Torsten Larbig greift in einem langen Post kritisch und auch etwas elegisch die immerwährende Blogger-Debatte über das Bloggen auf. Einer der Schwachpunkte aus seiner Sicht: Die deutschen Blogger beschäftigten sich zu sehr mit sich selbst, sie schrieben zu selbstreferentiell:
Daran leider kranken meines Erachtens übrigens „Blog-Debatten“ von Anfang an, genau genommen seit ein paar Blogger das Netz erobert haben und im Prinzip die Meinung vertraten, dass Bloggen letztlich nichts anderes bedeute, als sich bloggend mit dem Netz (also im wesentlichen mit sich selbst) zu beschäftigen und „das Netz“ ins Zentrum zu stellen. Wer sich mit anderen Inhalten befasste, wurde und wird weitgehend von „echten Bloggern“ nur dann beachtet, wenn man die gleichen Themen hat, sich also die gleichen Begrenzungen auferlegt.
Die meisten Bloggerinnen und Blogger, die ich lese—hier in Österreich z.B. Jana Herwig, Luca Hammer und Georg Holzer, in Deutschland Stefan Niggemeier, Thomas Knüwer, Robert Basic—haben durchaus etwas zu sagen. Sie schreiben über etwas, wenn sie schreiben. Aber sie schreiben auch über das Bloggen, die Blogospäre und die digitale Öffentlichkeit, in der sie sich bewegen. Das hängt kaum damit zusammen, dass sie sich nicht für andere Themen interessieren.
Ich glaube, dass die Selbstreferenzialität bei diesen und anderen Blogs nicht dadurch bedingt ist, dass man sich selbst zu ernst nimmt oder sich als Elite fühlt, die selbst definieren kann, was wichtig ist. Ich halte sie stattdessen für eng mit dem Bloggen verbunden. Meine These ist: Blogs sind—wie Essays—eine selbstreferentielle Form, sie dienen der Selbstdarstellung und der Selbstreflexion der Bloggerinnen oder Blogger. Torsten Larbig z.B. stellt sich in seinem Blog als bloggender Lehrer, eben als der Herr Larbig dar und reflektiert sich als solchen. Diese Konzentration auf sich selbst, und auch die Selbststilisierung, das—um das hässliche Wort aus der Viehzucht zu verwenden—Branding unterscheiden ein Blog von einer Serie von Posts bei Facebook oder Google+.
Zu dieser Selbstrefentialität gehört auch, dass ein Blogger sich selbst als Blogger definiert, während man wohl nur selten von sich sagt, dass man ein Facebooker oder Googleplusser ist. Wer bloggt, zeigt dadurch, wie er bloggt, anderen auch, dass er bloggt. Wie ein doing gender gibt es auch ein doing blogging: Ein Blogger oder eine Bloggerin präsentiert sich anderen als solcher oder solche. Diese Selbstpräsentation kann man nicht vom Bloggen abtrennen.
Noch mal anders formuliert, mit einem Konzept von Harold Garfinkel: Ein Blogpost ist nicht nur eine Text über ein Thema sondern auch ein Account. Es berichtet darüber, dass man gebloggt hat, sich bloggend mit etwas beschäftigt hat. (So wie man, wenn man kocht, auch sich und anderen mit vielen Mitteln verständlich macht, dass man kocht.) Dass man bloggt, stellt man anders dar, als wenn man deutlich macht, dass man facebookt. Der viel deutlichere Selbstbezug gehört zu den Besonderheiten des Bloggens.
Ich habe jetzt etwas ungerechterweise Torsten Larbigs Post als Vorwand dafür genommen, an einem Gedanken zu formulieren, der mir schon länger vorschwebt, aber noch nicht wirklich deutlich ist. Mir ist klar, dass ich zwei Vorstellungen von Selbstbezug miteinander verbinde: Das ausdrückliche Reflektieren über sich selbst und die Selbstdarstellung oder Darstellung, dass man etwas bestimmtes tut. Dieses Darstellen dessen, was man tut, interessiert mich vor allem. Es sieht im Netz anders aus, als in älteren Schreib- und Kommunikationsumgebungen, und Blogs sind vielleicht eine der ersten Formen einer sozialen Aktivität im Web, die sich nicht in einen Kontext außerhalb des Webs übertragen lässt.
Dazu fällt mir ein, dass ich schon immer mal wieder Montaigne, den ich vor ca. 15-17 Jahren gelesen habe, ohne damals zu wissen, WIE ich ihn eigentlich lesen soll (weshalb mir vieles entgangen ist), mir wieder vornehmen wollen würde und mich mit dessen Selbstkomtemplationen beschätigen wollen würde aus der Perspektive einer Bloggerin.
Leider hat Selbstreflektion insbesondere im deutschsprachigen Raum einen bösen Ruf der Selbstbezogenheit, was im nordamerikanischen Raum m.E. ganz anders ist. Ich hatte einmal einen US-Kollegen, der ganz selbstverständlich ein ‚reflective Journal‘ über seine berufliche Tätigkeit führte – Bloggen, minus die Öffentlichkeit.
Über etwas Nachdenken ist m.E. immer in einer Weise selbstbezogen, da es selten darum geht, was ganz objektiv für alle richtig ist, sondern darum, wie ICH mich zu etwas verhalte. Schreiben unterstützt das Nachdenken, weil es das Nachdenken nachvollziehbar macht.
War ich schon mal so penetrant, auf meinen About-Text hinzuweisen? Mein Mission-Statement, quasi, das zu deiner These passt:
In erster Linie ist Bloggen für mich: eine Medien- und damit eine Selbsttechnologie, eine Erinnerung an die Notwendigkeit, eigene Gedanken regelmäßig in Schriftform zu fassen, eine Abmessen des Abstands zwischen Innen- und Außenwelt (eine Dichotomie, die es in dieser Reinform ebenso wenig gibt wie die zwischen offline und online, real und virtuell). Es gibt vermutlich anähernd so viele Blogformen, wie es BloggerInnen gibt. Ein Blogpost ist eine Flaschenpost, hinausgeworfen in den Ozean des Social Web. Vielleicht liest jemand mit, Plankton, Seehunde, Menschen, vielleicht antwortet wer. Vielleicht geht sie verloren – was nichts macht, denn das Schreiben ist vorrangig. Schreiben macht Denken nachvollziehbar und finale Gedanken gibt es nicht.