Ich bin heute beim PolitCamp/BarCamp Graz und bereite eine Session vor, für die es sicher berufenere Referenten gäbe. Ich möchte kurz den Verein Digitale Gesellschaft
vorstellen, der gerade in Deutschland gegründet wurde. Die Frage, die ich zur Diskussion stellen möchte:

Brauchen wir eine solche Initiative in Österreich, oder haben wir sie vielleicht schon?

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Ich versuche eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Rolle soziale Medien für die Revolution in den arabischen Ländern spielen. Ich verwende den Ausdruck Revolution mit Absicht, denn die politische und soziale Landschaft dort und auch hier hat sich bereits radikal verändert, und es wird keine Rückkehr zum Status quo davor geben, selbst wenn es in vielen Ländern nicht zu freien Wahlen und voller Meinungs- und Pressefreiheit kommen sollte. Interessante Quellen waren für mich bisher: die Fernsehdiskussion von Al Jazeera und der Columbia University Social networks, social revolution, Peter Beaumonts Bericht im Guardian The truth about Twitter, Facebook and the uprisings in the Arab world und Evgeny Morozovs Artikel Smart Dictators Don’t Quash the Internet im Wall Street Journal. Noch nicht gründlich genug gelesen habe ich bisher den zentralen “Twitter Can’t Topple Dictators” Article von Jay Rosen, der viele Beiträge aus den USA kritisiert und verlinkt. Empfehlen möchte ich auch Christiane Schulzki-Haddoutis Kommentar Das Internet als Werkzeug der Revolution.

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Notiz nach einem Abend, bei dem ich auch darüber diskutiert habe, was Social Media zur Revolution in Ägypten beigetragen haben. Ich habe sie vor allem auf Al Jazeera verfolgt, und ich sehe dort gerade Triumphszenen und Rückblicke aus Kairo (und die Bilder der feigen europäischen Politiker, die sich jetzt auf die Seite der Sieger stellen). Gibt es Beispiele für Revolutionen, bei denen ein vergleichbares Regime so schnell und bei denen es ohne eine Organisation abgeschafft wurde?

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Thomas Knapp hat dazu aufgerufen, in einer Blogparade Prognosen zum österreichischen Wahljahr 2010 abzugeben; Christian Klepej, Gerald Bäck und Angela Lehner haben schon reagiert.

Ich traue mir nicht zu, etwas zu den Regionalwahlen außerhalb der Steiermark zu sagen—außer vielleicht, dass es die ÖVP in Wien wohl noch schwerer haben wird als bei den letzten Wahlen. Heinz Fischer wird—nonanet—Bundespräsident bleiben.

Hier in der Steiermark stehen Gemeinderats- und Regionalwahlen an. Hat man mit Leuten im Umfeld der Politik zu tun, merkt man: Die Frage, ob die SPÖ weiter an der Spitze bleibt, dominiert. Die Nervosität hat wenig mit den Handlungsmöglichkeiten der steirischen Landesregierung oder politischen Unterschieden zu tun, dafür viel mit persönlichem Einfluss, Posten- oder Fördergeldvergaben und Eitelkeiten. Das Proporzsystem, die lange gemeinsame Sozialisation der politischen Klasse in der Steiermark, die Kompetenzüberschneidungen mit dem Bund und die desaströse Finanzsituation sorgen dafür, dass sich die Balance nur wenig verschieben kann—aber man kämpft erbittert. Es ist wie in einer Firma, in der kleine Karriesprünge persönliche Tragödien auslösen können. Schwierig ist es nur, den Wählern zu erklären, warum sie sich für eine der großen Parteien entscheiden sollen.

Viele Wähler werden eher die Person als die Partei an der Spitze ankreuzen. Ein Vorteil für die SPÖ: Franz Voves ist Hermann Schützenhöfer in der persönlichen Wirkung und rhetorisch deutlich überlegen. Außerdem hat er es immer wieder geschafft, sich als eigenwillig und als Entscheider zu präsentieren. Schützenhöfer steht für Provinzialität—als Provinzler wird er gerade wieder plakatiert—und ist rhetorisch eine Schlaftablette. Regierungsmannschaft und Regierungspolitik der SPÖ fehlte der Glanz—aber die ÖVP hat es nicht verstanden, Alternativen zu entwickeln. Mit einer Kristina Edlinger-Ploder an der Spitze hätte sie bei weitem bessere Chancen.

Voves wird vor Schützenhöfer liegen—bekommt er auch eine Mehrheit im Landtag? Die KPÖ, die jetzt für eine linke Mehrheit sorgt, dürfte im nächsten Landtag durch die FPÖ ersetzt werden. Es ist schwer zu sagen, ob den Rechtsradikalen eher die das Land Kärnten regierenden politischen Banditen schaden oder ob ihr ein Erfolg des Wiener Ungustl nützen wird. Weder Voves noch Schützenhöfer schließen eine Koalition mit den Populisten aus. Die FPÖ dürfte eine Königsmacher-Rolle erhalten, aber eine geschwächte ÖVP wird eher an einer großen Koalition festhalten als in den kommenden Jahren mit der FPÖ Krisenmanagement zu betreiben.

Entscheiden werden wenige 10.000 Stimmen. Wer gewinnen will, muss viele kleine Gruppen für sich mobilisieren und dafür alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Außerdem werden nicht alle KPÖ-Wähler zur FPÖ wechseln, die SPÖ kann ihnen etwas anbieten. Die Situation wird also lange offen bleiben.

Zusammenfassung:

  1. Die SPÖ wird stärkste Partei.

  2. FPÖ und ÖVP werden Königsmacher.

  3. Kleine Wählergruppen und bisherige KPÖ-Wähler spielen eine wichtige Rolle.

41qcNIjkSeL._SL500_AA240_ Gestern wurde Revoluzzer, der neueste Band der Serie Steiermark Innovation präsentiert. Als Piefke bin ich besonders stolz darauf, dass ich einen Beitrag für diesen Band schreiben durfte, der Erzherzog Johann und seine Nachwirkung kritisch beleuchtet. Ich habe eine Phantasie entwickelt: Was würde ein steirischer Chief Technology Officer unternehmen, um das Land heute so konsequent zu reformieren, wie es der Erzherzog seinerzeit versucht hat. Eine HTML-Version des Beitrags gibt es hier. Dank an Gabriele Russ, die mir für die Herausgeber erlaubt hat, den Beitrag auch im Web zu publizieren.

Ich veröffentliche den Text hier so, wie ich ihn im Februar geschrieben habe. Ich habe lediglich einige Apture-Links hinzugefügt, die ich noch ergänzen möchte. Barack Obama hat inzwischen einen Chief Information Officer berufen, während vorher lange von einem Chief Technology Officer die Rede war.

An diesem Wochenende fand das zweite Grazer PolitCamp statt. Die meisten Sessions sind auf make.tv dokumentiert dokumentiert. Bilder gibt es bei Flickr.

Ich habe die Veranstaltung mitorganisiert — die meiste Arbeit hatten Studenten des Jahrgangs 2007 und Boris Böttger, der sich um die Technik gekümmert hat — und kann nicht objektiv sagen, was das Wochenende den Teilnehmern gebracht hat. Das Feedback war sehr positiv. Das PolitCamp hat Leute, die sich für Online-Kommunikation und Politik interessieren, zusammengebracht und vernetzt. Es war richtig darauf zu setzen, dass eine Community zu diesem Theme zustandekommt oder eher: diese Community zu unterstützen. Die Teilnehmer, vor allem die, die Sessions abgehalten haben, haben das Event dann tatsächlich gestaltet. Ich will nur Christoph Chorherr nennen, der seine Erfahrungen als Politiker und als Kommunikator mit sozialen Medien gleich in mehrere Sessions eingespeist hat.

Dass — außer unseren Studenten — an einem sonnigen Maiwochenende nach einem Brückentag ca. 40 Leute ein solches Event besuchen und aktiv mitmachen, zeigt, das es ein anhaltendes Interesse an dieser Thematik gibt — auch wenn das Web für die offizielle Politik weiterhin ein Randphänomen bleibt. Wir wollen im nächsten Frühjahr wieder ein PolitCamp in Graz organisieren, und ich hoffe, dass es im Herbst zu einem PolitCamp in Wien kommt. Ein Halbjahresrhythmus könnte die Diskusssionen tatsächlich voranbringen. Ich finde Christoph Chorherrs Vorschlag sehr gut, zum nächsten Mal gezielt webaffine Journlisten einzuladen, um über Veränderungen im Verhältnis von Politik und Öffentlichkeit zu diskutieren.

Über einzelne Sessions möchte ich später schreiben, hier nur drei Beobachtungen:

  1. Politik und Web 2.0 hat mit den Parteien nicht viel und vielleicht in Zukunft immer weniger zu tun. Bei den interessanten Themen geht es um die direkte Beteiligung von Bürgern, von den Grünen Vorwahlen bis zu den neuen Sites der Obama-Adminstration wie Data.gov und Open Government Brainstorm. Spannend wird sein, ob und welche Teilöffentichkeiten oder Netzwerke sich hier jenseits der Parteien etablieren können.

  2. Es gibt in Österreich viele Versuche, Plattformen zur politischen Partizipation einzurichten. Unser Studiengang wirkt selbst an beratend an einem solchen Projekt der steirischen Jugendlandesrätin mit; ähnliche Initiativen sind wohl Ehkloa.at und ichmachPolitik.at. Auch Georg Holzers Kärnten 2020 gehört in diese Reihe. Es ist wichtig, diese Projekte miteinander zu verbinden und zu einer Art österreichischem Netzwerk für politische Partizipation zu gelangen. Man kann gemeinsam Erfahrungen sammeln und auch gemeinsam politischen Druck entwickeln.

  3. Es ist sehr schwierig, reflektierend zu erfassen, was sich in der Politik und den Formen der politischen Kommunikation gerade verändert. Es kann sein, dass die Veränderungen zu schnell und wir zu nah an ihnen sind, um uns überhaupt theoretisch mit ihnen befassen zu können — Chorherr hat das am Wochenende so ähnlich gesagt. Andererseits gab es erhebliches Interesse an Sessions mit eher theoretischem Character, z.B. an Hc Voigts Die Emergenz des ‚web2.0‘ als Bedingung der Möglichkeit neuer Politischer Felder. Auf zukünftigen Politcamps sollten wir noch expliziter nach analytischen Tools und Beschreibungsmöglichkeiten fragen, wobei diese Tools selbst wieder webbasierte Komponenten haben können wie die Monitoring-Instrumente von Max Kossatz.

Heute lesen wir im Standard, dass Österreich die Arbeitsmarktsperre für osteuropäische Mitgliedsstaaten bis 2011 verlängern lassen will. Im selben Artikel steht:

Die EU-Erweiterung machte Österreich zu einer Art Multi in Osteuropa. Mit Direktinvestitionen von 50 Milliarden Euro zählt das Land zu den größten Akteuren in der Region, die Exporte stiegen seit 2005 um knapp die Hälfte [EU gegen Hürden für Ostländer].

Hans Rauscher schreibt daneben im Einserkastl über den EU-Wahlkampf in Österreich:

Ein derartiges Einknicken von an sich proeuropäischen Parteien auf breiter Front vor der geschlossenen Abteilung der Anti-EU-Fanatiker hat es noch nicht gegeben [Weichei-Verhalten].

Als Deutscher mit viel Sympathien für Österreich habe ich mich schon lange gefragt, warum die mitteleuropäischen Völker Kakanien nach dem ersten Weltkrieg sofort demontiert haben. Langsam kann ich mir besser ausmalen, mit welcher Mentalität in der Monarchie regiert wurde. Multinationalität als Einbahnstraße — je mehr wir von den anderen bekommen, desto wütender halten wir sie draußen.

Ich wollte heute über die neue Site des Weißen Hauses schreiben, aber es ist darüber schon so viel publiziert worden, dass es mir noch nicht gelungen ist, die interessantesten Posts zu der Site auch nur zu lesen. Da ich nicht naiv drauflosschreiben möchte, hier vor allem ein paar Hinweise.

Trotzdem kurz meine persönliche Meinung: Ich finde wie Dave Winer die Site enttäuschend. Vom Anspruch auf Wechsel ist nicht viel zu merken. Man kann nicht kommentieren, und man kann auch nicht anders teilnehmen. Winer hat recht, wenn er schreibt, dass vor dem Auftritt ein Schild mit der Aufschrift Bitte warten! zu hängen scheint, und wenn er von corporate cowardice (das könnte man mit Firmen-Feigheit übersetzen) spricht.

Mich stört am meisten, dass die Site nicht aktuell ist. In den ORF-Nachrichten heute habe ich wesentlich mehr über den ersten Tag Obamas im Amt erfahren als auf der Site des Präsidenten. Das ist schwer zu begreifen.

Allerdings wird schon angekündigt, dass Gesetzesvorhaben auf der Site diskutiert werden sollen:

One significant addition to WhiteHouse.gov reflects a campaign promise from the President: we will publish all non-emergency legislation to the website for five days, and allow the public to review and comment before the President signs it [The White House – Blog Post – Change has come to WhiteHouse.gov].

Offenbar hat ein neues Team die Site erstellt, nicht die Agentur, die noch hinter Change.gov. stand (siehe das unten verlinkte Post von Tim O’Reilly). Vieles ist nicht fertig, nicht einmal das Registrierungsformular. Dass die Site mit Microsoft-Software betrieben wird, trägt irgendwie zu dem Eindruck bei, dass es sich um eine Auftragsproduktion handelt und nicht um ein Kommunikationsmittel.

Reaktionen auf die neue Site

Die treffendste Analyse stammt aus meiner Sicht von Dave Winer — The White House website:

But whitehouse.gov violates the most basic rule — „People come back to places that send them away.“ The White House should send us to places where our minds will be nourished with new ideas, perspectives, places, points of view, things to do, ways we can make a difference. It must take risks, because that is reality — we’re all at risk now — hugely.

Winer verweist auf die Artikel bei Spiegel Online (ausführlich, viele weitere Quellen) und in der New York Times, die wiederum einige interessante Stimmen zitiert.

Positives Feedback gibt es von Tim O’Reilly:

Not only did the Web 2.0 principles of user-engagement, viral outreach, rapid development, and real-time intelligence help Obama to win the presidency, he’s bringing the same principles and the same team to manage his outreach during his time in office [change.gov Becomes whitehouse.gov – O’Reilly Radar].

Jason Kottke hat sofort festgestellt, dass — im Gegensatz zum bisherigen Auftritt — alle Inhalte für Suchmaschinen zugänglich sind: The country’s new robots.txt file.

Ein Signal der Veränderung ist es übrigens, dass sich die Mainstream-Medien sofort mit der neuen Site beschäftigten. Als Mittel der Repräsentation von Politik hat das Web die anderen Medien inzwischen eingeholt.