Über die sociocybernetics-Liste bin ich auf einen kurzen Bericht über eine der wohl seltenen persönlichen Begegnungen von Bruno Latour und Niklas Luhmann gestoßen.
Ich habe Walter Ongs Orality and Literacy: The Technologizing of the Word1 vor allem gelesen, weil mich interessiert, was das Besondere an der Schriftlichkeit im Web ist. Ong schreibt in diesem Buch zwar nicht direkt über das Web—es ist Anfang der 80er Jahre erschienen. Aber er beschäftigt sich gründlich und historisch damit, was Schriftlichkeit ist. Dabei formuliert er Thesen, deren Übertragbarkeit auf das Web man untersuchen kann.
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Ich lese gerade Garfinkels langen Text Passing and the managed achievement of sex status in an „intersexed“ person in den Studies in Ethnomethodology. In diesem Text geht es darum, wie eine Frau vor und nach einer Geschlechtsumwandlung die weibliche Rolle abonniert. Das Ziel Garfinkels ist es herauszubekommen, wie eine solche Rolle als moralische Entität oder moralisches Objekt verstanden wird. Agnes, so nennt Garfinkel die Person, die er beschreibt, managt das passing, den Übergang zu einem medizinisch gesehen neuen Geschlecht, indem sie sich darauf beruft, dass sie von Natur aus immer schon eine Frau gewesen ist.
Mich interessiert diese Rechtfertigung bzw. dieses Verständlichmachen. In Garfinkels Theorie spielen die Begriffe account und reflexivity eine wichtige Rolle. Zu jeder Art von menschlichem Handeln gehört Rationalität nicht im theoretischen Sinn sondern im Sinne des Verständlichmachens, Erklärens oder Rechtfertigens der eigenen Handlungen für andere und für sich selbst. Soziale Ordnungen oder Strukturen entstehen, weil—oder setzen voraus, dass—mehrere Akteure ihr Handeln füreinander so rechtfertigen bzw. verständlich machen können, dass sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können. Dabei handelt es sich nicht um ein Verständlichmachen gegenüber einem theoretischen Zweifel sondern um eine permanente Berufung auf Selbstverständliches, das als solches schwer zu thematisieren ist und außer von Soziologen oder Phänomenologen auch kaum thematisiert wird.
Im Grunde geht es dabei immer darum, was die soziale Wirklichkeit ist, was von den Teilnehmern in einer sozialen Struktur als unbezweifelbar und gewiss angesehen wird. Es gibt z.B. durchaus sozial sanktionierte Möglichkeiten das Geschlecht zu wechseln, z.B. im Karneval oder im Theater. In solchen Fällen kehrt man aber danach immer wieder zu seinem wirklichen Geschlecht zurück, an dem niemand zweifelt. (Mit diesen unverrückbaren praktischen Gewissheiten beschäftigt sich Garfinkel vor allem.)
Ein ganz anderes Beispiel: Gestern habe ich mit Kollegen über Lehrveranstaltungen diskutiert. Dabei haben wir uns alle drei auf die Aufgaben eines Bachelor-Studiums bezogen. Wir haben unsere Position bei relativ konkreten Fragen gerechtfertigt, indem wir uns auf sehr abstrakte Grundsätze und Programmen bezogen haben. Handlungen oder Äußerungen, die man nicht in einer solchen oder ähnlichen Form rechtfertigen kann, würden offenbar als unsozial, unverständlich, irrational oder ähnlich eingeschätzt. Die selbstverständliche Realität besteht in diesem Fall nicht in den Grundsätzen, auf die wir uns berufen haben, sondern darin, dass wir uns auf Grundsätze berufen.
In Bezug auf das Web stellt sich die Frage, ob es dort spezifische Selbstverständlichkeiten gibt und in welchen Verhältnis sie zu anderen sozialen Selbstverständlichkeiten stehen. Ein Beispiel, dass mich an den Geschlechtswandel im Karneval erinnert, nach dem man zu seinem natürlichen Geschlecht zurückkehrt: Der Realitätscharakter digitaler Informationen ist für viele Menschen offenbar unklar; Realität haben für sie nur Informationen, die ausgedruckt sind. Vielfach unterliegen digitale Informationen generell dem Zweifel an ihrer Wirklichkeit (so wie es mindestens früher auch mit geschriebenen Informationen war; die platonische Schriftkritik geht wohl von der grundsätzlichen Unzuverlässigkeit schriftlicher Informationen aus).
Für ethnomethodologische Untersuchungen zum Web kann das heissen: Auf einer Ebene lässt sich untersuchen, wie Akteure im Web ihr Handeln rechtfertigen und verständlich machen. Dafür gibt es Beispiele vom Literate Programming bis zur Selbstdarstellung bei Twitter. Auf dieser Ebene geht es um die accounts im Sinner Garfinkels, die nicht etwas Sekundäres sind, sondern zu jedem sozialen Handeln gehören. Auf einer zweiten Ebene lässt sich fragen, welche sozialen Objekte die Teilnehmer an der Webkommunikation konstruieren, oder: an welche Objekte sie glauben, welche Objekte für sie eine soziale und moralische Autorität, einen Sollenscharakter haben, und welche Eigenschaften diese Objekte haben.
Das sind sehr provisorische Überlegungen; ich bin mir nicht sicher, ob ich mit meinem Verständnis Garfinkels überhaupt richtig liege. Ich habe aber den Eindruck dass das Rechtfertigen und Transparentmachen des eigenen Agierens im Web ein Schlüsselthema sein könnte, wenn man herausfinden will, was die sozialen Eigenschaften des Webs sind.
“Wenn du einen Apfel hast und ich habe einen Apfel und wir tauschen die Äpfel, wird jeder von uns nach wie vor einen Apfel haben. Aber wenn du eine Idee hast und ich habe eine Idee und wir tauschen diese Ideen aus, dann wird jeder von uns zwei Ideen haben.” [George Bernard Shaw; thx Peter Glaser!]
Das erste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe, war eine Weihnachtsüberraschung — Michel Serres: Aufklärungen. Gespräche mit Bruno Latour.
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„Good Morning Silicon Valley’s John Paczkowski does an outstanding job of putting in their place all those lambasting standards expert Rick Jelliffe and Microsoft…“
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„So I was a little surprised to receive email a couple of days ago from Microsoft saying they wanted to contract someone independent but friendly (me) for a couple of days to provide more balance on Wikipedia concerning ODF/OOXML.,,,“
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„In this article, we’ll look at what’s new, organized into four major areas: Ajax support, String extensions, Array/Enumerable extensions, and DOM access.“
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„amplee is a Python implementation of the Atom Publishing Protocol (APP), as specified in the current draft 12.“
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Dokumentation der Implementierung des Atom Publishing Protocols; guter kompromierter Überblick über das Protokoll
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„The goal of the Apache Abdera project is to build a functionally-complete, high-performance implementation of the IETF Atom Syndication Format (RFC 4287) and Atom Publishing Protocol (in-progress) specifications.“
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Liste mit Implementierungen des Atom Publishing Protocols auf dem Atom Wiki
Eigenwerte sind nach Heinz von Foerster vergleichbar mit dem Symbol der Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Gemeint ist damit, daß Resultate der Operationen eines Systems, wieder als Eingangsgrößen in das System eingeführt werden. Das Resultat einer Operation wird somit wieder als Ausgangspunkt für eine neue Operation benutzt usw. [Bazon Brock:Eigenwerte]
Wenn eine systemtheoretische Theorie von Webpublikationen oder des WWW möglich ist, dann könnten sich Eigenwerte identifizieren lassen, die durch Rekursionen zustandekommen. Das Web oder ein bestimmter Bereich des Web müsste sich immer wieder selbst verarbeiten, und in dieser selbstreferentiellen Aktivität würden so etwas wie feste Größen oder "Gegenstände" entstehen. Ein Netzwerk-Effekt (der Wikipedia-Artikel spricht dabei von Feedback
), etwa die Verdoppelung der möglichen Beziehungen bei nur einem hinzukommenden Knoten, könnte zum Beispiel dazu führen, dass sich Communities, Dienste oder Unternehmen eines bestimmten Typs immer wieder etablieren. Vielleicht sind auch Basis-Technologien (Hypertext, Newsfeeds) Kandidaten für Eigenwerte.
Technorati Tags: Eigenwerte, Systemtheorie