Wir hatten gestern erregte Diskussionen in der Lehrveranstaltung Multimedia Publishing. Darin ging es zum Teil um spezifische Probleme unseres Studiengangs, aber auch um die grundsätzliche Frage, warum Leute, die Journalisten, aber nicht Online-Journalisten werden wollen, sich so viel mit digitaler Technik und ganz speziell z.B. mit einem Content-Management-System wie Drupal beschäftigen sollen.

Ich improvisiere hier eine Antwort: Wer in der digitalen Welt professionell informieren will, braucht nicht nur User-, sondern auch Developer-Kenntnisse über das Publizieren. Die Medien sind nicht mehr Konstanten, sondern Variablen. Informationsprofis sind deshalb heute auch Media Hacker.

Medien als Konstanten

Thema unseres Studiengangs ist professionelle Information. Informationsprofis braucht man, wenn bestimmte Zielgruppen angesprochen, wenn komplexe Sachverhalte vermittelt, wenn bestimmte Wirkungen erreicht oder wenn die Informationen unterhaltsam und verkäuflich sein sollen. Noch dringender braucht man sie, um Desinformationen und Verschleierungen entgegenzuarbeiten, also für investigativen Journalismus und aufklärende PR. Wer professionell informiert, sollte ganze Informationsprozesse steuern oder managen können, nicht nur Teilfunktionen ausfüllen.

Wie man professionell informiert, hängt von Techniken ab. Diese Techniken haben sich lange nur langsam bzw. in großen Schüben (Erfindung der Schrift, Erfindung des Buchdrucks, Erfindung der Telekommunikation) verändert. Und verändert hat sich dabei die materielle Seite, die Hardware. Wie man mit der Technik umging, die Kommunikationspraxis also, war zwar von der Technik abhängig, hatte aber kaum Einfluss auf die Technik. Journalisten und PR-Leute mussten die Möglichkeiten und Grenzen der verwendeten Technik kennen, sie aber nicht verändern. Für Informationsprofis galt: Die Medien waren Konstanten, ihre Inhalte Variablen.

Medien als Variablen

Heute sind die Medien abhängig von einer sich exponenziell steigernden Leistungsfähigkeit der Hardware und vor allem von der Entwicklung von Software in einer weltweiten Community. So wichtig sich die Murdochs, Döpfners und Dichands nehmen: Für den Informationssektor sind Hacker wie Dave Winer, Evan Williams oder Julian Assange um Dimensionen folgenreicher. Print oder Fernsehen werden zu Ausgabeformaten von digitalen Prozessen. Für die Verbreitung von Nachrichten ist Twitter jetzt schon wichtiger als CNN. Medien sind nicht mehr Konstanten, sondern Variablen.

Für Informationsprofis stellt sich die Frage: Lieber Dampfwalze oder lieber Straße? Wer die Prozesse, die die Informationswelt heute bestimmen, mitgestalten will, muss Medienformate und digitale Kommunikationsformen mitentwickeln können. Die Leitungen und Gefäße, in die man Inhalte einfach einfüllen könnte, sind nicht mehr dicht. Wer wirksam informieren will, muss Formen kreieren, die Potenziale neu kreierter Formen erkennen und die digitalen Daten, ohne die Gegenwart nicht begreifbar ist, aufbereiten können. Das geht nicht ohne Wissen über digitale Technologie, ohne Hacker-Knowhow.

Ein Kommentar zu “Informationsprofis als Media Hacker—oder: Warum müssen wir soviel Technik lernen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.