Ich versuche, mir einen Reim auf die merkwürdige Neugründung Quo Vadis Veritas zu machen. Da ich einige der Beteiligten persönlich kenne und sie schätze, fällt es mir schwer, dieses Projekt pauschal zu verurteilen. Andererseits finde ich es feige, hier keine Position zu beziehen. Ich kann dieses Projekt nur als politische Intervention eines Tycoons mit zweifelhaften Absichten verstehen.
Ein erster Einwand gegen dieses Projekt klingt vielleicht geschmäcklerisch-bildungsbürgerlich. Der Titel Quo Vadis Veritas ist, vorsichtig gesagt, kitschig. Ich kann hinter ihm kein anderes Motiv erkennen als prätentiöses Bildungs-Getue. Soll dieser Titel bedeuten, dass dieses Projekt, das investigativen Journalismus verwirklichen soll, grundsätzlich die Frage nach der Wahrheit stellt? Soll er Skepsis gegenüber der Wahrheit ausdrücken und das Projekt gleich zu Beginn auf eine Metaebene heben? Nichts in der Ankündigung des Projekt spricht dafür. Ich habe eher den Eindruck, dass man bei einer halbgebildeten Zielgruppe den Eindruck erwecken möchte, sie habe es hier mit etwas ganz besonders Seriösem zu tun.

Was mich bei diesem Projekt aber eigentlich interessiert, ist die Verbindung von Journalismus und Content Marketing. Der Anspruch dieser Stiftung soll es ja sein, unabhängigen, investigativen Journalismus zu befördern, und das Ganze ist so aufgestellt, dass jeder Eindruck vermieden werden soll, hier würden Inhalte im Interesse des Auftraggebers manipuliert. Andererseits ist aber die Institution hinter diesem Journalismus eine Privatstiftung, die von einem Konzernchef abhängt und zum Red-Bull-Imperium gehört; sie kann vom Stifter eingestellt werden. Außerdem ist die Stiftung selbst nicht transparent. Die nicht auf Gewinn ausgerichtete Stiftung ist eine Kommunikationsabteilung eines Konzerns, kein unabhängiges Medium.
Man kann sicher ausschließen, dass mit dieser Konstruktion Meinungen zu einzelnen Sachverhalten manipuliert werden sollen, also ein hundertprozentiges Bullbart ins Leben gerufen werden soll, wie Claus Pándi es auf Twitter genannt hat. Dafür handelt es sich hier um die falsche personelle Konstellation, und dafür stünden ja auch im Red Bull-Medienimperium Kanäle zur Verfügung. Es soll vielmehr demonstrativ unabhängiger Journalismus betrieben werden. Diese Unabhängigkeit dürfte genau das sein, was sich der Auftraggeber auf die Fahnen schreiben will. Die Frage ist, welches er Interesse daran hat.
Ich habe den Eindruck, das hier den vorhandenen journalistischen Institutionen in Österreich, der sogenannten seriösen Presse und dem ORF, gezeigt werden soll, dass man als Milliardär, wenn man es nur will, etwas auf die Beine stellen kann, das ihnen wenigstens nicht unterlegen ist. Es geht darum, vorhandenen journalistische Medien etwas auszuwischen, vielleicht auch darum, ihre Überflüssigkeit zu belegen.
Es gibt andere Versuche, mit Geld, das man in einem Konzern verdient hat, Journalismus besser zu machen, als die verstaubten alten Medien. Das spektakulärste Beispiel dafür ist die Washington Post, die von Jeff Bezos gekauft worden ist. Hat Mateschitz mit Quo Vadis Veritas etwas ähnliches vor, nur in die etwas skurrilen österreichischen Verhältnisse übersetzt? Das Interview, das er gleich zum Start gab, spricht für einen ganz anderen Ansatz. Darin finden sich, wenn auch verklausuliert, die üblichen Vorwürfe gegenüber der manipulierten öffentlichen Meinung, wie sie auf der Straße in der Parole von der Lügenpresse gipfeln. Die Verbindung mit den Stereotypen der rechten Kritiker der Flüchtlingspolitik von 2015, die Verwendung des Ausdrucks Lebensraum, die Anspielungen auf die bedrohlichen Massen, die uns unsere funktionierende Gesellschaft und Lebensweise zerstören könnten, sprechen dafür, dass hier eine ähnliche Agenda verfolgt wird wie von den Parteien und Gruppierungen der nationalistischen Rechten.
Dass sich das Gründungsteam von Quo Vadis Veritas für eine solche Agenda hergibt, ist unwahrscheinlich. Aber dass es eine Aufgabe in einer solchen Agenda erfüllen soll, ist zu befürchten. Das Projekt soll nicht selbst Meinung machen, es soll denen, die eine Meinungsdiktatur ausüben, ihre Schwäche vorführen. Und vielleicht sollen es auch all‘ denen, die im herkömmlichen Journalismus nicht mehr überleben können—nicht einmal mehr als Content Marketer—zeigen, wer heute tatsächlich dazu in der Lage ist, Journalismus zu finanzieren: ein Milliardär, der sich selbst einen gesellschaftlichen Auftrag gibt.
Gestern habe ich Stefan Kappachers Post Servus Wahrheit gelesen, und dann abends das Kapitel, das Bruno Latour für den Band Die große Regression geschrieben hat. Latours These ist, dass Trump und seinesgleichen einen Teil der bestehenden gesellschaftlichen Eliten vertreten, der erkannt hat, dass die Ressourcen der Erde endgültig beschränkt sind, dass niemals die ganze Menschheit ein Lebensstandard haben wird, wie wir hin hier noch im Westen kennen. Diese Machtgruppen versuchen, ihre eigenen Interessen für ein paar Jahrzehnte zu behaupten, zu Lasten des Rests der Menschheit und mit dem Risiko von Kriegen. Die globalen Erwärmung zu ignorieren und den Bewohnern der armen Teile der Welt ihre Rechte zu verweigern, sind für Latour zwei Seiten derselben Medaille.
Mateschitz äußert sich in seinem Interview mit der Kleinen Zeitung wie ein Sprachrohr dieser Eliten, und bis hin zum Setting des Interviews in einem Haus mit Blick auf ein unverbautes Tal signalisiert er, dass er für den Schutz der Privilegierten gegen die hereindrängenden Vielen steht. Es ist naiv zu glauben, dass Quo Vadis Veritas nicht in dieses Programm eingebaut ist. Dieses Projekt so, so kommt es mir vor, soll die Fast-Allmacht eines Tycoons gegenüber der geschwächten journalistischen und politischen Öffentlichkeit feiern. Es soll realisieren, was Joe Pulizzi als den Gipfel des Content Marketing bezeichnet hat, einen Journalismus, der—weil er sich nicht selbst finanzieren muss—unabhängiger ist als der bisherige unabhängige Journalismus. Aber es soll genau damit den wirtschaftlichen und politischen Interessen derjenigen dienen, die die selbst ernannte sogenannte intellektuelle Elite, bei der man bei bestem Willen weder einen wesentlichen wirtschaftspolitischen noch einen kulturpolitischen Beitrag für unser Land erkennen kann endlich abservieren möchten.

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