Dies ist kein umfassendes Post über die neue Plattform App.net—ich bin noch nicht so weit, dass ich ich sie objektiv darstellen könnte. Dieses Post hat eher Fragecharakter: Verstehe ich die Plattform richtig? Ich bin also für Korrkturen dankbar.

Ich habe mich vor ein paar Wochen bei Kickstarter als Unterstützer von App.net registriert und inzwischen einen Account bei der Alpha-App erhalten, die als Demo gedacht ist. Es ist neben Branch die zweite neue Plattform, die mich interessiert, wobei App.net sich auf einer anderen Ebene abspielt. Auf die dritte interessante neue Social Media-Plattform, Medium, bin ich erst danach gestoßen.
Alle drei Plattformen, also Branch, Medium und App.net, haben gemeinsam, dass sie sich im Verhältnis zu Twitter definieren oder wenigstens definieren lassen. Branch und Medium bieten neue Formen an, Inhalte zu organisieren. Dabei stützen sie sich auf Twitter, und beide Plattformen sind, was die Eigentümer oder Investoren angeht, direkt mir Twitter verbunden. App.net ist dagegen eine Konkurrent zu Twitter auf der Ebene der Infrastruktur. Ziel ist es, eine Kommunikationplattform zu entwickeln, über die Social Media-Services—oder wie immer man sie nennt—miteinander kommunizieren können. Über App.net soll man Daten in Echtzeit austauschen können, so wie man jetzt bei Twitter Tweets austauscht.
Twitter hat bisher eine Infrastruktur für Echtzeitkommunikation angeboten, auch wenn das Format immer die Tweets waren. Aber an die Tweets lassen sich andere Informationen, z.B. Fotos und Videos anhängen. Außerdem konnte bisher jeder Dienst auf die Tweets zurückkommen. Flipboard nutzt z.B. Tweets, um ein personalisiertes Nachrichtenmagazin anzubieten, bei dem die auf Twitter verlinkten Inhalte direkt dargestellt werden.
Twitter sperrt diesen Zugang gerade ab. Es wird schwieriger und tendenziell unmöglich, von anderen Clients als denen, die Twitter gehören, zu twittern. Noch schwieriger wird es, Tweets in anderen Clients zu lesen. So hat es Twitter LinkedIn verboten, die Twitter-Timeline von Mitgliedern zu zeigen. Auch Flipboard wird voraussichtlich bald keine Tweets mehr darstellen können. Der Grund ist simpel: Twitter hat sich für das Geschäftsmodell Werbung entschieden. Twitter will nach guter alter Web 1.0-Manier den Traffic auf seine Seite ziehen, um Anzeigen zu verkaufen. Sie heißen dort z.B. Sponsored Tweets.
App.net versucht, eine Alternative zu der Kommunikationsinfrastruktur von Twitter (und anderen Diensten, wie Facebook) zu entwickeln. Über diese Infrastruktur können Anbieter beliebige Botschaften in Echtzeit austauschen. Diese Botschaften können aussehen wie Tweets—das ist bei der ersten Beispiel-Applikation Alpha der Fall. Aber über App.net werden sich auch andere Inhalte austauschen lassen, z.B. Informationen zum Ort, an dem man sich gerade befindet, oder Videos.
Um eine solche Infrastruktur bereitzustellen, setzt App.net einerseits auf offene Standards und andererseits auf Crowdfunding. Der wichtigste offene Standard ist dabei PubSubHubbub und ermöglicht den Austausch von Echtzeitdaten. Die gemeinsame Finanzierung läuft über Kickstarter: Man zahlt als Benutzer € 50,-, als Entwickler mindestens € 100,-, um App.net nutzen können. Durch dieses Finanzierungsmodell will App.net sicherstellen, dass es nie von Anzeigen abhängig ist. Es ist App.net gelungen, in kurzer Zeit mehr als $800.000 aufzustellen, weit mehr als die als Startkapital vorgesehenen $500.000. Das Modell wird also von vielen akzeptiert. Ich glaube, dass Twitter durch die inzwischen eingeschlagene Richtung alles dafür tut, App.net mehr Interessenten zuzutreiben.
Mich interessiert App.net, weil ich mich schon lange für RSS interessiert habe. RSS ist ein offenes Format für Streams oder Feeds von Inhalten. RSS und das (ähnliche) Alternativformat Atom kümmern sich aber nicht um die technische Realisierung der Streams und ihrer Abonnements. Damit ist ein Schlüsselelement des Social Web, nämlich Echtzeit-Updates von Aktivitäten, bisher von privaten Anbietern abhängig, die diese Abhängigkeit—siehe Twitter—auch ausnutzen. App.net bedeutet eine Chance, diese Abhängigkeit zu beenden. App.net kann die Funktionen der Infrastruktur von Twitter übernehmen, wenn es Erfolg hat und damit genau das, was bei Twitter für viele Entwickler —wenn auch nicht für die direkten Nutzer des Service—wichtig war. Bei App.net müssen die Entwickler eines Clients nicht befürchten, dass ihnen irgendwann der Zugang abgedreht wird. Allerdings muss sich App.net dazu dauerhaft behaupten.
Es gibt übrigens einige Signale dafür, dass es App.net gelingen wird sich zu behaupten. Seine Gründer sind keine Newcomer, sonder erfahren im Aufbau vergleichbarer Services. Und das Interesse in der Tech-Community ist sehr groß. App.net eröffnet die Chance, sich in einem zentralen Teil des Social Web von Monopolisten zu befreien. Wir sollten tun, was wir können, um dieses Versuch zu unterstützen.
Für mich wichtige Posts zu App.net, Quellen für diesen Artikel: Das Potential von App.net richtig verstehen; Why Buffer integrated with App.net from day one .
PS: Vieles, das hier wichtig wäre, habe ich hier nicht erwähnt. Ich hoffe, dass ich in weiteren Posts auf Einzelheiten eingehen kann.

4 Kommentare zu “Warum App.net wichtig ist

  1. Ich bin ja kein Fan von App.net und glaube auch nicht an dessen Erfolg. Gestern hat Diaspora aufgegeben, warum glaubst du, wird es App.net länger geben als das nächste Jahr?

  2. Aus mehreren Gründen:
    1. App.net ist auf der Ebene der Infrastruktur wichtig, nicht auf der der Applikation. Unterschiedliche Anwendungen lassen sich über App.net realisieren. Diaspora ist dagegen eine Alternative zu einer bestimmten Anwendung, eben Facebook, die es aber schon gibt und die für die meisten Mitglieder bereits das leistet, was Diaspora noch nicht wirklich leistet.
    2. App.net ist vor allem von Entwicklern sehr positiv aufgenommen worden; die Leute hinter App.net haben Erfahrung. Ich empfehle dir dazu die beiden Posts, die ich am Ende verlinkt habe.
    3. Twitter verschreckt gerade die Entwicklercommunity, die zu seinem Erfolg beigetragen hat. Viele würden sich über eine Alternative freuen. Dabei demonstriert die Politik von Twitter, wie gefährlich es ist, wenn ein ganzes Ökosystem von Anwendungen von einer einzigen Firma abhängig ist. Leute wie Dave Winer haben darauf übrigens immer hingewiesen.
    Damit will ich aber nicht sagen, dass App.net sicher ein Erfolg wird. Die Chancen dafür sind aber größer als bei Diaspora.

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