Ich denke darüber nach, in welchem Verhältnis das, was ich tue, zur Wissenschaft und auch zu einer wissenschaftlichen Institution wie der Fachhochschule steht, an der ich arbeite. Hintergrund dafür ist, dass mich interessiert, welche Beziehungen es—konkret in Bezug auf die Klimakrise—zwischen dem Publizieren für die Öffentlichkeit und dem wissenschaftlichen Publizieren gibt, und welche Rolle dabei das Web spielt und spielen kann. In welcher Rolle spricht man, wenn man wissenschaftliche Ergebnisse zur Klimakrise außerhalb eines wissenschaftlichen Publikums diskutiert? Ist man dann entweder Dolmetscher oder Sprachrohr der Wissenschaft oder aber ihr Gegner? Oder ist diese Diskursebene, oder sind diese Diskurse etwas Eigenes, das umgekehrt auch zu der Wissenschaft spricht—gibt es so etwas wie notwendige intertextuelle (wenn das Wort richtig ist) Beziehungen zwischen Wissenschaft und öffentlichem Sprechen oder Schreiben? Und wie kann man auf diese Fragen die analytischen Instrumente anwenden, die in den Science Studies entstanden sind?

Es gibt auch einen konkreten Anlass: die Wissenschaftlichkeit der Fachhochschule, an der ich arbeite (wenn auch nur noch in Teilzeit), die gerade öffentlich diskutiert wird, weil an ihr eine offen rassistisch intendierte Bachelorarbeit akzeptiert wurde. Welche wissenschaftlichen Standards herrschen dort, wie weit sind sie relevant für das was ich tue und was ich in den letzten Jahren getan habe?

An einer Hochschule, die sich als wissenschaftlich bezeichnet, muss es Standards geben, die es erlauben, etwas als wissenschaftlich oder nicht wisssenschaftlich zu bezeichnen. Diese Standards sind hier unterlaufen oder verletzt worden: Dadurch, dass offenbar die fachliche Kontrolle von Arbeiten nicht ausreichend war, also die interne Qualitätskontrolle in diesem Fall versagt hat, und vor allem dadurch, dass Angst vor öffentlichem Druck durch Rechtsradikale ein Grund dafür war, dass diese Entscheidung nicht revidiert wurde. (Dabei verlasse ich mich auf den Artikel im Standard, weitere Informationen habe ich nicht.) Da ich in den letzten Jahren an dieser Hochschulen einen Studiengang mit ins Leben gerufen habe, möchte ich nicht, dass der Wert der Abschlüsse der Absolventinnen und Absolventen leidet. Ich bin immer dafür eingetreten, so öffentlich wie möglich zu arbeiten, und und unter anderem unsere Masterarbeiten, so weit es geht, zu publizieren, damit es so viel wie möglich öffentliche Qualitätskontrolle gibt. Aber wir agieren damit vor allem in einer nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit. (Zu der Problematik der Wissenschaftlichkeit unseres Studiums haben meine Kollegin Jutta Pauschenwein und ich gerade einen Artikel publiziert.)

Den Doublebind, in dem ich mich befinde, kann ich so formulieren: (1) Die Wissenschaftlichkeit wissenschaftlicher Argumentationen muss für eine nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit begründbar und verstehbar sein. (2) Die öffentliche Diskussion muss sich an wissenschaftlichen Normen orientieren, wenn man nicht genau in die Beliebigkeit (Stichwort: Epistemic Crisis) abgleiten will, bei der jede Behauptung gleichrangig ist, unabhängig von den Methoden und Institutionen, denen sie ihre Begründung verdankt.

Im Großen: Die Öffentlichkeit muss die Wissenschaftlichkeit der Klimaforschung verstehen und akzeptieren können, und umgekehrt muss sich die Argumentation in der Öffentlichkeit an wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen orientieren. Im Kleinen: Die Öffentlichkeit muss die Qualität unserer Arbeit an einen Hochschulstudiengang beurteilen können, aber umgekehrt legitimieren wir uns durch die Qualitätskontrolle einer wissenschaftlichen Institution, nämlich der akademischen Gremien der Hochschule, gegenüber der Öffentlichkeit.

Hier in meinem Blog kann ich, wie es Daniela Holzer neulich genannt hat, wild denken. Ich muss nicht alles berücksichtigen, was zu diesen Fragen geschrieben wurde, und kann mich darauf konzentrieren, die Fragen zu formulieren. Es geht hier um das Vertrauen in wissenschaftliche Institutionen, die Abhängigkeit dieses Vertrauens von Öffentlichkeit und Veröffentlichung (wegen dieser Abhängigkeit ist es so katastrophal, wenn eine Hochschule eine zweifelhafte Arbeit still akzeptiert) und die Abhängigkeit des Vertrauens der Öffentlichkeit von wissenschaftlichen Institutionen (deren Abwertung ein Symptom der epistemischen Krise ist, ohne die die Rechtsradikalen und Klimaskeptiker wirkungslos wären). Ich vermute, dass man diesem Dilemma oder Zirkel nicht entgehen kann, indem man sich auf eine Außeninstanz (die Wissenschaft,die Realität) bezieht, sondern nur durch Dekonstruktion oder Analyse, durch das Nachvollziehen der Genese von Äußerungen im Einzelnen. Bei dieser Dekonstruktion kann das Publizieren im Web, das Verlinken vieler kleiner Stücke eine Rolle spielen, die in der traditionellen Öffentlichkeit so nicht möglich war und zur Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher und akademischer Argumentationen beitragen kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.