In einer neuen Episode des Drilled-Podcast (Lowenstein, 2025b) spricht Adam Lowenstein mit der kanadischen Medienwissenschaftlerin Dr. Hanna E. Morris über ihr neues Buch Apocalyptic Authoritarianism: Climate Crisis, Media, and Power (Morris, 2025). Der Titel des Buchs hat mich an den Essay über Endzeit-Faschismus erinnert, über den ich neulich gebloggt habe. Dieses Buch beschäftigt sich aber nicht in erster Linie mit denjenigen, die mehr oder weniger offen faschistisches Gedankengut vertreten, sondern mit Darstellungen der Klimakrise im Mainstream-Journalismus, die sich explizit gegen die populistische Rechte wenden, aber deren Ideologeme wenigstens zum Teil reproduzieren. Damit haben sie die Rechte gestärkt und dazu beigetragen, demokratische und adäquate Antworten auf die Klimakrise im öffentlichen Diskurs an den Rand zu drängen.
Lowenstein hat das Gespräch auf der Drilled-Seite zusammengefasst (Lowenstein, 2025a). Den Podcast kann man u.a. bei Spotify und auf YouTube anhören.1
Das Hauptbeispiel im Podcast sind die Debatten über den Green New Deal und den Inflation Reduction Act in den USA. Sogenannte seriöse Medien in den USA, etwa die New York Times, haben Morris zufolge den Green New Deal sehr früh als unrealistisch und extremistisch geframet. Sie haben dabei vor allem nichtweiße und weibliche Klimaaktivist:innen aus dem Diskurs gedrängt und die klimapolitische Debatte drastisch verengt. Dagegen haben sie Bidens Inflation Reduction Act als realistische und zu den amerikanischen Interessen passende Maßnahme promoted. Die Vertreter:innen des Inflation Reduction Act gehören – wie die Journalist:innen, über die Morris vor allem schreibt – zu den etablierten Machtgruppen in den USA, meist sind sie weiß und männlich.
Die Vertreter:innen einer scheinbar realistischen Klimapolitik wie des Inflation Reduction Act teilen – wenn auch oft nicht ausdrücklich – zentrale Annahmen der apokalyptischen Rechten, obwohl sie sich von ihr absetzen. Auch sie halten es implizit oder explizit für unvermeidlich, dass die sich verstärkende Klimakatastrophe enorme Opfer fordern wird, und sie verteidigen angesichts dieser Opfer die Interessen der vor allem weißen Bevölkerung in den USA und im globalen Norden. Sie erkennen, dass die ökosozialen Krisen die Interessen der bestehenden Eliten gefährden und erklären diese Eliten zu den Gruppen, die als einzige realistisch mit diesen Krisen umgehen können. Hanna E. Morris spricht von einer „Dr. Frankenstein-Dynamik“: Diejenigen, die das Monster Klimakatastrophe hervorgebracht haben, werden von großen Teilen des liberalen Journalismus als die einzigen vertrauenswürdigen Verteidiger gegen das Ungeheuer präsentiert.
Es ist nicht schwer, Parallelen zu den Medien hier in Europa, auch in Österreich, zu erkennen. Auch hier gibt es einen traditionellen Eliten verbundenen liberalen Mainstream-Journalismus, der sich offen und klimabewusst gibt, aber diejenigen aus dem Diskurs ausgrenzt, die Lösungen fordern, die die bestehenden Machtgruppen gefährden. Die Trommelwirbel vor allem im Standard gegen Lena Schilling vor den Europawahlen waren dafür ein gutes Beispiel.
Diese Vorgehen ist nicht nur undemokratisch, weil es nicht-männlichen, jungen und nicht-weissen Menschen den Zugang zum Diskurs erschwert. Es erweckt – plakativ gesagt – den falsche Eindruck, dass die existierenden Eliten adäquate Antworten auf die Klimakatastrophe hätten. Davon kann weder in den USA noch in Europa die Rede sein – die Politik im Interesse dieser Gruppen verschärft die Krise weiter. Unter Joe Biden haben die USA mehr Öl und Gas produziert als je zuvor. Europa treibt den Ausbau der Gas-Infrastruktur entschlossen voran, finanziert Putin weiter, stärkt die fossilen Autokratien im arabischen Raum und die Trump-Regierung. Antworten auf die Klimakrise müssen außerhalb des Mainstreams gefunden werden, auch und vor allem von denen, die aus der Perspektive der Eliten zur inkompetenten Masse gehören.
Hanna E. Morris’ Buch, für das sie den Mainstream-Klimajournalismus differenziert untersucht hat, ist bei Oxford University Press erschienen. Hier kann man das Einleitungskapitel als PDF herunterladen.
- Ich habe bisher keine Medienkonzern-freie Version des Podcasts im Web gefunden. Ich habe ihn selbst via Pocket Casts abonniert. ↩︎