Wir wollen versuchen, an unserer Hochschule ein Kompetenzzentrum Webkommunikation aufzubauen (den Namen verstehe ich immer noch als Arbeitstitel; Helmuth Bronnenmayer hat vorgeschlagen, dass wir das Ganze WebKomm abkürzen, was mir gut gefällt). In den letzten Wochen habe ich mit Karin Raffer und Julian Ausserhofer viel darüber diskutiert, wie wir methodisch vorgehen wollen. Die Frage ist: Wie bekommen wir die sozialen Aspekte der Webkommunikation in den Blick, ohne die technischen Aspekte zu ignorieren. Wir wollen nicht einen der sterilen akademischen Diskurse über Webkommunikation fortsetzen, bei denen die technische, ich könnte auch sagen: die Geek-Seite der Sache ausgespart bleibt. Wir suchen nach einem Ansatz, um Webkommunikation so zu beschreiben, dass man die Kompetenz zu dieser Kommunikation dann auch methodisch sauber entwickeln kann—bei angehenden PR-Leuten und Journalisten an unserem Studiengang wie bei Leuten, die für die Webauftritte von Unternehmen oder Organisationen verantwortlich sind.

Ich scheue mich etwas aufzuschreiben, in welcher Richtung wir arbeiten wollen, weil das für Praktiker in Unternehmen oder Medienhäusern in dieser Anfangsphase wahrscheinlich extrem abstrakt und theoretisch klingt. Wir wollen uns an sozialwissenschaftlichen Traditionen orientieren, die die Handlungskompetenz der Akteure in den Mittelpunkt stellen, an der Ethnomethodologie, der Gesprächsanalyse und der Akteur-Netzwerk-Theorie. Dabei suchen wir nach Möglichkeiten, empirisch zu untersuchen, wie Menschen im Web tatsächlich Kommunikationsprozesse vollziehen—vielleicht könnte ich auch sagen: wie sie sich im Web verständigen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die Frage nach dem Wie bezieht sich auf Regeln oder Methoden, die die Akteure beherrschen (vor allem auf konstitutive Regeln im Sinne von Searle), die Frage nach den Faktoren auf die Phänomene, die sie berücksichtigen, und die ihr Aktionsfeld bestimmen—nicht auf hinter ihnen wirkende anonyme Kräfte oder Systeme. Vielleicht könnte ich auch sagen: Wir wollen beschreiben, welche Erwartungen bei der Verständigung im Web ineinandergreifen. Die Menschen, die sich im Web verständigen, erwarten etwas voneinander, ihre Erwartungen bauen aufeinander auf; sie erwarten aber auch etwas von der Technik, mit der sie dabei umgehen, und sie wissen, was die Technik von ihnen erwartet. Wir wollen beschreiben, wie sie die Beteiligten und Elemente der Kommunikation klassifizieren, welche Folgen von Sprech- oder Schreibakten (einschließlich Reparaturhandlungen) sie beherrschen, und wie sie dabei mit nichtmenschlichen Objekten und Akteuren, z.B. Browsern oder Suchmaschinen, umgehen.

Im Moment kommt es mir so vor, als könnte man die soziale Seite der Webkommunikation am leichtesten beschreiben, wenn man von Erwartungssystemen (also geordneten Erwartungen der Kommunikationsteilnehmer aneinander und an ihre Umwelt) ausgeht und diese analysiert. Dann kann man klären, ob und wie sie sich von der Erwartungssystemen in anderen Verständigungsformen unterscheiden. Möglicherweise kann man solche Erwartungssysteme auf ganz unterschiedlichen Ebenen beschreiben: Welche Erwartungen verbinden sich mit einem Hyperlink? Welche Erwartungen erzeugt jemand, der ein Profil von sich selbst im Web publiziert? Welche Erwartungen spielen bei der Verwendung eines Browsers eine Rolle, und wie spielen Erwartungen an deterministische technische Abläufe und Erwartungen von nicht vorhersagbaren Informationen und Kommunikationsakten ineinander? Wie weit bieten sich im Web ganz spezifische Möglichkeiten, Erwartungssysteme auf nicht erwartete Phänomene einzustellen und sie ihnen anzupassen?

Das sind Anfangsfragen, möglicherweise ist schon ihre Formulierung naiv. (Den Ausdruch Erwartungssysteme benutze ich nur zur Selbstverständigung.) Wir möchten jedenfalls in dieser Richtung weiterarbeiten und zuerst Forschungs- und Literaturberichte zur Anwendung von Ethnomethodologie, Gesprächsanalyse und Akteur-Netzwerk-Theorie (dazu hat Julian bereits seine Diplomarbeit verfasst) auf die Webkommunikation schreiben. Wir freuen uns auf Dialoge mit Praktikern und hoffentlich auch mit Soziologen, die uns helfen können, unsere Methoden zu verbessern.

Ich habe eine Seite über Mobilen Journalismus, kurz MoJo, angelegt, um Informationen dazu zu sammeln und zu ordnen. In meinem Feedreader haben sich in den letzten Wochen Posts über journalistisches Arbeiten mit Mobiltelefonen gehäuft—meist auf Englisch. Das Thema wird bei uns aktueller werden—auch wenn, wie beim Videojournalismus, zunächst sicher vor allem die Bedenkenträger darüber diskutieren werden.

MoJo steht für Mobile Journalism oder Mobiler Journalismus. Mobiler Journalismus ist Journalismus mit dem Mobiltelefon und Journalismus für das Mobiltelefon. Moderne Handys und Kleinkameras können sendefähige Videos und Audios aufnehmen. Es werden neue journalistische Formen möglich—und schon alte Fragen nach der Rolle der professionellen Journalisten müssen neu gestellt werden.

Beispiele

Aufsehen erregte dieses Video, das Gio Bonitez mit dem iPhone für CBS (WFOR in Miami) produzierte—so viel Aufsehen, dass CBS darüber einen weiteren Beitrag brachte, natürlich ebenfalls mit einem iPhone produziert. Poynter Online hat einen ausführlichen Chat über diese Story veröffentlicht, mit Benitez und seiner Redakteurin Adrienne Roark. Beide sprechen nicht nur über die Tools, die sie verwendet haben, sondern auch darüber, dass durch das mobile Arbeiten neue Formate entstehen werden.

Moeed Ahmed, der New Media-Verantwortliche von Aljazeera, spricht in einem Interview mit Christian Payne während der New Yorker 140 Character Conference über die Bedeutung des mobilen Berichtens für Aljazeera:

Neue Formate

Interessant sind Mobilgeräte vor allem als Ergänzung anderer Hardware. Sie unterstützen den Prozessjournalismus: Ein Interviewer, den ein Kameramann begleitet, kann mit seinem Mobiltelefon zusätzliche Shots machen, die er z.B. für Blogposts verwendet, die die Hauptstory ergänzen. WFOR will sein gesamtes Personal mit mobilen Kameras ausstatten, um ununterbrochen und von verschiedenen Standorten aus über Hurricans zu berichten.

Tools

Software: Via Twitter posten lassen sich Videos mit TwitVid und Fotos mit Twitpic. Mit der Iphone App TweetMic kann man Sprachbotschaften twittern. Für Audioaufnahmen mit dem iPhone lässt sich iProRecorder oder voice memos benutzen.

Hardware: Die Standard-Hardware von Mobiltelefonen lässt sich ergänzen; so gibt es für das iPhone Stativ-Anschlüsse und Wechselobjektive. Es ist auch möglich (nach Jailbreak), auf einem iPhone mit einer Bluetooth-Tastatur zu schreiben.

Plattformen: Vom Mobiltelefon aus streamen kann man via Kyte oder qik.

Ressourcen:
GlobalMojo ist ein Blog ausschließlich über mobilen Journalismus. Als Informations- und Experimentierplattform ist news4mobile gedacht, das eine eigene Seite mit Ressourcen zum mobilen Journalismus enthält.

Mehr Links zum Mobilen Journalismus

Version: 19.7.2009

Seit ein paar Tagen finde ich mich in Feedly hinein. Feedly ist ein Firefox-Addon, das die Inhalte des Google Readers in einer für meinen Geschmack sehr viel angenehmeren, magazinigen Oberfläche präsentiert. Bei mir sieht das gerade so aus:

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Man kann die Feedly-Oberfläche individuell anpassen; sie unterscheidet sich von der üblichen Oberfläche des Google Readers vor allem durch eine intuitive visuelle Hierarchie zwischen Meldungen und dadurch, dass Feedly viele Nachrichten in der Normalansicht überhaupt nicht anzeigt, also herausfiltert. Außerdem werden einige Fotos und Videos präsentiert, die man im Google Reader nur nach dem Klick auf eine der Meldungen sieht. Die Oberfläche erinnert an eine Zeitung; bestimmte Inhalte werden „gefeaturet“, während der Google Reader optisch nicht zwischen Inhalten unterschiedlicher Wichtigkeit unterscheidet.

Nicht Redakteure, sondern Algorithmen entscheiden bei Feedly, ob und wie wichtig eine Nachricht ist. Feedly kann außer der Aktualität auswerten, ob ein Newsfeed zu den Favoriten eines Users gehört, und ob ihn andere Benutzer der Google Readers empfohlen (geshared) haben. Wenn man Feedly installiert hat, zeigt eine Mini-Toolbox auch bei anderen Seiten an, ob die Seite bereits empfohlen wurde bzw. wie oft sie bei FriendFeed erwähnt wurde. Außerdem kann man die Seite über die Toolbox selbst sharen bzw. für späteres Lesen markieren:

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Wie dieses Empfehlungssystem genau funktioniert, durchschaue ich noch nicht. Auch mit den anderen Funktionen muss ich mich noch vertraut machen. Sehr gut gefällt mir, wie die kompletten Texte von Artikeln angezeigt werden, auf die man klickt. Außerdem kann man mit Feedly direkt in der jeweiligen Originalquelle, also z.B. einem Blog, kommentieren. Interessant ist auch die Integration mit Ubiquity, durch die man Feedly-Funktionen via Text-Kommando auf jeder im Firefox dargestellten Seite verwenden kann.

Das Experimentieren mit Feedly macht mir klar, dass ich mich in der Lehre mit dem Theman Nachrichten-Interfaces im Web bisher viel zu wenig bzw. gar nicht beschäftigt habe. Dabei interessiert mich selbst vor allem der soziale Aspekt dieser Interfaces, deren visuelle Eigenschaften soziale Wertungen übersetzen, bei Feedly z.B. direkt die Bewertung einer Information durch das Netzwerk eines Benutzers. Feedly erleichtert die people centered navigation innerhalb der persönlichen Nachrichtenquellen.

Mehr Informationen zu Feedly — möglicherweise Anlass für weitere Posts:

Max Kossatz und Mathew Ingram waren schon von der ersten Beta vor einem Jahr begeistert; Max geht auch kurz auf das Geschäftsmodell von Feedly ein.

Gutes Tutorial bei Geek Girl. ReadWriteWeb zu Feedlys Version der River-of-News-Darstellung, die Robert Basic bei der ersten Version vermisst hatte. Das Feedly-Blog über das Exposé-Feature, das better filtering, more density and better integration with the real-time web ermöglicht.

Dieses Tutorial behandelt die Implementierung von Feedly-Kommandos mit der Mozilla-Erweiterung Ubiquity — die ich für einen von vielen Gründen halte, am Firefox als wichtigstem information broker festzuhalten.

Für morgen ist die Wahl des nächsten Rektors der FH Joanneum angesetzt. Gewählt wird vom Kollegium, das die Lehrenden, die Studierenden und die Studiengangsleiter vertritt. Ich habe bereits auf die Profile der Kandidaten im Web hingewiesen.

Der Betriebsrat unserer Hochschule hat den Kandidaten drei Fragen gestellt und ihre Antworten hier veröffentlicht. Der Rektor der FH Joanneum ist auch wissenschaftlicher Geschäftsführer und damit Partner und Antipode des Betriebsrats.

Die Antworten bestätigen mir, dass nur einer der Kandidaten wählbar ist. („Die Phrase ist das gestärkte Vorhemd vor einer Normalgesinnung, die nie gewechselt wird.„)

Sollen wir über die Wahl nicht öffentlich diskutieren? Ich sehe nichts, das dagegen spräche. Die Steuerzahler finanzieren uns, und wir arbeiten für die Allgemeinheit. Die Öffentlichkeit darf erfahren, wer uns als Rektor vorgeschlagen wird.

An der FH Joanneum wird ein neuer Rektor gewählt. Die Landesregierung hat am Montag einen Dreiervorschlag beschlossen. Ernst Sittinger hat gestern in der Printausgabe der Kleinen Zeitung (die meinungsbildende Zeitung in Graz) darüber berichtet, dass es im Kollegium rumort, weil Klaus Posch, der interne Kandidat mit den größten Chancen, nicht in den Dreiervorschlag aufgenommen wurde.

Über die für den Dreiervorschlag Nominierten kann man sich online informieren (Martin Baumann, ein Studierendenvertreter im Kollegium, hat die Links gesammelt):

Univ. Prof. Dr. Peter Baumgartner
http://www.peter.baumgartner.name/
http://www.donau-uni.ac.at/de/universitaet/whois/06393/index.php

Prof. Dr. Johann Günther
http://www.johannguenther.at/
http://www.johannguenther.at/pdf/lebenslauf_johann_guenther.pdf

Univ.-Prof. DI Dr. Karl P Pfeiffer
http://www.i-med.ac.at/msig/mitarbeiter/pfeiffer/index.html.de

Informationen über die Aktivitäten von Klaus Posch an der FH gibt es u.a. hier und hier; Hinweise auf einige seiner Publikationen findet man über Google Scholar.

Ich bin selbst Mitglied unseres FH Kollegiums, und ich erhalte wie viele meiner Kollegen gerade aus verschiendenen Quellen viele vertrauliche Informationen und höre viele Gerüchte. Ich kann also nicht objektiv, sondern nur als Beteiligter Stellung nehmen. Ich hoffe, dass über den Dreiervorschlag und darüber, wie er zustande kam, offen und transparent diskutiert wird. Als eine Grundlage einer solchen Diskussion publiziere ich hier diese Links. Ich hoffe, dass nicht nur ich über dieses Thema bloggen werde.

Natürlich bedauere ich, dass ein Bewerber, der unsere Hochschule und das — nicht leicht zu verstehende — österreichische Fachhochschulwesen sehr genau kennt, nicht zum Zuge gekommen ist. Die FH ist eine der größten österreichischen Fachhochschulen, und vor uns liegt eine schwierige Phase: Die Budgets wachsen uns nicht mehr, und der Bologna-Prozess gibt uns neue Chancen, uns in der europäischen Hochschullandschaft zu positionieren. Dazu braucht die Hochschule eine Leitung, die die Spezifika einer FH versteht.

Der Kleinen Zeitung — der steirischen Regionalzeitung — können meine Kollegen und ich entnehmen, dass die steirische Landesregierung am Montag darüber entscheiden wird, wie die Stelle des Rektors der FH Joanneum ausgeschrieben wird: Vollaths Fachhochschul-Coup. Uneingeweihte können den Artikel nicht verstehen: Im Kern geht es wohl darum, ob die nächste wissenschaftliche Geschäftsführerin wieder Vorsitzende des FH-Kollegiums sein (und damit auch vom Kollegium mitgewählt) wird. Offenbar hält die zuständige Bildungslandesrätin Vollath an dem in Österreich einzigartigen Modell der Personalunion von Geschäftsführung und Kollegiumsvorsitz fest, während ihre Kollegin Edlinger-Ploder nach einem neuen Modell sucht. Frau Vollath gehört der SPÖ an, Frau Edlinger-Ploder der ÖVP; sie war in der letzten Legislaturperiode für die FH verantwortlich. Eine Proporzvorschrift kettet in der Steiermark beide Parteien in der Regierung aneinander. Tatsächlich belauern sie sich, und zur Zeit (wie eigentlich immer) beziehen sie Stellung für den nächsten Landtagswahlkampf. Am Montag dürfte auch darüber entschieden werden, ob und wie die Fachhochschule Joanneum in diesen Landtagswahlkampf hineingezogen wird.

Ich bin als einer der Vertreter der Lehrenden der FH Mitglied unseres Kollegiums, und ich denke wenigstens wöchentlich darüber nach, dieses Gremium zu verlassen. Der Bericht in der Kleinen Zeitung bringt mich diesem Schritt ein Stückchen näher. Zur zukünftigen Führungsstruktur der FH hat das Kollegium eine Stellungnahme formuliert; welche Rolle sie für die Entscheidung der Landesregierung spielt, wissen wir nicht. In der schlechten spätabsolutistischen Tradition der Steiermark werden Entscheidungen nicht offen diskutiert, bevor sie getroffen werden. Es gibt wenige Wissende und einige Personen in deren Umkreis, denen Indiskretionen zugeworfen werden. Auf eine solche Indiskretion dürfte auch der Artikel in der Kleinen Zeitung zurückgehen, der offenbar darauf abzielt, die Bildungslandesrätin zu schwächen. Der Einfluss des FH-Kollegiums, das für die Qualität von Lehre und Forschung verantwortlich ist, ist extrem gering. Noch komplizierter werden die Machtspiele um die FH durch einen politbüroartig agierenden Aufsichtsrat, gegen den sich, wie aus dem Artikel in der Kleinen hervorgeht, auch die vorgesetzte Landesrätin nicht immer durchsetzen kann, und durch die interne FH-Bürokratie, die in der Vergangenheit FH-Geschäftsführungen gefährlich geworden ist und im Gegensatz zu den Studiengängen nie evaluiert wird.

Die FH Joanneum hat einen guten Ruf; die Arbeitsbedingen sind nach wie vor besser als an vielen Universitätsinstituten. Ihren Ruf und ihre Qualität hat sie in einer Zeit erworben, in der sie relativ klein und überschaubar war und unbürokratisch geführt wurde — von Personen, die akademische Ansprüche hatten, auch wenn die FH als GmbH organisiert war. Wenn wir unsere Position auf dem Bildungsmarkt halten oder verbessern wollen, brauchen wir dringend und schnell:

  • eine innovations- und sachorientierte Führung mit Handlungskompetenzen;
  • transparente, entbürokratisierte Entscheidungsstrukturen, und vor allem eine
  • konsequente Entpolitisierung der Hochschule.

Wichtig wäre außerdem, dass tatsächlich ergebnisoffene und öffentliche interne und externe Diskussionen über die Entwicklung der FH und ihrer Studiengänge geführt werden. Alles intern und extern vorhanden Wissen muss genutzt werden, wenn die FH ihre Aufgaben als Wissens- und Innovationszentrum für die Region und ihre Wirtschaft erfüllen soll.

Heute nehme ich in Dieburg an der Tagung Zukunft Online-PR 2009. Zur Vorbereitung des Workshops RSS – Inhalte jenseits der Website zugänglich machen, den ich dort am Nachmittag moderiere, hier eine Mindmap:

(Direktes Linkzur Mindmap)

Als Diskussionsgrundlage habe ich fünf Thesen formuliert.

  1. Newsfeeds sind eine Form der Benutzer-zentrierten Content-Distribution. Sie unterstützen das Vendor Relationship Management bei Medien und gehören zu den Werkzeugen der PR jenseits der Massenmedien.

  2. RSS existiert schon lange, wird aber vor allem von Profis und Info-Junkies intensiv verwendet. Newfeeds sind ein wichtiges Tool vor allem für die Ansprache professioneller Zielgruppen.

  3. Die PR kann und sollte alle Anwendungsmöglichkeiten von RSS nutzen — außer dem Publish-Subscribe-Mechanismus auch das Aggregieren, Filtern und Mashing up von Feeds.

  4. Die PR kann und sollte das ganze Spektrum der Inhalte verwenden, die über Feeds verteilt werden können: außer Texten und Medien (Podcasts) z.B. auch Eventdaten und geografische Informationen.

  5. Newsfeeds gehören zum zweiten Layer der Publikationsformate im Web; sie erweitern das erste Layer (HTML) und funktionieren zusammen mit ihm. Ein drittes Layer, das von Twitter und XMPP repräsentiert wird, entsteht gerade und erlaubt das Live Web oder Real Time Web.

Mindmap und Thesen werde ich heute vielleicht noch erweitern; ich hoffe auf ein spannendes Gespräch.

Wenn man Ted Nelson fast nur indirekt kennt — als Erfinder des Ausdrucks Hypertext und als Sonderling, der nicht verwunden hat, dass das WWW viel primitiver ist als das von Nelson konzipierte System — ist man von Nelsons neuem Buch überrascht: Nelson weist zwar auch auf sich und seine Leistungen hin, aber nur sehr zurückhaltend und nicht im Detail. Wenn ich es nicht übersehen habe, ist z.B. von Transklusionen nur einmal die Rede. (Transklusionen gehören wie bidirektionale Links zum Hypertext im Sinne Nelsons.)

Cover des Buchs

Nelson will in diesem Buch nicht seine eigenen Theorien vorstellen, sondern er will zeigen, dass die Computerwelt, wie wir sie kennen — vom PC auf dem Schreibtisch bis zum WWW — historisch geworden ist, überall auf Entscheidungen zurückgeht, die oft politisch oder wirtschaftlich motiviert waren, und dass sie deshalb auch nur historisch zu erklären ist. Nelson schreibt witzig und für ein breites Publikum; sein Buch ist eine gute Einführung in die Geschichte des Computing. Schwierige Konzepte versucht er nicht populär zu erklären, sondern er weist nur auf sie hin. Die Leserin oder der Leser soll erkennen, dass nichts von dem, was uns heute im Computing selbstverständlich erscheint, natürlich und technisch notwendig ist; alles hätte auch anders kommen können, und auch heute ist die Zukunft offen.

Die Geschichte, die Nelson erzählt, beginnt mit der Einführung von Hierarchien:

Hierarchy is the official metaphysic of the computer world.

Die karolingische Minuskel (mit der Nelson die Einführung von URLs durch Tim Berners-Lee vergleicht) spielt in ihr eine ebenso wichtige Rolle wie die Erfindung von Satzzeichen und Lochkarten. Die Kapitelzählung beginnt im negativen Bereich mit dem Kapitel -27; erst mit Unix und dem Jahr 1970 ist das Kapitel 1 erreicht: Unix ist die Basis des heutigen Computing und des Internets. (Für Nelsons Xanadu ist das Kapitel -11 reserviert.) Mit Social Networks und Second Life ist im Kapitel 20 die Gegenwart erreicht: Auch bei ihnen handelt es sich, wie bei allen Schritten vor ihnen, um Konstrukte, nicht um quasi natürliche Realitäten.

Für mich hat Nelsons Methode etwas Nietzscheanisches: Er erzählt eine Genealogie, so wie Nietzsche die Genealogie der Moral erzählt hat. Erzählt wird von Phänomenen, denen sich nicht einfach ausweichen lässt, die man aber verdrehen, ironisieren und subvertieren kann, mit einer gaya scienza, die bei Nelson eine unfeierlich-nerdige Gestalt annimmt.

Den eigentlichen Reiz des Buchs macht die Fülle von Fakten, Beobachtungen und Reflexionen aus, oft aus der Perspektive eines Beteiligten oder eines persönlichen Bekannten der Beteiligten berichtet. Wenige Portraits in Nelsons Buch sind mit so viel Sympathie ausgeführt wie das von Richard Stallman, dem Gründer der Free Software Foundation und Erfinder von GNU/Linux.

Viele Schüler und Studenten bekommen durch Bücher wie Weischedels Philosophische Hintertreppe einen Zugang zur Philosophie. Ich kann mir vorstellen, dass durch Nelsons Buch auch Nichtinformatiker einen Zugang zum Computing als sozialem und historischen Phänomen erhalten. Dabei wird ihnen ein kritischer, aber nicht verbitterter Blick auf die Geschichte vermittelt — und die Lust daran zu zeigen, dass die Metaphysiken der Hierarchie nicht unausweichlich sind.