0 widerspricht, dass man zugelassen werden muss, wenn man Publish2 verwenden will. Es wird gecheckt, ob man entprechend professsionellen Standards arbeitet — für mich riecht das etwas nach Korporatismus. Ich fände es besser, wenn man sich innerhalb des Service ein Netzwerk von Vertrauenspersonen aufbauen könnte, statt gleich am Eingang geprüft zu werden. Allerdings hat die Bestätigung meines Accounts nur eine Stunde gedauert (als media outlet habe ich mein Blog angegeben) und ich freue mich, an dieser Initiative teilnehmen zu können.

Ich arbeite noch immer an einem Redesign dieses Blogs — vor allem, um in einer dritten Kolumne ein Linkblog und eine Blogroll hinzuzufügen. Leider erlaubt es Typepad nicht mehr, ein vorhandenes Design in Advanced Templates zu konvertieren. Damit lassen sich Disqus-Kommentare nicht mehr einfach in ein Typepad-Blog integrieren. Die Kommentare der letzten Wochen sind vorläufig leider nicht mehr sichtbar.

Ich bin dabei, das Layout meines Blogs zu verändern. Eine Änderung habe ich schon vorgenommen und ein Widget für die Suche mit Lijit eingebaut. Lijit schlägt Benutzern, die auf eine Seite meines Blogs stoßen, weil sie bei Google oder auf dem Blog selbst einen Suchbegriff eingegeben haben, weitere Inhalte vor. Dabei wird nicht nur in meinem Blog gesucht, sondern auch in anderen Inhalten von mit selbst oder von Leuten, die zu meinem Netzwerk gehören. Die Suchergebnisse stellt Lijit in einem Overlay-Fenster dar. Der Service beruht auf der Google Suche. Einerseits können also meine eigenen Inhalte besser gefunden werden. Andererseits können Leserinnen mein Blog als Ausgangspunkt für Abfragen nehmen, bei denen nur Quellen verwendet werden, denen ich vertraue.

Auf Lijit bin ich durch Louis Gray gestoßen; ich habe erst ein wenig damit experimentiert. Eine sehr gute Erfahrung habe ich mit der Kundenkommunikation von Lijit gemacht: ich konnte mein Blog zunächst nicht durchsuchen, weil Lijit bei Suchabfragen ein www. vor den URL meines Blogs setzte. Nach einem Mail dauerte es keine 10 Minuten, und der Fehler war behoben. Thx Daniel Weiss!

Update, 13:28: Völlig entgangen war mir Ritchies ausführliches Post über Lijit.

Sehenswert — Michael Rosenblum vor englischen Zeitungsverlegern:

Click here to display content from Vimeo.
Learn more in Vimeo’s privacy policy.


(Michael Rosenblum @ Society of Editors 08 from Paul Bradshaw on Vimeo; Fortsetzungen hier und hier)

Ein paar der Statements des Vaters des Videojournalismus:

  • Videojournalisten arbeiten so schnell und flexibel wie schreibende Journalisten; sie sind den schwerfälligen Fernsehproduktionsteams weit überlegen.

  • Bewegte Bilder zu produzieren ist nicht mehr aufwändiger als anderer Journalismus.

  • Jeder Idiot kann heute lernen, Fernsehen zu machen, jeder Neunjährige kann professionell Video schneiden, wenn er will.

  • Verlage leben nicht von Zeitungen oder Fernsehen, sondern davon, Gemeinschaften mit den Informationen und Geschichten zu versorgen, die sie brauchen.

  • Wer nicht konsequent neue Techniken nutzt, wird so untergehen wie das französische Ritterheer gegen die englischen Bogenschützen in der Schlacht von Crécy.

Hier spricht ein Pionier des Genres; mir war bisher nicht klar, welche Bedeutung Rosenblum für die Entwicklung des Videojournalismus und damit des Onlinejournalismus hatte. (Neu sei Rosenblums Botschaft vielen Verlegern, aber nicht unbedingt ihren Angestellten, stellt Andy Dickinson fest, der fragt, warum Rosenblum bei diesem Publikum so gut ankommt.)

Kurz vor Jeff Jarvis hat Matt Thompson festgestellt, dass sich der Artikel nicht als Grundeinheit des Online-Journalismus eignet. Für Thompson ist entscheidend, dass sich ein abgeschlossener Artikel nur schwer aktualisieren lässt. Schreibt man ihn immer wieder um, wird er zerstört. Die Alternative bieten native Web-Formate wie Blog-Einträge und Wiki-Seiten. Je mehr sich das Prinzip Online First durchsetze (also Nachrichten zuerst im Web und erst später in einer Print-Ausgabe gebracht werden), desto mehr gingen Sites zu diesen Formaten über. Der Artikel wird, so Thompson, der Story, dem verwickelten, nie abgeschlossenen Geschehen, über das berichtet wird, nicht gerecht.

Interessant ist bei Thompson auch die Kritik, dass der herkömmliche Artikel sich zu wenig dazu eignet, den Kontext einer Nachricht deutlich zu machen. Umgekehrt — Thompson führt das in diesem Post nicht aus — kann man sagen, dass native Hypertext-Formate eigene Möglichkeiten bieten, Zusammenhänge darzustellen. Wikis bieten begriffliche Verknüpfungen, Blogeinträge verweisen auf den zeitlichen Kontext, dialogische Formate (Kommentare, Foreneinträge) stellen einen sozialen oder Diskussionskontext für die Meldung her, und Linksammlungen machen deutlich, welche Zusammenhänge es mit anderen Publikationen gibt.

Thompson bloggt in Newsless.org über seinen Versuch eine Nachrichten-Website zu konzipieren, die das Hauptgewicht auf den Kontext statt auf das zeitliche Nacheinander legt. Sein Programm formuliert er hier

Ein wichtiges Post von Jeff Jarvis wurde im deutschen Sprachraum
bisher nur wenig diskutiert: The building block of journalism is no
longer the article
.

Jarvis fragt: Ist der Artikel, die Geschichte, wie wir sie vom Print-
und auch vom Radio- und Fernsehjournalismus her kennen, noch
zeitgemäß? Er antwortet klar: Nein. An die Stelle des Artikels muss etwas Neues
treten, das Jarvis provisorisch Topic nennt, und für das er auch andere
Bezeichnungen findet. (Mir gefällt beat bliki!) Ein solches journalistisches
Molekül besteht aus vier verschiedenen Elementen:

  • einer kuratierten Sammlung von Links zu relevanten Informationen
    über ein Thema;
  • einer Serie von Posts, die immer den neuesten Stand der Recherche und
    ihrer Ergebnisse dokumentieren;
  • einer Wiki-artigen Zusammenstellung von Grund- und Hintergrundinformationen;
  • der Diskussion des Themas.

Die neue Grundform des Journalismus ist

collaborative and distributed and open but organized. Think of it as
being inside a beat reporter’s head, while also sitting at a table
with all the experts who inform that reporter, as everyone there can
hear and answer questions asked from the rest of the room — and in
front of them all are links to more and ever-better information and
understanding.

Warum soll der Artikel oder die Story abgelöst werden? Jarvis‘
Hauptargument: Was
heute passiert (Stichwort: Finanzkrise), ist so komplex, dass es sich in
geschlossenen, geradlinigen Geschichten nicht wirklich wiedergeben lässt.

Hier möchte ich Jeff wiedersprechen. Es gibt andere Argumente für
die journalistische Basisform Topic, und sie alle finden sich bei Jarvis
auch. Nicht die Komplexität der Wirklichkeit fordert neue Formate
— war
die Realität 1933 oder 1945 weniger komplex? Die Eigenschaften des
neuen Mediums Web, deren Konsequenzen für den Journalismus niemand so
treffend charakterisiert wie Jarvis, machen den einmal geschriebenen, abgeschlossenen Artikel obsolet:

  • Links, die die Einheit der Story
    auflösen und dafür Informationen zusammenbringen, jedes neue Stück
    Microcontent mit anderen verbinden;
  • kollaboratives Schreiben: Alle können zu einem Thema
    beitragen, gleich ob sie Mitglied derselben, einer anderen oder gar
    keiner Redaktion sind;
  • laufende Aktualisierungen — das Arbeiten jenseits des WORM-Prinzips (write once, read many times), von
    dem Bob Wyman in den Kommentaren spricht;
  • die Archivierung von allem, was zu einem Thema publiziert wird,
    im Web als einem gigantischen, durch Suchmaschinen erschlossenem Archiv.

Was Jarvis fordert — darin ist er sich mit den
meisten Kommentatoren seines Posts einig — wird bisher nur in Ausnahmen
verwirklicht. Jarvis hat nicht eine Lösung formuliert sondern eine
Aufgabe — eine der interessantesten für alle, die an
neuen journalistischen Formaten arbeiten.

Jarvis hat sein Konzept in seinem Blog und im Guardian wiederholt und präzisiert. Ich möchte versuchen, seine Idee
in weiteren Beiträgen dieses Blogs zu diskutieren, und ich hoffe, dass wir sie an unserem Studiengang auch umsetzen können, z.B. in der nächsten Ausgabe des
Magazins blank.

Am Wochenende war ich auf dem Grazer BarCamp, dem ersten klassischen BarCamp überhaupt in Graz. Im Durchschnitt waren geschätzt 40-50 Leute da: Die Grazer Web 2.0-Szene ist überschaubar, und sie ist übrigens deutlich universitär geprägt. Der eher akademische Charakter ist vielleicht sogar etwas, das uns im Vergleich zu den anderen österreichischen Städten die besondere Note gibt.

Wir alle sind Herwig Rollett und Gerwin Brunner dankbar: Sie haben es zu ersten Mal geschafft, viele Menschen aus Graz (aber nicht nur dorther), die sich für aktuelle Entwicklungen im Web interessieren, zusammenzubringen. Diese Vernetzung bedeutet hoffentlich einen Schub für alle Beteiligten. Ich habe einige interessante Leute kennen gelernt, und ich werde noch einige Zeit brauchen, um die neuen Informationen und Ideen aufzuarbeiten.

Dokumentation:

Twitter ist dein Freund. Bei Twitter nach bcg08 suchen, und man bekommt einen ganz guten Eindruck vom Ablauf. Fotos bei Flickr.

Suche

Es geht hier um ein Forschungsprojekt, nicht um ein Startup, erläuterte Markus Stohmaier in der ersten Session zum Thema Suche. Um was es in dieser Session wirklich ging, hoffe ich bei der Nachbereitung besser zu verstehen. Ziel des Projekts ist es, durch Auswertung von Suchanfragen genauer herauszubekommen, welche Art von Information die Benutzer einer Suchmaschine finden wollen, was ihre Ziele sind. Flo Ranner fasste die Intentionen als behavioural targeting für Suchmaschinen zusammen — eine hübsche und hoffentlich adäquate Formulierung. (Auf Markus Strohmaiers Home Page finden sich vielversprechende Links zu weiteren Informationen über zielorientierte Suche.)

WG3Null

Die Präsentation der WG3Null bot mir weniger Neues als anderen, weil ich in das Projekt schon bei der Einweihungsparty ausführlich eingeführt wurde. Die Aufmerksamkeit war groß; eine Bemerkung von Thomas Mikl habe ich mir gemerkt: Diese halböffentliche Form des Zusammenlebens habe eine enormes Marketing-Potenzial. Gemeint war wohl vor allem, dass sich Geld durch eine Art öffentlichen Konsum machen lässt. Mich interessiert, ob sich hier die Grenzen von privatem Projekt und Firma/Vermarktung verschieben, und zwar eher in der Aufmerksamkeits- als in der Geldökonomie. (Hier der Podcast der WG3Null zum Barcamp Graz.)

superinternet

Mit Jochen, einem der WG 3.0-Bewohner, habe ich dann unser superinternet.at vorgestellt. Das Echo war durchaus positiv. Ich hoffe, dass ein paar der Teilnehmer der Session die Plattform aktiv verwenden.

Zwischen Tumblelog und Informationsmanagement

Ich fand zwei Sessions am Nachmittag bemerkenswert: Peter Scheir erklärte, was Tumblelogs sind, und Michael Thurm beschrieb, wie er mit dem Google Reader, delicious und facebook sein Informationsuniversum organisiert. Bei den Tumblelogs war für mich neu, dass es inzwischen eigene Redaktionssysteme wie Chyrp für sie gibt. (Ich glaube, ich muss endlich selbst mit einem Tumblelog beginnen. Was sich damit machen lässt, vor allem die Kombination von Fundstücken, kann man nicht mit einem klassischen Blog + Microblogging ersetzen.)

Bei Michaels Session hat mir vor allem gefallen, wie er seinen täglichen Umgang mit einer Unmenge von Informationen präsentiert hat, nämlich von ihem Ergebnis her. Man kann so sicher besser zeigen, welchen Sinn der Google Reader oder delicious haben, als wenn man zuerst ihre Funktionen und ihre technischen Grundlagen beschreibt, wozu ich im Unterricht neige.

Twitter for Fun and Profit?

Jochen fragt die anwesenden Aficionados, wie sie Twitter nutzen, und es kam eine ganze Reihe interessanter Antworten zusammen. Die Frage: Welchen Sinn hat Twitter überhaupt? stellt kaum noch jemand. Achim Meurers Videoaufzeichnung der Session hier.

Open StreetMap

Das Highlight des BarCamps für mich war Helges Session zu Open StreetMap. Über dieses Projekt habe ich vorher nichts gewusst, außer dass es existiert. Es geht dabei um eine komplette weltweite Straßenkartographie, die nach Open Source-/Wiki-Prinzipien erstellt wird und für jeden frei verwendbar ist. Ich kann Helge nur zustimmen, dass es hier um Großes geht: eines der wichtigsten Datenaggregate im Bereich der commons überhaupt. Die Qualität ist jetzt schon hoch, und die Konsequenzen sind überhaupt noch nicht zu ermesssen. Viele Städte außerhalb der Industrieländer erhalten überhaupt zum ersten Mal verlässliche Karten (so dass sich zum Beispiel auch nachweisen lässt, wo ganze Stadtviertel willkürlich von Bulldozern zerstört wurden.)

iPhone Apps

Ich habe leider noch kein iPhone, so dass ich der von Achim Meurer moderierten Session über iPhone-Applikationen nur als Zuhörer folgen konnte. Höhepunkt für mich: das iPhone als Mundharmonika.

PR vs. Web 2.0

Florian Ranner moderierte eine Session, die vor allem Probleme der PR im Web 2.0 betraf. Er fragte aus der PR-Perspektive, welche Botschaften einer Firma überhaupt auf Interesse bei Bloggern stoßen. Zu einem eindeutigen Ergebnis sind wir nicht gekommen. Klar ist nur, dass es mit Maßnahmen wie dem Social Media Release nicht getan ist. Wenn PR-Leute von Bloggern gehört werden wollen, müssen sie in deren Szene über die nötige Reputation verfügen.

Kulturwissenschaften vs. Web

Ganz zum Schluss habe ich mit Jana Herwig über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit unterhalten, geistes- oder kulturwissenschaftlich an das Web heranzugehen. Wir sind — von verschiedenen Ausgangspunkten aus — zum selben Ergebnis gekommen: Es ist dringend, einen webwissenschaftlichen Diskurs zu etablieren, in Fühlung aber auch in Distanz zur aktuellen akademischen Diskussion oder Nichtdiskussion des Web.

Verpasst …

… habe ich u.a. die Session über die Anwendung des Frequency Following Response in Werbung und Medien, die man sich aber erfreulicher Weise im e-Learning Blog anhören kann. Auch Matthias Lux‘ Session über Lire hätte ich gerne besucht.

Fazit

Neulich habe ich über ein BarCamp den abwertenden Ausdruck Quasselcamp gelesen. Tatsächlich ist ein Barcamp eine Gelegenheit zu sprechen. Ich glaube, die meisten Teilnehmer waren von diesem Format wieder so angetan wie ich: Man kann sich offen und ohne Wichtigtuerei über Dinge austauschen, die einen interessieren, und genauso gefragt, wie sein Wissen weiterzugeben, ist zu sagen, was man nicht weiß.

Anmerkung: Ich werde noch ein paar Videos von Sessions ins Netz stellen und die Links dazu ergänzen.