Gegen Ende des Podcasts über Europe’s Bet on Net Zero (McTague and Thompson 2023) staunt Tom McTague darüber, wieviel einfacher sich politische Entwicklungen verstehen lassen, wenn man sie durch die Energie-Brille ansieht. Das gilt für diese Folge ganz besonders. McTague und Helen Thompson diskutieren die Zusammenhänge des Übergangs zu erneuerbaren Energien mit geopolitischen Interessen. Dabei geht es nicht nur um Interessenpolitik, sondern um die eigentlich politische Dimension der Bildung von Akteuren in Verbindung mit der Energiepolitik. Die Europäische Union ist als Montanunion entstanden—basierend auf dem Poolen von Energie als Alternative zu Konflikten der Nationalstaaten Deutschland und Frankreich über Energie-Ressourcen. Eine Perspektive, die McTague und Thompson ansprechen, ist eine Erneuerung Europas durch ein gemeinsames Management der Stromnetze. Es geht auch um viele weitere Themen, darunter den systematischen Aufbau der Erneuerbaren in in China und den Zugang zu Metallen. Eine ganz andere Perspektive als die der meisten in der Klimabewegung, aber sehr lehrreich.

McTague, Tom, and Helen Thompson, dirs. 2023. “Europe’s Bet on Net Zero.” These Times. Unherd. https://unherd.com/podcasts/europes-bet-on-net-zero/.

Ich habe mich heute etwas über Emma Goldman informiert, die mir schon in Giorgos Kallis‘ Buch Grenzen begegnet war. Es spricht für sie, und es spricht für den Anarchismus, dass sie sich weder über den Ersten Weltkrieg noch über die Dikatatur in Russland hat täuschen lassen – und zwar von Beginn an. Ich vermute (hoffentlich zu Unrecht, aber das ist unwahrscheinlich), dass wir in der Klimakatastrophe die gleiche Erfahrung machen werden: Es haben die Recht, die sich nicht von den Schönredereien ins Bockshorn jagen lassen – jetzt zum Beispiel vom Hochjazzen der Minimalergebnisse der COP28. Realistisch ist eine Haltung wie die von Kevin Anderson.

Am 6. November machte die Kleine Zeitung mit einen „Hingucker“ auf: Der „Energie-Experte“ Karl Rose erklärte die Pariser Klimaziele für unerreichbar. Rose setzte noch eins drauf: Die Energiewende werde jeden Bürger „20% seines Vermögens“ kosten (Sittinger, 2023a). Drei Wochen vor der Klimakonferenz COP28 hatte die Kleine eine kleine Sensation. Ernst Sittinger, der Autor des Artikels, freute sich über die öffentliche Erregung (Sittinger, 2023b).

Titelseite der Kleinen Zeitung vom 6. November 2023
Titelseite der Kleinen Zeitung vom 6. November 2023

Die Kleine Zeitung zitiert Rose als Universitätsprofessor. Dabei beruft sich Rose in diesem Artikel nicht auf Forschungen, wohl aber auf seine Erfahrungen „in der Ölindustrie”. Im Artikel wird auch erwähnt, dass er Aufsichtsratsvorsitzender der Energie Steiermark ist. Hier spreche er aber – vor dem „Ennstaler Kreis“ der ÖVP – als Privatperson.

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The Fear and Tension That Led to Sam Altman’s Ouster at OpenAI – The New York Times. Merkwürdiger Artikel über OpenAI—merkwürdig wegen der Behandlung von sogenannten philosophischen Überlegungen, als seien sie etwas Exotisches. Hier wiederholt sich wohl zum Teil die Geschichte des frühen Web, etwa die Entwicklung der ersten kommerziellen Browser. Tatsächlich bekommen philosophische Überlegungen, zur Kognition und zur Ethik, eine enorme praktische Relevanz.

Climate science is entering a new phase. It’s the end of the beginning and it’s time to prepare,

schreibt Ruth Mottram in einem Blogpost (Mottram, 2023), in dem sie auf eine ganze Reihe der aktuellen Nachrichten zum Klimanotstand verweist – vom Rekordtief des antarktischen Meereises bis zur Berufung von Jim Skea als Chef des IPCC. Diese neue Phase ist – auch in Ruth Mottrams eigener Arbeit – die Phase der Adaption mit allen ihren wirtschaftlichen uns sozialen Implikationen, nicht zuletzt wegen der in einzelnen Ländern und international extrem ungleichen Verteilung von Reichtum und Risiken.

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Ausschnitt aus S. 26 des steirischen Klimaschutzbarometers
Ausschnitt aus S. 26 des steirischen Klimaschutzbarometers. Es wird nicht sichtbar, dass ein großer Teil der Fernwärme der Steiermark aus Gaskraftwerken kommt.

Vor ein paar Tagen ist das steirische Klimaschutzbarometer 2023 erschienen. Das Gallup Institut hat es für die steirische Landesregierung erhoben. Die wichtigsten Ergebnisse finden sich – außer in der Präsentation des Instituts (Gallup Institut, 2023) – auch auf der Website der Landesregierung (Jammernegg, n.d.) und in einem Artikel der Kleinen Zeitung (Pilch, 2023a). Günter Pilch hat außer diesem Artikel selbst auch einen lesenswerten Kommentar dazu verfasst (Pilch, 2023b).

Nach der ersten Lektüre finde ich zwei Dinge bemerkenswert:

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Der Bericht über Auftritte Robert Habecks in dieser Woche (Neumann, 2023) und ein Interview mit Habeck zu Hans Jonas (Habeck, Robert, 2020) zeigen, wo sein Ansatz liegt – und dass dieser Ansatz ziemlich gut zu einer sehr deutschen Tradition der Abweisung zu großer Ansprüche als „romantisch” passt.

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„Lefebvres Intervention war folgenreich in einer Disziplin, die sich offenbar ganz aus der Debatte um die Modeme verabschiedet hatte: die Geographie. Es war der britische Marxist und Geograph David Harvey, der die Brücke von der Gesellschaftstheorie zur Geographie, von der Kritik des Kapitalverhältnisses zur Analyse der geographischen Räume schlug. Indem Harvey der klassischen Geographie eine gute Dosis Marx verpaßte, formulierte er alle Themen, um die die Geographie einen großen Bogen zu machen pflegte, um: die Fragen der Bodenrente und der Landnutzung, die Fragen des fixen und variablen Kapitals, die Formen der gebauten Umwelt, der Ansiedlung von Industrie und des Verlaufs von Transportwegen, die Evolution der städtischen Lebensformen und der Urbanisierung, die Ausbreitung von Modernisierungprozessen, die funktionalen Hierarchien von Siedlungen, das ganze Mosaik ungleicher regionaler Entwicklung des Wohlstands der Nationen, die Formung und Umgestaltung von Landschaften, die Herausbildung von Zentren und Peripherien, die Spannung von Globalem und Lokalem – alles dies war mit einem Male Sache einer erneuerten, »kritischen« Geographie geworden.“ (Schlögel, 2017, p. 65f.)

Das sind die Themen der off_gallery graz, und das sind auch meine Themen in der Klimabewegung. Auf Harvey und den spatial turn bin ich erst vor ein paar Wochen gestoßen – auf der Suche nach Möglichkeiten, ökologische Krisen und Gesellschaftsanalyse miteinander zu verbinden. In Schlögels Buch finde ich jetzt formuliert, was ich nur vage vermutet hatte.

Schlögel, K. (2017). Im Raume lesen wir die Zeit: Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik (4. Aufl). Hanser.