Thomas Pleil weist auf Brian Solis‘ Eintrag Cultural Voyeurism and Social Media hin, in dem Solis seinen Satz Social Media is About Sociology Not Technology erläutert (Solis‘ Artikel mit diesem Titel hier). Ich stimme Solis fast überall zu (der soziologische Aspekt der Web-Medien ist das Thema, mit dem ich mich in den kommenden Jahren vor allem beschäftigen möchte; und da vor allem mit den sozialen Aspekten des Hypertexts). Allerdings glaube ich, dass sich in seiner Argumentation an einigen Stellen genau die Trennung von Gesellschaft hier und Technik dort wiederfindet, die es ermöglicht, soziale Medien als Technologie mißzuverstehen. Solis schreibt:

Technology is just that, technology.

Das suggeriert, dass man soziale Zusammenhänge unabhängig von der Technik und den Objekten beschreiben könnte, mit denen sie verbunden sind. Ich kann mir nicht vorstellen wie das gehen sollte, oder: Man würde, ginge man so vor, die soziale Dynamik mißverstehen, die durch das Amalgam von menschlichen und nichtmenschlichen, sozialen und techischen Faktoren zustandekommt. Ich finde es sinnvoller, nach den nichtmenschlichen Akteuren (im Sinne Bruno Latours) und ihrer Humanisierung auch im Bereich der sozialen oder Web-Medien zu fragen. Latour selbst beschäftigt sich vor allem mit materiellen Objekten als sozialen Akteuren. Im Web spielen immaterielle, nichtmenschliche Akteure — Akteure auf der Datenebene — entscheidende Rollen; vielleicht fehlt uns aber noch das begriffliche Instrumentarium, um diese Rollen anders als mit Kategorien aus der Zeit vor der Entwickung des Web beschreiben zu können.

Sehenswert: Martin Ebners Präsentation Podcasting, Blogging und Wikis auf dem Weg in die Hochschullehre; Video jetzt hier Gut gefällt mir vor allem das Bild des traditionellen Learning-Managements als Burg, mit der Administration oben, dem Learning-Management-System darunter und einem ganz kleinen Tor, durch das die Studierenden Kontakt mit der Außenwelt halten können (ein Bild, das sich auch gut auf Unternehmen übertragen lässt).

Martin geht es um die Öffnung dieses Systems, von einer Blogging-Plattform wie Elgg bis hin zu Tools für das mobile Lernen und der Integration der neuen internetähigen Geräte jenseits des Computers. (Daneben steht die Öffnung der Forschung durch Open-Access-Publikationen und zunehmend auch durch Tools wie BibSonomy, mit denen sich webgestützt wissenschaftlich arbeiten lässt.)

Vor einer Stunde habe ich mich bei Utterz angemeldet (thx Boris!). Es ist, österreichisch gesagt, blunzen-einfach, damit Audios (und Videos) zu produzieren und im Web zu veröffentlichen. Für meine eigenen Utters habe ich im Sidebar von Lost and Found ein Widget eingebaut.

Utterz ist vor allem ein Tool für Mobiltelefone. In den USA und einer ganzen Reihe anderer Länder kann man Audios und Videos mit dem Mobiltelefon aufnehmen und über eine spezielle Nummer direkt an Utterz posten. Mit einem ganzen Arsenal von Widgets lassen sie sich dann weiter publizieren, zum Beispiel in Weblogs. Sie lassen sich taggen, und es gibt die üblichen Social-Network-Features. Podcasting als Convenience.

Genau so einfach ist es, Audios oder Videos mit einem Computer aufzunehmen oder auch upzuloaden. Das Interface ist Flash-basiert und selbsterklärend.

Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber es scheint auch sehr leicht zu sein, Audios mit Bildern zu begleiten. Hier, wie auch bei den anderen Features von Utterz, merkt man, dass der Dienst tatsächlich durchdacht ist.

Zu publizieren kostet nichts. Als Benutzer gibt man Utterz the perpetual, irrevocable, non-exclusive, sublicensable right to display that content in any form on any Utterz Service (whether by phone or over the internet) or anywhere else, without limitation.. Das ist natürlich problematisch; man kann nur hoffen, oder besser: man sollte daran arbeiten, dass auch nichtkommerzielle Versionen solcher Dienste ins Leben gerufen werden.

Utterz finanziert zur Zeit offenbar durch Verträge mit Telefongesellschaften. Sie zahlen, damit ihre Netze noch intensiver genutzt werden. Wirklich kostenlos ist der Service also nicht.

Ich werde Utterz sicher weiter beobachten. Es ist gut vorstellbar, dass Google bald einen ähnlichen Service anbietet. Interessant finde ich, dass die technische Seite des Publizierens durch solche Dienste regelrecht trivialisiert wird. Für Blogger stellt sich damit die Frage, was man besser schreibt und was man besser sagt — bis Upperz & Co die Audio-Postings automatisch verschriftlichen.

Mark Bernstein gibt in NeoVictorian Computing eine Antwort auf die Frage, warum Journalisten und Kommunikatoren heute etwas von Software verstehen sollten. Gute Software

helps to get stuff done: not filling out forms or filing pictures or retrieving records, but the endlessly difficult, challenging, everyday stuff of understanding what is going on around us.

Mark Bernstein hebt Anna Rogozinskas Präsentation über Diätblogs auf der BlogTalk als fine bit of fine bit of Web scholarshiphervor:

here’s a lot to be learned, here, both descriptive and prescriptive; I’m not sure we know a lot more about cultivating Web and Wiki communities than we did when Powazek wrote the book.

Die Präsentation auf Slideshare:

Anna Rogozinska beschreibt ihre Arbeit hier; Notizen von Stephanie Booth hier

Anna Rogozinska untersucht, wie Bloggerinnen ihre Identität konstruieren, sie spricht von writing the self und fragt komplemetär how to ‚read‘ identity from the logovisual discourse of the internet.
Sie spricht vom Kontext als einem Schlüsselbegriff der anthropologischen Untersuchung des Internet, und unterscheidet dabei zwischen medialem, sozialem und kulturellem Kontext. Obwohl sie einen ganz anderen Ausgangspunkt hat, gibt es hier eine Brücke zu Teun A. van Dijks Untersuchungen von Kontextmodellen (meine ersten Notizen dazu hier). Vielleicht stellt sich hier die Frage nach dem Verhältnis von Kontext und repräsentiertem Kontext oder Kontextmodell.

Mich interessiert, ob sich Anna Rogozinska auch mit der Beobachtung/Beobachtbarkeit von Blogs und der wechselseitigen Regulierung (z.B. einer von außen zugeschriebenen Identität) beschäftigt hat. Wo findet die Konstruktion der Identität statt? Beim Bloggen oder beim Lesen des Blogs in seinem Kontext?