Am Wochenende habe ich das BarCamp Senza Confini in Klagenfurt besucht. Dank an Georg Holzer, Martin Gratzer, Ed Wohlfahrt und die anderen Organisatoren und Teilnehmer für zwei Tage konzentrierte Information und entspannten Austausch!

Warum macht es Spaß ein Barcamp zu besuchen? Am meisten sicher wegen der Menschen, die man wiedertrifft oder kennenlernt und mit denen man sich in zwischen und nach den Sessions unterhält. Bei den österreichischen Barcamps, die ich bisher besucht habe, hat sich so etwas wie eine Community herausgebildet, Leute, die in einem losen Diskussionszusammenhang stehen und nicht einen Verein oder eine fixierte Institution brauchen, um sich zu unterhalten. Angenehm ist nicht zuletzt, dass hier Prestige und Konkurrenz so gut wie keine Rolle spielen.

Barcamps bilden so etwas wie Satzzeichen in einer fortlaufenden Online-Kommunikation. Es kommen Leute zusammen, die sich untereinander in Weblogs, Social Netwoks oder via Twitter verfolgen. Auch die Barcamps selbst werden dokumentiert, man kann online an sie anschließen. Vielleicht bilden Barcamps eine eigene, komplexe Textgattung oder Metatextgattung (weniger steil ausgedrückt: eine webgestützte Kommunikationsform): wie bei anderen Online-Publikationsformen gehören zu ihnen spezifische Formen, sich gegenseitig zu beobachten (z.B. über das Wiki) und charakteristisches Bündel von Möglichkeiten, um kommunikativ aneinander anzuschließen.

Barcamps dienen nicht nur dazu, sich in komprimierter Form wechselseitig auf dem Laufenden zu halten. Sie sind Gelegenheiten, einen Überblick über die Szene zu erhalten und aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren. Ich kenne keine bessere Form, um über die Kommunikation im Web zu kommunizieren.

Hier eine Zusammenfassung meiner Notizen aus Klagenfurt und ein paar dazu gesammelte Links:

Power Laws: Die Biegung entscheidet

Die Präsentation von Matthias Lux über Power Laws habe ich leider nur zum Teil mitbekommen. (Sie ist online nachzulesen: Power Laws — Popularity And Interestingness). Matthias Lux ging es vor allem um den bend, also den Knick in den Zipf- oder Pareto-Kurven. Sie steigen nicht gleichmäßig an, sondern erst wenig und dann — manchmal — von einem bestimmten Punkt an steil. Laut Matthias ist dieser bend die Voraussetzung dafür, dass etwas tatsächlich zu einem Massenerfolg wird. Und offenbar lässt sich, wenn der bend erreicht ist, auch voraussagen, dass etwas zu einem Erfolg wird.

Ich merke mir den Begriff preferential attachment. (Preferential attachment means that the more connected a node is, the more likely it is to receive new links.) Muss endlich Barabási lesen!

Deconstructing the Horizontal Myths of Web 2.0?

Enrico Maria Milič‚ Präsentation Deconstructing the Horizontal Myths of Web 2.0 hat mich enttäuscht, auch wenn das Material interessant war. (Welcher Inhalt soll auch auf einen so aufgeblasenen Titel folgen?) Aus Statistiken über das Bloggen in Italien und den USA hat er letztlich nicht mehr abgeleitet als ein paar gut gemeinte Binsenweisheiten: Den meisten Bloggern gehe gar nicht um politische Themen, auch in der Blogosphäre herrsche eine gender hierarchy. Aber wer hat je etwas anderes behauptet? Die apostrofierten journalists and big names of the blogosphere jedenfalls nicht.

In diesem Fall ist die Auswertung von Fragebögen nicht ein wissenschaftliches Instrument, sondern ein Surrogat für eine Forschungsstrategie und eine definierte Methodik. Sie ermöglicht es, den eigentlichen Gegenstand, nämlich die Kommunikation in Weblogs, gerade nicht zu untersuchen. Matthias Lux ging in seiner Präsentation von vorhandenem Wissen über Eigenschaften von Netzen aus. Seine Überlegungen waren nicht mehr als Gedankenspiele (die er selbst zu sehr relativierte), aber in so etwas wie einem netzorientierten frame of reference. Enrico Maria Milič verzichtete für seine Auswertung von Fragebögen zu den Interessen von Bloggern auf jede blog- oder netzspezifische Hypothese und fand wohl deshalb nur Banalitäten.

Max Kossatz: Blogger Connections vs. Tags

Neue Perspektiven zeigte dagegen Max Kossatz in seiner Session über Blogger Connections auf. Auch er geht von Netzphänomenen aus. Max arbeitet an Werkzeugen, mit denen sich die Blogosphäre adäquater erfassen lässt, als es Technorati schafft. Dazu renoviert er zusammen mit Ritchie Pettauer die Deutschen Blogcharts und kartographiert die Beziehungen zwischen Bloggern in blogsvision. (Für eine alternative Visualisierung benutzt Walter Rafelsberger seine Rhizome Navigation. )

Wenn jemand nach interessanten Blogs oder Blogs zu einem Thema sucht, kann er mit den Beziehungen zwischen Bloggern mehr anfangen als mit mehr oder weniger willkürlich vergebenen Tags. Das ist Max Kossatz‘ Ausgangspunkt; deshalb wertet blogsvision die Blogrolls aus statt Tags. Die kartografische Erfassung wird allerdings dadurch erschwert, dass die IP-Adresse oft nichts mit dem Ort zu dem hat, an dem gebloggt wird. (Der Ausgangspunkt blogger connections erinnert mich an die people centered navigation, über die Ton Zijlstra im September 2006 beim Wiener Barcamp gesprochen hat.)

Facebook Ads: Demografisches Targeting via Wizard

Gestern hat Max Kossatz in einer zweiten Session zusammen mit Ritchie Pettauer das Facebook-Anzeigentool vorgestellt. Damit lassen sich über einen Wizard Anzeigen demografisch gezielt schalten (in Österreich wegen der geringen Nutzerzahl bis jetzt noch für ein paar Cent). Werbung und Kommunikation wachsen so tatsächlich zusammen — es fehlt nur noch, dass die UserInnen ihrerseits auswählen können, welche Anzeigen sie sehen wollen. Ritchie ging dann auch noch kurz auf Naymz ein; was er dazu sagte, kann man ähnlich in seinem Blog nachlesen. Naymz ist ein Social Network für professionelle Kontakte, das in den Staaten schon zu LinkedIn aufgeschlossen hat. Die Mitglieder können sich wechselseitig empfehlen; erwirbt man einen premium-Account, promoted nayms den eigenen Namen, z.B. durch Google Ads.

Zemanta: Blog-Ergänzung durch semantische Analyse

Max Kossatz‘ blogsvision dient dazu, interessante Inhalte dadurch zu finden, dass man den Beziehungen zwischen Bloggern nachgeht. Zemanta, ein slowenisches Startup, das von seinen Gründern vorgestellt wurde, findet mit semantischen Technologien Inhalte, die z.B. zu einem Blogeintrag passen. In ihrer Präsentation beschrieben Andraž Tori und Jure Cuhalev vor allem, wie sie über das Londoner Seedcamp an Risikokapital für ihr Projekt gekommen sind. Sie hoben die erfolgsorientierte Methode, Geld für die Produktentwicklung zu bekommen, von den bürokratisierten EU-Forschungsförderungen ab, die oft in Projektruinen enden. Nach meinen Erfahrungen mit EU-Projekten kann ich das leider nachvollziehen. (Etwas älteres Interview mit Andraž Tori hier.)

Coden mit Adobe Flex

Ich war auf zwei im engeren Sinn technischen Sessions. Bernd Buchegger und Ronald Linasi, bekennende Coder von trinitec, stellten Flex, Adobes Framework für Rich Internet Applications, vor und berichteten dabei auch über das neue Flex 3. Auch wenn ich kein Entwickler bin, haben mich die Aussagen zur agilen und Modell-gestützten Entwicklung am meisten interessiert. Ich weiß noch nicht, wie ich das in meinen Unterricht einfließen lassen kann, aber ich glaube, dass ein Grundverständnis dafür, was eine Web-Applikation ist und wie man sie entwickelt, auch für Jounalistinnen und Unternehmenskommunikatoren wichtig ist: Sie werden immer weniger analoge Produkte oder statische Webinhalte erstellen und immer mehr an dynamischen, miteinander vernetzten Anwendungen mitarbeiten.

Das richtige CSS-Framework finden

Horst Gutmann erläuterte einige CSS-Frameworks, darunter YAML, mit dem ich gerade selbst Erfahrungen mache (Präsentation hier). Seinen Vortrag fand ich ausgesprochen klar und verständlich, u.a. weil er verglich, wie sich mit drei Framworks ein konkretes Problem lösen lässt: das Anlegen eines vierspaltigen Layouts. Im nächten Semester habe ich eine Lehrveranstaltung zu HTML und CSS. Diesmal werde ich versuchen, die Studentinnen mit wenigstens einem dieser Frameworks arbeiten zu lassen — u.a., weil sie damit eher ein Erfolgserlebnis haben dürften als bei dem Versuch, mit etwas Basiswissen ein komplettes Layout aufzubauen.

Fiber to the home in Österreich: Gemeinden aufklären!

Ein ganz anderes Thema habe ich durch Alexander List kennengelernt, der sich mit der aktuellen Situation der Breitbandvernetzung in Österreich beschäftigte. Die Fakten hat er auch im Barcamp Wiki zusammensgestellt. Im Moment verhindern die Telcos in Österreich, dass die technischen Möglichkeiten für eine breitbandige Vernetzung aller Haushalte ausgenutzt werden, während es z.B. im Nachbarland Slowenien üblich ist, die Haushalte direkt an das Glasfasernetz anzuschließen. Alexander List war sich mit denjenigen unter den Zuhörern, die sich auf diesem Gebiet auskennen, darüber einig, dass ein massives Lobbying auf der Gemeindeebene das beste Mittel ist, um zu verhindern, dass Österreich hier noch weiter zurückfällt.

Mehr zum BarCamp in Klagenfurt u.a. hier: Barcamp Senza Confini, Teil 1 auf datenschmutz.net, mgratzer’s Blog » BarCamp Senza Confini Day 1, Jans Technik-Blog: Barcamps

Ich sitze in der Kantine des Museumsquartiers, meinem mobilen Büro in Wien. Ich habe zwei Tage BarCamp hinter mir. Für heute abend hat mich Alexandra Nussbaumer zu einem Event eingeladen, bei dem die Arbeit der Perspektivengruppe der ÖVP präsentiert wird; ich werde es als Blogger begleiten.

Ein lässiger Herbsttag, nach dem Schlammassel der letzten Wochen an der FH genieße ich die Urbanität. Zeit zum Nachdenken, zum Nacharbeiten und hoffentlich zum Schreiben…

Barcampbutton_logo_big_07
Gestern zum zweiten Mal auf einem Barcamp in Wien. Der Rahmen war ganz anders als beim letzten Mal: statt dem One Smart Space, einem inspirativen Freilicht-Museum der Dotcom-Blase, das WerkzeugH, ein Mashup aus Lokal und Kreativraum. Direkt dahinter die noch unfertige k-werkstatt von Knallgrau, alles zusammen ergab eine Labor-Atmosphäre die zu einer Unkonferenz sehr gut passt. Die Teilnehmer waren fast alle aus Wien, noch mehr als beim letzten Mal hatte die Veranstaltung Konversationscharakter. Ein schwüler heißer Tag, nachmittags Gewitter und Regen, die Diskussionsfreude vielleicht deshalb etwas gedämpft. Bewundernswert die minimalistische Regie; unterstützt durch das WerkzeugH-Team. Dramaturgischer Höhepunkt: Konzeption und Realisierung der Web 2.0-Killerapplikation shittr — eines „Service, den die Welt nicht braucht“ (Achtung: Launch steht unmittelbar bevor!).

Ich war gestern etwas zu angekämpft, um mich aktiv zu beteiligen, und habe intellektuell schmarotzt. Nicht mal zu shittr ist mir etwas eingefallen. Aber ich habe viel gelernt und genossen, einen ganzen Tag mit Leuten zu verbringen, die sich ziemlich genau für dieselben Dinge interessieren wie ich. Teilnehmer der Altersklasse 50+ gab es außer mir wohl kaum, warum eigentlich? Und nach wie vor ist der Männerüberschuss bei solchen Events erdrückend. Warum interessieren sich so wenige Frauen für das Entwickeln für das Web? Sind bestimmte Varianten des Spieltriebs bei ihnen tatsächlich weniger ausgeprägt als bei uns Männern?

Notizen von den Sessions/Gesprächen, die ich mitbekommen habe, in den nächsten Postings!

Bei Arte TV kann man sich die Debatte Royal/Sarkozy noch einmal anschauen, wenn man so viel Zeit hat. Im Vergleich zu österreichischen und deutschen Wahlsendungen hat mich die „Kampfkultur“ fasziniert. Das ganze fand in einer Arena, fast einem kleinen Amphitheater statt. Die Journalisten dienten nur als Ringrichter („Wanduhren“, hieß es in der Nachbesprechung auf TV5). Royal und Sarkozy gingen wie geschulte Fechter aufeinander los, hielten sich genau an die Zeitvorgaben und hatten wohl auch selbst Spaß am verbalen Zustechen. Anders als outre-Rhin, wo die Aggressivität entweder plump ist oder sich unter gedrechselten Satzungetümen verbirgt.

Notizen von TÄGLICH.ALLES.GRATIS. Studenten unseres Jahrgangs 04 haben das Event über Gratiszeitungen organisiert. Gratiszeitungen überschwemmen derzeit Österreich; allein in Graz mit seinen 250.000 Einwohnern gibt es zwei von ihnen. Ich versuche mitzuschreiben. Zur Zeit füllt sich der Saal.

Update: Sehr lesbare Zusammenfassung von Isabel Anger auf Onlinejournalismus06, Fortsetzungen 2, 3, 4, 5, 6 und 7.

Weiterlesen

werbeplanung.at zählt Lost and Found zu den relevanten Blogs in Österreich. Eine kleine Korrektur: Ich arbeite nicht mehr bei der Firma Südpol; die hat damals der Dotcomtod ereilt. Aber ich freue mich über die (nicht unbedingte verdiente) Erwähnung.

Die Liste wirkt interessant, eine Reihe der genannten österreichischen Blogs kenne ich noch nicht. Leider fehlt langreiter.com, eines der ersten und formal wie inhaltlich interessantesten österreichischen Blogs. Medien- und Grafikinteressierten sei auch das Metaportal der Medienpolemik ans Herz gelegt!

Reprod
Wer gerade in Graz ist, sollte Reproduktion des Anti-Baby-Pillen-Vaters Carl Djerassi nicht verpassen. Ich habe schon lange nicht mehr eine so witzige Inszenierung gesehen. Fünf Mitglieder des Theaters im Bahnhof spielen im Hörsaal der Gynäkologie des Landeskrankenhaus, einem klassischen Auditorium mit steil ansteigenden Bänken. Die Inszenierung verwendet kaum Requisiten, die dafür — fast wie bei Peter Brook — zu Mitspielern werden. Mit kleinsten Gesten und verknappten Dialogen arbeiten die Schauspieler heraus, wie komisch und theatralisch normale und nicht-normale Paar- und Familienbeziehungen sind.

Ein Barcamp ist eine personifizierte Tag Cloud. Die Teilnehmer und die Themen hängen assoziativ zusammen. Interessant sind die Querverbindungen. In Klagenfurt drehten sich viele Diskussionen um PR, andere um strikt technische Themen. Reizvoll ist die Verbindung. (Anderes habe ich nicht mitbekommen und hoffe auf Präsentationen bei slideshare.)

Dank an Walter Rafelsberger, Reini Urban, Eric Eggert, Martin Osen, Georg Holzer, Stefan Weder, Olaf Nitz und natürlich Boris Böttger für Anregungen und Diskussionen zwischen und nach den Sessions!

Unter den technischen Präsentationen fand ich Reini Urbans Vortrag über PhpWiki am interessantesten, vor allem wegen den Abschnitten über SemanticWeb support. Dankbar bin ich auch für Eric Eggerts Einführung in Mikroformate und die Drupal-Präsentation durch Michael Gerzabek und einen Referenten, dessen Name sich leider nirgendwo finden lässt. Drupal und PhpWiki möchte ich gerne im Unterricht verwenden.

Herrvorragend fand ich die Performance Markus Pirchners und Ed Wohlfahrts zu PR im Zeitalter von Social Media, über die ich schon geschrieben habe: eine konzise und witzige Darstellung der Situation der PR in den Zeiten des Social Web — vielleicht bauen die Autoren sie zu einem Un-Manifest aus?

Verpasst habe ich leider die Session von Oliver Überholz Web 2.0 in Asien. Aber wenigstens bin ich auf sein Weblog gestoßen.

Mathias Lux leitete das Barcamp mit einem Vortrag über das Web 2.0 ein: Wisdom of the Crowds. Die Folien (pdf) sind inzwischen online, einschließlich des zweiten Teils über die Analyse von Tags, für den in Klagenfurt keine Zeit mehr war.

Am Freitag und Samstag auf den Linuxtagen in Kapfenberg und Graz. Spuren im Web: Das
Blog Michael Prokops und eine Bildergalerie.

Am Freitag waren drei „meiner“ Studenten an der FH mit dabei: Claudia Koller,
Norbert Hillinger (beide moderierten) und Julian Außerhofer.
Den Tag in Kapfenberg hatte der Studiengang ITM organisiert, vor allem Takashi Linzbichler, Klemens Franz und Hannes Wölfler. (Takashi schätzt, dass die Vorbereitung des Tags sein Leben um etwa ein Jahr verkürzen wird.) Wir haben sie ein wenig unterstützt und waren froh, dass der Tag für alle Beteiligten tatsächlich interessant wurde. Froh waren wir auch darüber, dass es überhaupt Beteiligte gab. Um 9 Uhr, als das Programm begann, sah es noch nicht danach aus.

Ob es gelungen ist, die „steirische Wirtschaft“ für die Themen Linux und Open Source zu interessieren? Noch nicht wirklich. Die Veranstaltungen in Kapfenberg und Graz blieben Events für Insider. Aber wenigstens wurde das Ziel formuliert, und die Chancen dafür, dass sich die Botschaft viral verbreitet, sind größer geworden.