Am Dienstag war ich auf der Next Corporate Communication-Konferenz, die in diesem Jahr in St. Gallen stattfand. Alexander Rossmann, der Leiter des NextCC-Projekts, und Ralf Greis moderierten.

Wie alle Teilnehmer, mit denen ich gesprochen habe, habe ich viel gelernt. Ich habe bedauert, dass ich nicht mehr als einem der drei Tracks folgen konnte. Das Event dient dem Austausch, nicht der Akquise, und die Teilnehmer, die meisten von ihnen aus Firmen, kommen aus inhaltlichem Interesse. Für unsere Arbeit im WLL liefern die Kollegen aus St.Gallen wichtige Grundlagen, was die wirtschaftliche und Marketing-Seite der sozialen Medien angeht. Das erleichtert es uns, uns auf Inhalte, Kommunikation und Medienkompetenz im Web zu konzentrieren.

Was war anders als bei der NextCC-Konferenz in Zürich vor einem Jahr? Mein subjektiver Eindruck: Die Unternehmen sind praktisch noch nicht viel weiter, aber Social Media sind von einer Herausforderung und z.T. wohl auch Bedrohung zu einem Thema für die praktische Arbeit geworden. Sie differenzieren sich dabei aus. Während der Schlussdiskussion in St. Gallen habe ich mich gefragt, ob der Ausdruck „Social Media“ nicht eigentlich für eine ganze Reihe von lose miteinander verbundenen Themen steht, deren Eigenständigkeit immer deutlicher sichtbar wird: Wechsel in der Mediendistribution vom Broadcasting zur viralen Weitergabe, Markenbildung durch Inhalte, Organisations- und Kulturveränderungen, stärkere ethische Verpflichtung des Wirtschaftens, wissensorientierte Produktion, Übergang zum mobilen und zum Cloud-Computing, „Social Data“ und „Big Data“ usw. Es ist kein Wunder, dass niemand den „ROI der Social Media“ findet, wenn sich dieser Ausdruck auf so unterschiedliche Dinge bezieht. Die Gemeinsamkeit liegt vielleicht nur in der neuen (und sich weiter verändernden) technischen Infrastruktur, die eine Verschiebung der Managament- und Administrationspraktiken zu neuen, nichtlinearen und nichthierarchischen Formen erfordert, wenn ihre Potenziale genutzt werden sollen.

Ray Kruck hat in seiner Keynote gesagt, die sozialen Medien (er sprach nur von „Social“) würden wie in den 90ern die Websites vom Kommunikations- zum IT-Thema werden. Ich halte das für ebenso bedenkenswert wie eine andere These Krucks: Eine Social Media-Strategie müsse darauf abzielen, das Wissen und die Intelligenz in einer Organisation zu mobilisieren, durch die sie ihren Wettbewerbern überlegen sei.

Hier Notizen zu den drei Sessions, die ich besucht habe:

Hendrik Send und Anna Riedel vom Berliner Institute of Electronic Business haben eine Diskussion über Selbstorganisation und Freiheit versus vorstrukturierte Planung und Steuerung bei Enterprise 2.0-Projekten eingeleitet und moderiert. Ich fand die Fragestellung interessanter als die notgedrungen sehr provisorischen Antworten.

Notiert habe ich mir:

und die resignierte Feststellung:

Hoffentlich nicht vergessen werde ich einen Hinweis auf die S-Kurve bei der Verbreitung von Innovationen nach Rogers. Das Schema ist zwar bekannt, mir ist aber nie lar geworden, dass man bei Einführungsprojekten für Social Media berücksichtigen muss, an welchem Punkt dieser Kurve man sich befindet. Bei steirischen Unternehmen z.B. in Regel noch ganz am Anfang, bei den Early Adopters, an die man sich anders wenden muss als an eine größere Zahl von Benutzern.

Stefan Pfeiffer hat die Folien seines Vortrags Get social, do business – Soziale Kanäle im B2B Vertrieb und Market bei der IBM ins Netz gestellt und ihn auch in einem Blogpost zusammengefasst. Zentrale Aussage: Social Media (als Marketing-Instrument) muss auf Social Business beruhen, also auf Geschäftsmodellen, die von sich her sozial sind. Stefan Pfeiffer vertritt und verkörpert auch selbst, dass soziale Medien nicht ein Instrument sind, das man anwenden kann oder nicht, sondern dass sie nur Komponenten von Praktiken sind, die über die Kommunikation hinausgehen. Mit Stefan Pfeiffers eigenen Worten:

Vor allem am Herzen lag mir beim Vortrag, Social Media aus der Ecke der einseitig beschallenden Marketingmaschinerie herauszuholen. Deshalb halte ich auch unterdessen den Begriff Social Business für besser. Natürlich sollen, müssen und dürfen Marketiers die sozialen Kanäle benutzen, um ihre Nachrichten, ihre Veranstaltungshinweise und Produktpromotions zu verteilen. Jedoch sollten sie dies in angemessener Weise tun.

Von innen nach außen wachsen—mit dem Titel des Vortrags von Johannes Korten von der GLS-Bank hätte man auch Pfeiffers Präsentation, vielleicht sogar die ganze Veranstaltung überschreiben können. Korten beschrieb, wie dir GLS-Bank ihre Markenwerte entwickelt hat, und welche Folgen sich daraus für ihre Social Media-Strategie ergeben. Wichtige Elemente seines Vortrags finden sich in diesem Interview und in dieser Präsentation. Mich hat das methodische Vorgehen und die Konzentration auf—wenn man es so nennen kann—besonders wichtige Knoten im Netzwerk, nämlich Kontaktpunkte mit der Marke und Markenbotschafter, beeindruckt. Auch hier sind soziale Medien in eine über sie hinausgehende Strategie eingebaut, die expliziter als bei IBM einen ethischen Charakter hat.

Ich hoffe, dass es mir gelingt, die vielen Anregungen aus der Konferenz weiterzuverarbeiten und auch in unserer Arbeit hier in Graz umzusetzen. Ganz zum Schluss haben die Kollegen in St. Gallen gefragt, zu welche Themen die Praktiker in den Firmen mehr Forschung wünschen. Ein Ergebnis: Bei den sozialen Medien gibt es keinen Bruch zwischen Anwendungswissen und Forschung, beide gehen ineinander über—zwischen wissenschaftlichem und praktischem Wissen lässt sich hier, jedenfalls im Moment, kaum unterscheiden.

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