Ich bin auf der Suche nach Einführungen und Zusammenfassungen, die den Zugang zu Éric Pineaults Buch „A Social Ecology of Capital“ (Pineault, 2023a) erleichtern, über das ich neulich gebloggt habe.

Eine niederschwellige kurze Einführung in sein Buch hat Pineault in einem Vortrag gegeben, den man sich auf YouTube anschauen kann (Pineault, 2023b).

Dieser Vortrag zeigt sehr gut seinen Ansatz, wirtschaftliche Prozesse als materielle Phänomene zu analysieren, die von Institutionen gesteuert werden.

Beim Erfassen der Materialität der wirtschaftlichen Prozesse, des gesellschaftlichen Stoffwechsels, folgt Pineault der Material and energy flow analysis im Sinne des Wiener Instituts für Soziale Ökologie. Bei der Analyse der Institutionen ist sein Ausgansgpunkt die Regulationstheorie – Pineault hat seine Dissertation bei einem der wichtigsten Vertreter dieser Theorie geschrieben. Pineault bezieht hier eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen vor allem aus der postkeynesianischen Ökonomie ein und formuliert eine eigene Synthese. Er will verstehen, wie der „Kapitalismus mit dem gesellschaftlichen Stoffwechsel verbunden“ ist und was das Wachstum antreibt, das zu „großen Beschleunigung“ und zum Überschreiten der planetaren Grenzen geführt hat.

Dreieck der Flows, Stocks und Praktiken, Grafik nach Éric Pineault
Nach: Haberl, H., Schmid, M., Haas, W., Wiedenhofer, D., Rau, H., & Winiwarter, V. (2021). Stocks, flows, services and practices: Nexus approaches to sustainable social metabolism. Ecological Economics, 182, 106949. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2021.106949 und Pineault, É. (2023). A Social Ecology of Capital. Pluto Press.

In dem Vortrag geht Pineault ausführlich auf ein Dreiecks-Schema zum Erfassen des gesellschaftlichen Metabolismus ab ein, das er aus Veröffentlichungen der Wiener Sozialökologen übernommen hat (in der Grafik oben sind die Beschriftungen von mir übersetzt). Zwei der Ecken dieses Schemas stehen für die Stocks (materielle Bestände) und die Flows (Material- und Energieflüsse), die dritte für soziale Praktiken und damit auch für die Institutionen. Diese drei Komponenten sind durcheinander vermittelt. Es hängt also z.B. von den bestehenden Stocks ab, welche Flows und welche Praktiken möglich sind. Zur ursprünglichen Version hinzugefügt hat Pineault bei den sozialen Praktiken „Machtstrukturen, Institutionen, Soziale Beziehungen“. Damit wird das Schema offen für die Analyse der Institutionen und ihrer Beziehungen zu den Stocks und Flows.

Pineault selbst zeigt dann im Vortrag zwei weitere Versionen dieses Schemas, die unterschiedliche Perspektiven repräsentieren. Er benutzt es zunächst zur Darstellung des Kapitals und seiner Verwertung. Unter dieser Perspektive erscheinen die Stocks als fixes Kapital, das Eigentümer hat und in das investiert wurde. Die materiellen Flüsse haben Warencharakter. Unter der Perspektive der Kapital- und Arbeitsbeziehungen sind die Stocks Produktionsmittel, die in einer Beziehung zu Flüssen aus Gebrauchswerten stehen.

Man kann dieses Schema auch verwenden, um Infrastruktur-Elemente zu analysieren, um die soziale Kämpfe geführt werden. Pineault geht darauf kurz am Ende seines Vortrags ein. Ich fände es wichtig, eine solche Analyse z.B. in Bezug auf den Lobau-Tunnel oder ähnlicher Projekte durchzuführen. Es handelt sich bei ihnen um Bestandteile von Stocks, die eine Vielzahl von Flows ermöglichen und bedingen – z.B: Verkehrsflüsse, die in Beziehungen zu Waren- und Geldflüssen stehen. Die Investitionen in diese Stocks sind Ergebnisse gesellschaftlicher Praktiken und Machtverhältnisse und sie bestätigen und verstärken sie. Sie sorgen nicht nur für mehr Autoverkehr, sondern sie tragen zur Verwertung des vorhanden Kapitals und zur Erweiterung der Macht der vorhandenen Konzerne (z.B. der Auto-, der Energie und der Baukonzerne) bei. Die Zerstörung und Gefährdung von Natur schreibt gesellschaftliche Machtverhältnisse weiter fest.

Pineaults Analyse geht von der Materialität ökonomischer Prozesse aus. Sie begründet, wie wichtig der Kampf gegen materielle Infrastruktur ist, die einerseits ökologisch katastrophale Folgen hat und andererseits mit den Machtverhältnissen verbunden ist, die auf zunehmende Erschöpfung von Menschen und Natur ausgerichtet sind.

Nachweise

Pineault, É. (2023a). A Social Ecology of Capital. Pluto Press.
Pineault, É. (2023b, October 18). An Introduction to the Social Ecology of Capital [YouTube Video]. Future Earth Pathways Autumn School 2023, Aussois, France. https://pathways.futureearth.org/videos/an-introduction-to-the-social-ecology-of-capital-eric-pineault/
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