Ich habe lange gebraucht um ein kleines Buch zu lesen, dessen Titel nicht in die Reihe der Titel passt, die ich hier sonst erwähne: Breath of Love von Bhante Vimalaramsi. Das Buch enthält Einführungen in die Atem- und die Metta (Loving Kindness)-Meditation.
Bei der Suche nach einer Einleitung zur Metta-Meditation bin ich auf das Buch gestoßen. Sein Hauptteil ist aber ein Kommentar zum Anapanasati-Sutta, das die wichtigste Lehrrede des historischen Buddha zur Atem-Meditation enthält.
Ich habe das Buch aus zwei Gründen durchgelesen: Ich verstehe es als einen authentischen, aber für mich als Außenstehenden zugänglichen Einblick in eine Form der buddhistischen Praxis, und es hilft mir bei meinen eigenen Versuchen zu meditieren. Es ist nicht für Intellektuelle geschrieben wie Gert Scobels hervorragendes Buch NichtDenken. Es unterscheidet sich deutlich von Digital Lifestyle-kompatiblen Anleitungen zur Meditation wie denen in der Headspace App, die ich jahrelang benutzt habe. Es erinnert an fromme christliche Erbauungsbücher. Dazu steht nicht im Widerspruch, dass es leicht memorierbare Faustregeln für die Meditation enthält, vor allem für den Umgang mit den Gedanken und Gefühlen, die beim Meditieren auftauchen. Die wichtigste dieser Regel ist die der 6 R, die für 6 Schritte stehen, mit denen man zum Meditationsgegenstand zurückkehrt, wenn man abgelenkt ist: Recognize—Release—Relax—Resmile—Return—Repeat.
Vimalaramsi vertritt eine Form des Buddhismus, für die der Einzelne durch Meditation das Nibbana (Nirvana) erreichen kann. Er stellt in seiner Interpretation des Anapanasati-Suttas die verschiedenen Stufen dieses Weges detailliert dar. Er nimmt die Aussagen des Suttas wörtlich. Durch diese Rückkehr zum Urtext unterscheidet er sich, wie man der Einführung des Buchs entnehmen kann, von den meisten seiner Lehrer. Vimalaramsi hat die Meditation in Asien gelernt, ist aber selbst Amerikaner und heute Abt einer buddhistischen Community in den USA. Vielleicht ist es nur eine Phantasie—mir kommt sein Zugang zur Meditation bei aller Frömmigkeit amerikanisch pragmatisch vor.
Zu diesem pragmatischen Zugang gehört es, die Meditation als etwas Einfaches, für alle Menschen leicht Zugängliches zu verstehen und zu erklären. Diese Zugänglichkeit unterscheidet die Meditation, wie sie hier beschrieben wird, von einer intellektuellen spirituellen Praxis wie der platonischen Philosophie, aber auch von Formen der Meditation und des Gebets, die an das Akzeptieren von bestimmten Glaubensinhalten gebunden sind. Mir selbst helfen die Texte dieses Buchs dabei, entspannter zu meditieren und die Meditation als ein Geschehen auf mehreren Stufen wahrzunehmen und zu praktizieren: von der Körperwahrnehmung über Gefühle bis hin zum Denken, den formations, wie sie Vimalaramsi entsprechend der buddhistischen Lehre von den 5 Skandhas nennt.
Mich faszinieren die Meditation und der Buddhismus aus mehreren Gründen immer mehr. Ich versuche, sie als nachvollziehbare Alternativen zu wichtigen Strängen des europäischen Denkens und europäischer intellektueller Praktiken kennenzulernen—wobei vielleicht gerade die Geschichte des Buddhismus zeigt, dass man nicht so einfach zwischen Europäischem und Nichteuropäischem unterscheiden kann. Es gab wohl immer wieder Berührungen vor allem zwischen der skeptischen Tradition im Westen und dem Buddhismus.
Vimalaramsi bietet so etwas wie einen naiven Zugang zu einer sehr komplexen Welt. Ich möchte sie nicht mit diesem Zugang verwechseln, aber nur über solche Zugänge kann ich mir ihre Besonderheiten erschließen.
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