In ihrem Podcast Das Klima (seit Jahren einem meiner Lieblings-Podcasts) stellen Claudia Frick (@fuzzyleapfrog) und Florian Freistetter (@astrodicticum) jetzt wöchentlich ein Kapitel des neuen österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2, APCC, 2025) vor. Für die erste Folge dieser Serie haben sie Daniel Huppmann (@daniel_huppmann) eingeladen, um einen Überblick zu über den Bericht zu geben und seinen Aufbau zu erläutern (Frick & Freistetter, 2025). Sie diskutieren mit Daniel Huppman auch darüber, was an Wissenschaftskommunikation für den Bericht geplant ist. Außer einer interaktiven Website gehören dazu u.a. auch TikTok-Videos – möglicherweise identisch mit der Serie, die Verena Mischitz gerade auf YouTube gestartet hat (Verena Mischitz, 2025).
In der ersten Folge wird hervorgehoben, dass es weltweit nur in Österreich einen den Regeln des IPCC entsprechenden Bericht für das eigene Land gibt. (Das US-amerikanische Assessment hat die Trump-Regierung gestoppt, Plumer & Dzombak, 2025.) Soweit ich weiss, hat vor allem Helga Kromp-Kolb sehr früh daraufhin gearbeitet, dass die österreichische Klimawissenschaft sich als Community organisiert und mit einer Stimme spricht.
„Die Klimawissenschaftler:innen haben im Zuge der Auseinandersetzungen mit Leugnern und unwilligen Politikern gelernt, ihre Erkenntnisse zunächst in einem transparenten, interdisziplinären Prozess untereinander zu diskutieren und deren Tragfähigkeit abzuschätzen, ehe sie als Entscheidungsgrundlage Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angeboten werden.“ (Kromp-Kolb 2023; Kap. „Was hat Corona, das die Klimakrise nicht hat?“).
Für die Wissenschaftskommunikation ist das eine wichtige Voraussetzung: Hinter den Aussagen eines Synthesis Reports wie des AAR2 steht eine ganze wissenschaftliche Community, nicht einzelne Wissenschaftler:innen oder Gruppen von Wissenschaftler:innen. Wer diese Aussagen in Frage stellt, muss das Funktionieren wissenschaftlicher Prozesse in Frage stellen, nicht nur die einzelnen Aussagen.
Klimakommunikation und Klima als „public issue“
Der AAR2 zeigt auch, wie wissenschaftliche Fakten etabliert werden – in einem Diskussions- und Korrekturprozess, in dem sich eine Community darauf einigt, was sie als Wissen über Tatsachen anerkennt. Sie verwendet und entwickelt dazu Verfahren, durch die „die Tatsachen selbst sprechen“, so dass sich entscheiden lässt, ob Annahmen wahr oder falsch sind – Bruno Latour und andere haben diese Prozesse untersucht. Der „menschengemachte Klimawandel“ ist ein solches wissenschaftlich herausgearbeitetes Faktum.
Wissenschaftliche Fakten und die wissenschaftliche Community mit ihren Praktiken setzen sich wechselseitig voraus. Die Kommunikation der Fakten ist – wie diese Podcast-Folge besonders gut zeigt – deshalb auch Kommunikation über die wissenschaftliche Community und ihre Praktiken. Wer, wie die „Klimaleugner“, eine wissenschaftliche Tatsache bestreitet, muss auch die Existenz der wissenschaftlichen Community und ihre Arbeitsweise in Frage stellen, also diese spezifische Wahrheitskultur und ihre Institutionen. Genau das geschieht gerade in den USA. Die Allianz der FPÖ mit dem Heartland Institute, das Trumps autoritäre Antiklimapolitik konzipiert hat, zeigt, was für die Klimawissenschaft in Österreich gerade auf dem Spiel steht (Wittenbrink, 2025).
Wissenschaftskommunikation, wie sie „Das Klima“ vorbildlich durchführt, ist Faktenkommunikation. Sie macht wissenschaftlich etablierte Fakten und die Arbeit der wissenschaftlichen Community verständlich. Daraus ergibt sich der Appell, diese Fakten in Öffentlichkeit und Politik ernstzunehmen.
Dieser Appell ist allerdings nie so erfolgreich gewesen, wie es nötig wäre, um die Klimakatastrophe wirksam zu begrenzen. Auch der AAR2 wird in den Medien zwar ernst genommen. Er hat aber – jedenfalls in den ersten Tagen nach seiner Publikation – nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die er verdient hat. Darin zeigt sich die Begrenztheit der Klimakommunikation als Faktenkommunikation – eine Begrenztheit, die diese Faktenkommunikation nicht überflüssig macht, sondern nur deutlich macht, dass es nötig ist, über sie hinauszugehen.
Die Klimakrise als umstrittene öffentliche Angelegenheit, als issue, wie es Noortje Marres nennt (Marres, 2005), ist nicht von den wissenschaftlichen Tatsachen zur globalen Erhitzung durch Treibhausgase zu trennen, aber sie ist nicht mit ihnen identisch. Aus dem wissenschaftlichen Konsens über die Tatsachen ergibt sich kein politischer Konsens über den Umgang mit der Klimakatastrophe. Öffentlichkeit und Politik folgen nicht den Regeln der Wissenschaft. Konsens wird in ihnen anders hergestellt als durch das Etablieren wissenschaftlicher Fakten. Gerade die gute Wissenschaftskommunikation im Umfeld des AAR2 demonstriert, wie groß der Hiatus zur politischen Kommunikation ist. Die konsensorientierte Wissenschaftskommunikation kann die Dissense und Konflikte, die zur politischen Kommunikation gehören, nur indirekt formulieren – sonst setzt sie sich dem Vorwurf aus, Wissenschaft und Politik zu vermischen. Klimakommunikation als politische Kommunikation muss deshalb an die Wissenschaftskommunikation anschließen, aber die immanenten Grenzen der konsensorientierten Wissenschaftskommunikation überschreiten und in den Konflikte über die politische Dimension wissenschaftlicher Erkenntnisse Stellung beziehen.