Bei Arte TV kann man sich die Debatte Royal/Sarkozy noch einmal anschauen, wenn man so viel Zeit hat. Im Vergleich zu österreichischen und deutschen Wahlsendungen hat mich die „Kampfkultur“ fasziniert. Das ganze fand in einer Arena, fast einem kleinen Amphitheater statt. Die Journalisten dienten nur als Ringrichter („Wanduhren“, hieß es in der Nachbesprechung auf TV5). Royal und Sarkozy gingen wie geschulte Fechter aufeinander los, hielten sich genau an die Zeitvorgaben und hatten wohl auch selbst Spaß am verbalen Zustechen. Anders als outre-Rhin, wo die Aggressivität entweder plump ist oder sich unter gedrechselten Satzungetümen verbirgt.

Ich möchte eine neue Kategorie bei Lost and Found einführen; ich werde sie mit dem etwas verstaubten Ausdruck Lernmittel bezeichnen. Darunter sammele ich Präsentationen, Videos und Texte, die ich für das Unterrichten von Sozialen Medien verwenden kann. Als erstes: Eric Eggerts Präsentation Modernes Webdesign(pdf). Eric geht auf die Punkte ein, die für einen Autor beim Design von HTML-Seiten am wichtigsten sind; ich kann seine Präsentation für HTML-Einführungen und für Veranstaltungen zur Konzeption von Web-Auftritten benutzen. Er erklärt, was POSH (Plain Old Semantic HTML) ist, beschäftigt sich mit persönlichen Codebausteinen, Rastern aus Spalten und Zeilen, Typografie und unaufdringlichem JavaScript. Und er bietet am Ende eine Zusammenstellung weiterführender Texte. Alles aüßerst knapp, aber so, dass in jedem Abschnitt eine neue Perspektive aufgezeigt wird. (Ich hoffe nur, dass ich selbst die Zeit finde, Erics Bibliografie „nachzulesen“.)

Ein weiteres Argument dafür, soziale Medien als Unterrichtsthema zu etablieren — und damit auch als Lehr- und Forschungsgegenstand für Hochschulen, die die Unterrichtenden ausbilden:

In einer globalisierten Welt muss unser Bildungssystem unsere Kinder und Jugendlichen darauf vorbereiten, dass Sie in einem weltweiten Markt an potentiellen Bewerbern auch international gebenchmarkt werden. Das wird über globale Gatekeeper in Form von Suchmaschinen wie Google passieren… Die meisten der heute 15jährigen können technisch perfekt mit diesen Tools umgehen – aus einer medienethischen Sichtweise gibt es aber Nachholbedarf, hier sind unsere Lehrer, Professoren, etc. gefragt. Damit sie diese Aufgabe aber übernehmen können, müssen Sie erst selbst mit diesen Tools umgehen können. Insofern überspitzt formuliert „kein Lehrer ohne Blog, kein Lehrer mehr ohne YouTube Account!“

In dem Kommentaren zu Dieter Rappolds Posting steht:

das wissen wie man publiziert im internet und wie man umfassende informationen aus webbrotkrümmeln zu etwas ganzen zusammenfasst ist noch nicht so verbreitet wie man denkt, ergo produkt und verkaufsfähig

Dieter weist auf einen TechCrunch-Artikel über Spock’s New People Engine hin; wer seine Aussage über Google für überzogen hält, sollte diesen Text lesen.

Ich sammele solche Argumente, weil wir an der FH Joanneum einen Masterstudiengang „Web Publishing“ konzipiert haben; in den kommenden Monaten wird entschieden, ob das Konzept umgesetzt wird. Ich bin inzwischen dafür, ihn in „Soziale Medien“ umzubenennen.

Für mich ist dabei klar, dass die Fähigkeit, mit sozialen Medien umzugehen, nie eine Sache für Spezialisten sein kann; es wird sich dabei schon bald um eine Kulturtechnik handeln. Profis werden aber für Tätigkeiten gebraucht werden, die der Durchbruch der sozialen Medien mit sich bringen wird, etwa das Unterrichten, das Analysieren oder das Verwenden sozialer Medien zum Wissensaustausch oder zur Kommunikation in verstreuten Teams.

In den USA machen Watchdog-Gruppen politische Vorgänge mit Mashups transparent. Ein Beispiel zeigt, wie Lobbies mit Spenden verhindern, dass kalifornische Abgeordnete für Umweltschutz stimmen:

Maplighttimber

Für Mashups mit öffentlich zugänglichen Daten benötigt man Application Programming Interfaces (APIs): Schnittstellen, über die sich die benötigten Informationen automatisiert beschaffen lassen.

Wired hat politischen Mashups einen Artikel gewidmet: Web Mashups Turn Citizens Into Washington’s Newest Watchdogs; er beginnt:

Tread carefully, politicians — concerned citizens are watching your every move on the web. Their tools? Custom data mashups that use public databases to draw correlations between every vote cast and every dollar spent in Washington.

Den Hinweis verdanke ich dem ProgrammableWeb-Blog:
„Can web mashups keep politicians on their toes?“

ProgrammableWeb ist ein laufend aktualisiertes Verzeichnis von APIs, die sich für Mashups nutzen lassen; es bietet außerdem viele zusätzliche Informationen zum Thema Mashups. Die Site listet neun APIs zu Regierungsausgaben in den USA. Nachahmswerte Highlights: OMB Watch/fedspendin.org und Follow The Money

Raymond Yee arbeitet an einem Buch über Remixing Data and Services on the Web: Mashup Guide. Auf der Website wird nicht nur das Buch nach und nach publiziert, Raymond beschreibt seinen Arbeitsfortschritt auch in einem Blog. Das Projekt ist enzyklopädisch breit angelegt, es wendet sich nicht vor allem an Techniker. Der Autor hat wohl eher Studenten im Auge, wie er sie an der UC Berkeley unterrichtet.

Wenn das Projekt gelingt, dann könnte es zu einer schwafelfreien Einführung in die Infrastruktur des Web 2.0 werden. Hoffentlich kann Raymond Yee so schnell schreiben, wie sich sein Thema verändert!