Christiane Schulzki-Haddouti benennt fünf Kernkompetenzen von Journalisten:

  1. Recherche und Monitoring;
  2. Die Erschließung und einfache Darstellung komplexer Zusammenhänge;
  3. Trends erkennen und verständlich visualisieren, kontextualisieren, vertonen, vertexten;
  4. Dialog und Moderation: Einen Diskurs, einen Dialog zwischen verschiedene Interessensgruppen anregen und moderieren;
  5. Aufmerksamkeit generieren, Publizität herstellen, Veröffentlichungsprozesse beherrschen.

Man kann die ersten vier dieser Kompetenzen zwanglos den Bausteinen des Online-Journalismus zuordnen, von denen Jeff Jarvis spricht (Nr.2 und Nr. 3 muss man dazu vertauschen):

  1. Kuratierte Aggregation von Quellen;
  2. ein Blog, dass die Geschichte nicht als Produkt, sondern als Prozess begreift;
  3. ein Wiki mit einer Momentaufnahme des vorhandenen Wissens
  4. Diskussion und Vernetzung mit laufenden Diskussionen über ein Thema.

Die fünfte Kompetenz, das Generieren von Aufmerksamkeit, basiert im Web ebenfalls auf Verlinkungen, so dass sich aus beiden Listen zusammen ein Kompetenzprofil des Linkjournalismus oder Online-Journalismus zusammenstellen lässt.

Ich habe damit begonnen, ein Spreadsheet aus beiden Listen zu erstellen, und durch die entsprechenden persönlichen Fähigkeiten und technischen Tools/Skills zu ergänzen.

Die Listen habe ich schon etwas erweitert; ich möchte die Tabelle zur Selbstverständigung und zur Diskussion der Kompetenzen benutzen, die wir am Studiengang vermitteln. Ich habe mich bewusst auf Online-Journalismus beschränkt; ich glaube, dass die Kompetenzen der Journalisten für Offline-Medien sich daraus ableiten lassen. Ich gehe davon aus, dass sich die Kompetenzen von Fachleuten für Online-PR (die wir an unserem Studiengang ebenfalls ausbilden) nicht von diesen Kompetenzen unterscheiden; Journalistinnen und PR-Leute brauchen zusätzlich natürlich noch ein berufsspezifisches institutionelles Wissen.

Es handelt sich um einen ersten Versuch. Das Dokument lässt sich unter diesem URL von Benutzern editieren, die bei Google eingeloggt sind.

Astrid Schwarz hat Helge und mich für Ö1 gefragt, woran man erkennt, ob Weblogs glaubwürdig sind [als Download hier, vorher ähnlich auf fm4 gesendet]. Ich habe ziemlich unvorbereitet geantwortet, und ich muss zugeben, dass ich über die Frage der Glaubwürdigkeit von Blogs und anderen Online-Quellen viel zu wenig nachgedacht habe. Vor allem wenn sie journalistisch ernst genommen werden wollen, müssen Blogs in einer nachvollziehbaren Weise auf die Glaubwürdigkeit ihrer Inhalte geprüft werden können. Übrigens spielt die Frage der Glaubwürdigkeit auch eine entscheidende Rolle bei der Diskussion des Verhältnisses von Journalismus und PR. PR kann nur dann behaupten, mehr als manipulativ zu sein, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit ausweisen kann.

Glaubwürdigkeit ist wohl eine Qualität, die es nur innerhalb von bestimmten sozialen Gruppen gibt, und sie ist immer an so etwas wie Prüfungs- und Autorisierungsverfahren gebunden. Mit diesen kollektiven Praktiken — die sich von technischen Praktiken nicht trennen lassen — muss man sich beschäftigen, wenn man über die Glaubwürdigkeit von Online-Quellen nachdenkt. Es spricht viel dafür, dass für Online-Publikationen noch Verfahren entwickelt werden müssen, die denen der klassischen Massenmedien entsprechen. (Was nicht heisst, dass Online-Medien nicht auch nach herkömmlichen Kriterien glaubwürdig sein können, und auch nicht, dass die herkömmlichen Medien diesen Kriterien immer oder auch nur meist entsprechen.)

Dass Menschen, die nur die Arbeitsweise klassischer Medien kennen, Probleme mit der Glaubwürdigkeit von Weblogs haben, hängt zu einem großen Teil damit zusammen, dass sie die Regeln der sozialen Gruppen nicht kennen, die Weblogs schreiben und lesen. Wer sich mit Blogs auskennt, hat eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, ob man einer Autorin oder einem Autor trauen kann oder nicht: Kommentare, Links, Technorati-Autorität usw. Leute, die wie Armin Thurnher das Internet als Medium nicht ernst nehmen, beherrschen diese Regeln in der Regel nicht, ihnen ist das Internet als soziale Realität fremd — so wie übrigens auch vielen Bloggern die soziale Realität der älteren Medien und ihre Regeln fremd sind. Sinn dieser Regeln ist es zum einen, die Wahrheit von Behauptungen zu prüfen und zum anderen Personen Glaubwürdigkeit zuschreiben zu können, die solche Prüfungsverfahren anwenden.

Diese Regeln der Glaubwürdigkeit sind aber nicht einfach Konventionen unterschiedlicher sozialer Gruppen, sie sind an Technologien und Infrastrukturen gebunden, die sich bei Massenmedien und sozialen Medien deutlich unterscheiden. Innerhalb eines bestimmten technologischen und sozialen Rahmens wurden und werden Verfahren entwickelt, mit denen sich die Wahrheit von Aussagen überprüfen lässt, und mit denen sich die Glaubwürdigkeit von Personen, die Aussagen machen, bewerten lässt. (Personen, die bestimmte Verfahren nicht anwenden oder nicht auf sich anwenden lassen, sind nicht glaubwürdig.) Zum herkömmlichen Journalismus gehören solche Verifikationsverfahren (vom check, cross-check, double-check! bis zur Interviewtechnik), die von Bloggern mit journalistischem Anspruch übernommen werden. Tatsächlich gibt es aber in der Blogosphäre nur sehr simple Verfahren, um Personen oder Publikationen Glaubwürdigkeit zuzusprechen — im Wesentlichen beruhen sie auf der Autorität einer Person unter Bloggern, und damit setzen sie möglicherweise das voraus, was sie bestätigen sollen.

Vor diesem Hintergrund finde ich Tim Berners-Lees Versuche, den Wahrheitsgehalt von Online-Quellen bewertbar zu machen und in Publikationen zu deklarieren, wie sie produziert wurden (also z.B. ob und wie Fotos bearbeit wurden) nicht so naiv oder abwegig, wie sie vielen erschienen sind. Es muss Möglichkeiten geben, Personen und Publikationen an Kriterien der Vertrauenswürdigkeit zu messen, nicht um das Web Autoritäten zu unterwerfen, sondern um im Web dezentral Glaubwürdigkeit zuschreiben zu können.

Diese Überlegungen sind sehr provisorisch. Beim Schreiben erscheint es mir immer wahrscheinlicher, dass Verfahren zur Feststellung/Zuschreibung von Glaubwürdigkeit eines der wichtigsten Themen bei der weiteren Entwicklung von sozialen Medien bilden werden.

Water_interface

Video im Web unterschied sich vom Video im Fernsehen bisher vor allem dadurch, dass man entscheiden kann, wann man es sehen will, und dass man es kommentieren und weiterempfehlen kann. Interaktivität im Video selbst ist selten — nicht, weil die technischen Möglichkeiten fehlen, sondern weil es fast niemand schafft, das lineare Erzählen einer Geschichte im Video so mit Interaktivität zu verbinden, dass weder die Erzählung noch die Interaktionsmöglichkeiten darunter leiden.

Zach Wise ist auf diesem Gebiet ein Durchbruch gelungen, und zwar zuerst mit einem interaktiven Video über die Wasserknappheit in der Gegend von Las Vegas für die Website der Las Vegas Sun. (Bereits vorher ist bei der New York Times das nicht weniger interessante Choosing a President erschienen, an dem Zach, der inzwischen zur Times gewechselt ist, maßgeblich beteiligt war. Dieses Video, dessen Produktion Zach genau erläutert, ist ein eigenes Post wert; siehe dazu Tracy Boyer.)

Tracy Boyer schreibt zu Thirst in the Mojave:

Wise takes storytelling to a completely new level with the introduction of interactive videos.

Zach erzählt linear, dabei ist das 22minütige Video in 5 Segmente geteilt. Eine durch Mouseover einblendbare Timeline oben orientiert die Benutzerin darüber, wo sie sich befindet, und ermöglicht es, an jede Stelle zu springen. Unten wird in zwei Fenstern zusätzliche Information geboten, links durch eine — aufzoombare — Karte, rechts durch anklickbares zusätzliches Text- und Videomaterial. Durch Klicken auf die eingeblendeten Namen von Interviewpartnern wird deren Kurzbiografie aufgeklappt. Alle Einstellungen des Videos sind geocodiert; auf der Karte links unten sieht man, wo gedreht wurde. Außerdem ist das Feature noch mit einer Datenbank zur Wassersituation in der Region verbunden. Zach Wise beschreibt detailliert, wie das Feature funktioniert und wie es produziert wurde.

Die Leistung von Zach Wise besteht darin, dass die zusätzlichen Informationen als Abzweigungen von einem Weg angeboten werden, zu dem man immer wieder zurückkehren kann, und der auch immer sichtbar bleibt. Man verliert nie die Orientierung, weder visuell noch in der zeitlichen Abfolge der Erzählung. Dabei wird ein kontroverser Sachverhalt journalistisch aufgearbeitet. Es wird sinnlich vermittelt, was passiert, und es wird sehr viel, aber nicht zu viel Hintergrundinformation geboten. Bravourös macht Wise vor, wie durch visuellen Linkjournalismus eine Geschichte in ihrem Zusamenhang erzählt werden kann [via News Videographer].

Zwei neue Websites informieren über Werkzeuge für Onlinejournalisten: Tools for News und Journalists Toolkit. Beide füllen eine Lücke: Bisher ist es sehr schwierig, halbwegs darüber auf dem Laufenden zu bleiben, was im Onlinejournalismus technisch state of the art ist. Beide sind als work in progress angelegt: Das Journalists Toolkit liegt erst in einer frühen, noch nicht designten Beta-Version vor. Bei den Tools for News können sich alle Interessierten registrieren und die Seite ergänzen. Die Devise ist:

Don’t be a tool. Use one.

Die Tools for News sind ein Katalog von Werkzeugen für Onlinejournalisten, gegliedert nach Kategorien — von Audio bis Workflow. Das Journalists Toolkit ist eine Trainings-Site, die vor allem auf Tutorials hinweist. Es gibt weniger Kategorien als bei den Tools, die Gliederung ist aber ähnlich. Beide Sites ergänzen sich also: Die eine bietet Überblick und aktuelle Information, die andere Einführungen und hoffentlich bald auch Best Practice-Beispiele. Die Tools for News kann man als Feed abonnieren.

Hinter den Tools for News steht Chris Amico, der in seinem Blog beschreibt, wie er die Site entwickelt hat (mit dem Web-Framework Django, bei dem man Module sehr leicht wiederverwenden kann). Amico gehört zum Netzwerk Wired Journalists, das ich ebenfalls empfehlen möchte. Es entwickelt sich gerade zu einem der wichtigsten Diskussionsforen über Onlinejournalismus

Auf die Tools for News bin ich über Michael Thurms Bookmarks und Dirk von Gehlen. gestoßen. Leute wie Ryan Sholin und Matt Thompson sind von der Initiative begeistert.

Mindy McAdams betreibt das Journalists Toolkit. Sie lehrt seit 10 Jahren an der Universität von Florida Onlinejournalismus und teilt ihr Wissen in dem Blog Teaching Online Journalism, das nicht nur Lehrende dieses Faches lesen sollten.

Für deutschsprachige Journalisten und Studenten ist es leider noch nicht selbstverständlich, englische Websites zu verfolgen. Außerdem gibt es auch viele gute Tutorials und Einführungen für Onlinejournalisten in deutscher Sprache. Vielleicht lohnen sich deutsche Adaptionen?

Gestern habe ich fast den ganzen Tag Blogposts über die Zeitungskrise in den USA gelesen. Dabei bin ich mit den Nachrichten zu diesem Thema, die ich mir unter Read it later aufgehoben habe, noch lange nicht fertig. Interessant sind sie wahrscheinlich vor allem für Leute, die sich für die alten Medien interessieren oder berufsmäßig interessieren müssen. Wie der neue Journalismus — der Journalismus nach den halboffiziösen zentralisierten Massenmedien — aussieht, lässt sich aus den Berichten vom Untergang der amerikanischen Presse nicht herauslesen.

Drei Einträge habe ich gefunden, die wichtige Aussagen über die Zukunft enthalten:

Jeff Jarvis beschreibt, wie dezentrierter Lokaljournalismus gemacht werden könnte, also ein Journalismus, der sich nicht mehr als das wichtigste Instrument versteht, in dem sich eine Community über sich selbst verständigt: A scenario for news. Jarvis ist für mich der wichtigste Vordenker eines kollaborativen Journalismus, bei dem jede Aktivität ihren Sinn durch die Position erhält, die sie in einem Netzwerk einnimmt. (Von Dezentrierung spreche ich zur Interpretation, das Wort kommt nicht in den Texten vor, auf die ich hinweise.)

Welche Folgen eine solche Dezentrierung für den Journalisten haben kann, beschreibt Doc Searls am Beispiel von Robert Scoble: Being Robert Scoble. Scoble managt nicht eine Community, sondern er lässt sich von ihr managen, er agiert als ihr Organ. Er dirigiert nicht ein Orchester, sondern spielt in einer Jazzband mit.

Technik (was immer dieser Ausdruck tatsächlich meint) spielt eine zentrale Rolle für die Zukunft des Journalismus. Um es angelehnt an Marx zu formulieren: Die Produktivkräfte sind über die Produktionsverhältnisse hinausgewachsen. Das traditionelle Medienbusiness wird mit der webbasierten Mitteilung von Nachrichten nicht fertig. Wenn man verstehen will, welche Möglichkeit der Journalismus oder Postjournalismus der Zukunft hat, muss man die Techniken studieren, auf denen er beruht (so wie der bisherige Journalismus auf Techniken wie dem Druck und dem Rundfunk beruht). Amy L. Webb sagt in Reshaping the Conversation, dass die meisten Medienfirmen nur Dame spielen, während Google und Adobe Schach spielen:

Here’s the real problem facing our newsrooms. Most people are out there playing checkers while companies like Google and Adobe are playing chess. NOTHING WILL CHANGE in journalism unless the conversation is refocused on what matters most: How can the ever-hastening disruptive change be either met or overcome by adapting technology and creative business models?

Auch hier kann man — im Verhältnis zum bisherigen, inhaltlich definierten Journalismus — von Dezentrierung sprechen: Inhaltliche und technische Kompetenz lassen sich im Journalismus der Zukunft noch weniger trennen als in der Vergangenheit; die Qualität von Journalisten hängt davon ab, dass sie fortgeschrittene Technik verwenden, und sie stellen ihren Communities Techniken zur Verfügung, um Nachrichten auszutauschen, zu prüfen und zu kommentieren.

Zu den Wörtern des Jahres 2008 gehört Zeitungskrise. Wie Unglücksbotschaften in einem antiken Drama erreichten Nachrichten über
sinkende Leserzahlen und Entlassungen die Branche. Am härtesten traf die Krise die Zeitungen in den USA. Dort fallen die
Werbeeinahmen seit Sommer 2006 kontinuierlich. 2008 gingen sie im ersten
Quartal gegenüber dem Vorjahr um 12,9, im zweiten um 15,1 und im
dritten um 18,1 Prozent zurück. Die katastrophale Entwicklung dürfte
sich im letzten Quartal noch verschlimmert haben. Im dritten Quartal
hat die Muttergesellschaft der New York Times eine Wertberichtigung um 166 Mio. Dollar für ihren Zeitungsbesitz vorgenommen, die Muttergesellschaft der Chicago Tribune und der Los Angeles Times hat sogar Konkurs angemeldet.. Insgesamt wurden bei amerikanischen Zeitungen 2008 über 15 000 Stellen gestrichen.

Papercuts_small

(Grafik: Papercuts stellt Entlassungen bei amerikanischen Zeitungen auf einer Google Map dar; auf die Seite hat bereits Dirk von Gehlen in seinen Digitalen Notizen hingewiesen.)

Zwei langsame, aber kontinuierliche Trends — die Abwanderung der User und die Abwanderung der werbetreibenden Wirtschaft ins Netz — und die dramatisch schlechte Konjunktursituation verstärken sich gegenseitig.

Nicht nur Beschäftigte amerikanischer Zeitungen blicken in einen Abgrund. Die Situation in England ähnelt der in den USA. Ein Bericht der
Beratungsfirma Deloitte sagt für 2009 voraus, dass täglich ca. 9
Millionen Tageszeitungen verkauft werden, nach 11 Millionen 2008 und
12,8 Millionen 2002 [Writing on the wall for newspapers]. Jede zehnte Zeitung werde schließen müssen. Das Werbevolumen werde sinken, die Rubrikenmärkte dürften drastisch schrumpfen.

Wie deutsche Medienhäuser auf die erwarteten Gewinneinbrüche reagieren, hat Christiane Schulzki-Haddouti zusammengestellt.

Weltweit wird der Zeitungsbranche für 2009 vorausgesagt, dass die Werbeeinnahmen um 3,6 Prozent sinken — das ist mehr als bei allen anderen Medien. Bei einer von UBS gesponserten Medienkonferenz in New York prophezeite Adam Smith von der Firma GroupM einen Kulturwandel in der Zeitungsbranche: Die Gewinnmargen für lokale und regionale Zeitungen würden unwiderruflich von 30% auf 10% fallen.

Wenn man den Analysen in Wirtschaftszeitungen glauben darf, so ist diese Entwicklung unumkehrbar. Zeitungsverlage werden nie wieder zu ihrer einstigen Größe — und das heißt auch: zu den einstigen Gewinnen — zurückfinden. Um ihr Geschäft überhaupt profitabel weiter betreiben zu können, müssen sie sich neu orientieren.

Online-Zeitung statt gedruckte Zeitung?

Andererseits: Bei der LA Times — also einer Zeitung im Konkursverfahren — übertreffen die Einnahmen aus dem Online-Geschäft erstmals die Kosten der Redaktion, und insgesamt haben die Zugriffe auf die Online-Ausgaben der US-Zeitungen im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Die Nutzung der 30 stärksten Zeitungssites in den USA stieg steil an; die LA Times hatte 143% der Benutzer des Vorjahrs. Studien zeigen, dass das Web in den USA 2008 zum ersten Mal als Nachrichtenmedium die Zeitungen überholte; bei jungen Erwachsenen liegt es mit dem Fernsehen gleichauf.

Pew

(Grafik: Copyright © 2008 Pew Research Center All Rights Reserved)

Die nächstliegende Frage ist natürlich: Wird oder kann Online Print ablösen und verwandeln sich die Zeitungen mehr und mehr in Online- Zeitungen? Ziemlich sicher kann man sagen, und dass Zeitungen auf absehbare Zeit online nicht so viel verdienen können, wie ihnen im Print verlorengeht. Wie James Surowiecki im New Yorker festgestellt hat, subventionieren die Leser der Printausgaben die redaktionelle Qualität der Websites der Zeitungen.

Do what you do best and link to the rest als wirtschaftliche Maxime

Interessanter als die simple Alternative Online oder Print? ist die Frage, ob sich die Zeitungen auch qualitativ verändern, welche Folgen die Krise für ihre Angebote hat. Die erste und sichtbarste Folge der Krise ist natürlich, dass die Zeitungen ihr redaktionelles Angebot kürzen: Damit gleiten sie auf einer Todesspirale abwärts — weniger Inhalt macht die Blätter für die Leser weniger attraktiv, weniger Leser zwingen dazu, inhaltlich noch weiter abzuspecken.

Todesspirale

(Grafik: Telemedicus/Anja Assion; some rights reserved)

In den USA zeichnet sich aber auch eine andere Entwicklung ab. Zeitungen schließen neue Allianzen, an die vor kurzem noch niemand gedacht hat. Frühere Konkurrenten überlegen ihre Vertriebe zusammen zu legen. Bündnisse zur gemeinsamen Online-Vermarktung haben erstmals Erfolgschancen. Jeff Jarvis empfiehlt den Zeitungen, nur noch über die Themen selbst zu berichten, bei denen sie die größte Kompetenz haben und sonst auf andere Angebote zu verweisen.

Man versteht Jarvis‘ Satz „cover what you do best, link to the rest“ meist als Anweisung an Autorinnen: Schreibe über die Dinge, die du kennst und linke auf alle anderen Information. Er drückt aber auch ein Geschäftsprinzip für Verlage aus: Mache mit deinen Publikationen, was du am besten kannst, und greife überall da auf andere zurück, wo sie die besseren Informationen haben. Die Regel zieht letztlich die Konsequenz daraus, dass im Netz jede Benutzerin und jeder Benutzer ihre
eigenen Informationen selbst zusammenstellen kann. Wenn ich auf
einer anderen Website weit bessere Informationen über Wirtschaft
finde als auf der Website meiner Zeitung, werde ich sie dort holen. Es
bringt also relativ wenig, wenn meine Zeitung versucht, mir ähnliche
Informationen auch noch anzubieten — möglicherweise aber viel,
wenn sie mich auf die bestmöglichen Informationen hinweist. In gedruckten
(Tages-)zeitungen ist das anders: Da erwarteten die Leserinnen vollständige
Berichterstattung über alle Themen in einem Blatt.

Jarvis empfiehlt zum Beispiel, dass eine Zeitung wie die Los Angeles Times die nationale und internationale Berichterstattung von einer Site wie der Washington Post übernimmt und umgekehrt anderen Zeitungen Ihre Berichterstattung über das Entertainment-Business und Hollywood zur Verfügung stellt. Die Los Angeles Times würde zu einem Spezialisten für Ereignisse in ihrer Region. Ich vermute, dass sich auf Dauer im Netz nur eine solche Aufgabenteilung oder Verknüpfung unterschiedlicher Angebote wird durchsetzen können. (Das kann, muss aber nicht auf Kosten der Qualität gehen.) Das unbundling der Nachrichten könnte auf zwei Stufen stattfinden: beim Verbraucher, der sich sein individuelles Nachrichtenpaket zusammenstellt, und bei Zeitungen und Newsportalen, die — außer ihren eigenen Berichten — eine redaktionelle Auswahl aus der Vielzahl weiterer Nachrichten anbieten. Für Journalisten könnte das bedeuten, dass sie die größten Arbeitsmarktchancen haben, wenn sie sich einerseits thematisch
spezialisieren und andererseits für möglichst viele Abspielplattformen
arbeiten können. (Im deutschen Sprachraum reagierte Thomas Knüwer schnell auf Jarvis‘ Vorschlag für die LA Times; er konzentrierte sich aber auf die Frage, warum Zeitungen hier nach wir vor Angst vor Hyperlinks haben.)

Eine Publikation oder Website als Knoten in einem Netz zu verstehen, zu dessen Qualität die Beziehungen zu den anderen Knoten gehört (einschließlich den Mitbewerbern) ist für traditionelle Verlage neu. Dieses Modell ist möglicherweise das Gegenteil der Vision von Medienmanagern, die so viele Inhalte wie möglich in möglichst vielen Medien aus einer Hand anbieten wollen. Diese Manager-Vision verträgt sich allerdings kaum mit der sehr viel stärkeren Position der Kunden im Netz. Wer sie verwirklichen wollte, müsste den Benutzerinnen die Macht wieder zu nehmen, zu der ihnen das Netz gerade verholfen hat. Im Netz suchen die Kunden nach Spezialisten, nach dem Angebot, das ihre Bedürfnisse am besten erfüllt. So werden sie es auch mit Medien halten. Die Zeitungskrise führt möglicherweise bei einigen Medienmanagern erstmals zu der Einsicht, dass sie sich auf diese veränderten Verhältnisse einstellen müssen.

An unserem Studiengang kommt es immer wieder zu Diskussionen über die Zukunft des Journalismus. Dabei geht es auch um unser zukünftiges Masterprogramm. Ich bin dafür, auch darin Journalisten auszubilden und das auch öffentlich deutlich zu machen, so wie wir es jetzt im Bachelorstudiengang tun.

Für unsere Hochschule ist die Frage, wie wir es mit dem Journalismus halten, zentral. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, dass ich als Evangelist der sozialen Medien den Journalismus für tot halte. Das Gegenteil ist der Fall. Meine Position möchte ich in einigen plakativen, provisorischen und persönlichen Thesen beschreiben. Ich werde an ihnen weiterarbeiten und hoffe auf eine Diskussion.

  1. Apokalyptische Schemata und revolutionäre Rhetorik sagen mehr über ihre Urheber aus als über die Wirklichkeit. Entwicklungen in komplexen Systemen lassen sich grundsätzlich nicht voraussagen. Wer über die Medien in der Zukunft spricht, und meint, er könne seine Aussagen verifizieren, ist bestenfalls ein Scharlatan.

  2. Der Journalismus endet nicht, weil die Verlage sterben. Die Geschäftsmodelle der Verlagsbranche sind in einer Krise. Verlage haben immer davon gelebt, Inhalte zu kaufen oder zu erstellen, Träger für diese Inhalte zu reproduzieren und sie zu distribuieren. Dieses Modell ist für digitale Inhalte obsolet. (Damit ist aber nicht gesagt, dass es nicht auch Inhalte geben wird, die weiterhin auf Papier verteilt werden.) Viele Verlage und Medienhäuser bewegen sich auf einer Todesspirale: Einnahmeverluste lassen die Qualität sinken und umgekehrt. Dass mit dieser Krise der Journalismus aufhört, ist so unwahrscheinlich, wie dass die Krise der großen Plattenlabels zum Untergang der Popmusik führt — auch wenn die Labels das behaupten.

  3. Journalismus im Web findet verteilt und dezentral statt. Das Web vernetzt Menschen und Medien: Wenn alles mit allem verknüpft werden kann, entwickeln sich die Knoten am besten, die für die anderen Knoten wichtig sind und sich intelligent mit ihnen verbinden.

  4. Unsere Kultur wird auf den Journalismus so wenig verzichten wie auf die Wissenschaft oder die unabhängige Rechtsprechung. Journalismus dient im Kern dazu, unbeeinflusst von Interessen über aktuelle Ereignisse zu informieren; dazu haben sich eine Reihe von Methoden, Techniken und Praktiken entwickelt. Kulturell sind sie vergleichbar mit anderen Methoden der Wahrheitsfindung im Rechtssystem, in der Philologie und Historiographie oder in den Naturwissenschaften. (Ich bin vielleicht naiv, aber wie Tim Bray glaube ich an die Wahrheit. Ich bin davon überzeugt, dass die Bedeutung eines Satzes in seinen Wahrheitsbedingungen besteht.)

  5. Die journalistischen Recherche- und Verifikationsmethoden verändern sich radikal. Immer mehr Informationen sind öffentlich zugänglich; Journalistinnen können (und sollen) publizieren, wie sie zu ihren Aussagen kommen; Newsrooms werden transparent arbeiten, wenn sie in einer vernetzten Öffentlichkeit eine Chance haben wollen. Journalismus hängt immer mehr von Daten ab und muss mit Daten umgehen. Diese Veränderungen bedeuten für den Journalismus Chancen auf größere Aktualität, mehr Kontext, direkteren Zugang zu Quellen, also zu größerer Qualität. Die Grundlagenkrise wird den Journalismus so wenig umbringen, wie Grundlagenkrisen in der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts zum Ende der Physik geführt hat.

  6. Die Gesellschaft wird mehr und nicht weniger Journalismus brauchen. Je mehr die Gesellschaft zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft wird, desto größer wird der Bedarf nach verlässlicher Information. Das Leben von immer mehr Menschen hängt davon ab, dass sie nicht nur über Politik, sondern auch über Entwicklungen in der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien informiert werden. Je mehr Firmen und Organisationen auf Kommunikation angewiesen sind, desto wichtiger werden neutrale Informationsquellen. Wenn journalistische Qualität weniger von Unternehen (Verlagen) finanziert wird, wird der gesellschaftliche Druck wachsen, die anders zu ermöglichen, z.B. im öffentlich-rechtlichen System und durch Non-Profit-Organisationen und NGOs.

  7. Es entwickeln sich neue Geschäftsmodelle und Berufsbilder. Es gibt viele Beispiele dafür, dass journalistische Kompetenz im Web erfolgreich vermarktet werden kann, von der Sportberichterstattung bei adrivo bis zu einem Branchenmagazin wie turi2. Zum Erfolg gehört es dabei, die Vorteile des Webs zu nutzen und auf eine überflüssige materielle Infrastruktur zu verzichten.

  8. Journalistische Kompetenz wird mehr und mehr außerhalb der traditionellen Berufsfelder gefragt werden. Jeder Mensch und jede Organisation kann im Web selbst publizieren. Blogs, Microblogs und Wikis haben bereits einen blühenden Mikrojournalismus hervorgebracht. Erfolg mit solchen Publikationen ist auch eine Sache journalistischer Kompetenz. Journalisten sind deshalb immer mehr auch als Vermittler und Pädagogen gefragt. Dass jeder journalistisch arbeiten kann, bedeutet aber nicht, dass es keine professionellen Journalisten mehr geben wird. Die professionelle Fotografie ist nicht untergegangen, weil sich jeder Mensch eine Kamera leisten kann.

  9. Öffentlichkeitsarbeit und PR werden sich nicht weniger radikal verändern als der Journalismus. Aus der Krise in der Medienbranche kann man nicht schließen, dass es sinnvoller sei, für PR und Unternehmenskommunikation auszubilden. PR, die sich auf die klassischen Medien verlässt, wird weniger wichtig werden, wenn diese Medien zu Randphänomenen werden. Gerade in der Organisations- und Unternehmenskommunikation ist aber journalistische Kompetenz gefragt, und dabei wird es sich immer mehr die Kompetenzen handeln, die Robert Scoble „Journalismus Plus“ nennt.

  10. Erfolgsfaktoren für Journalistinnen sind Medien- und Netzwerkkompetenz und Wissen auf einem Fachgebiet. Durch das Web sinkt die Bedeutung von materieller Infrastruktur und hierarchischer Organisation. Inhaltlich kompetente Menschen können direkt die Öffentlichkeit und die Medien erreichen. Noch mehr als bisher wird der Erfolg eines Journalisten damit von seiner fachlichen Kompetenz und seiner Fähigkeit abhängen, sich eine persönliche Marke aufzubauen. Wie und wie gut so etwas funktionieren kann, zeigen in unserer Region Georg Holzer oder Norbert Mappes-Niediek.

In den letzten Wochen habe ich öfter über Linkjournalismus geschrieben. Der Ausdruck meint eine Methode — berichte, wo du dich auskennst, und linke auf den Rest! — und eine Haltung: verwende die Informationen, die du und deine Leser brauchen, und verweise auf ihre Urheber, auch wenn es deine Konkurrenten sind. Über Apture schreibe ich zugleich begeistert und skeptisch: Apture bietet enorme neue Möglichkeiten für den Linkjournalismus, kann aber auch benutzt werden, um die walled gardens der überkommenen Verlage vor den Stürmen des Webs und des Markts zu schützen.

Mit Apture kann eine Autorin einen Text einfach und wirkungsvoll mit Rich Media (Text, Bild, Audio, Video) ausstatten. Die Medien erscheinen in Popup-Fenstern, wenn der Benutzer mit ihnen verlinkte Textstellen überfährt. Sie stammen aus einem Pool aus frei zugänglichem Material, proprietäre Medien können hinzukommen.

Apture bei der BBC und der Washington Post

Die BBC hat Apture im Sommer auf ihrer News-Site getestet. Im Augenblick wird diskutiert, wie man weiter vorgehen will, und wie überhaupt auf den BBC-Seiten mit Links umgegangen werden soll. Am 8. Dezember gab die Washington Post bekannt, dass sie mit Apture zusammenarbeitet; sie will damit

offer readers a highly engaging way to view political data, congressional records, video, news and abstracts within a single washingtonpost.com browser experience. In addition, washingtonpost.com will make this data and content available to any blog or Web site that uses the Apture publishing platform [MarketWatch; dazu Only open news is good news – CNET News].

Andere Seiten, die Apture verwenden, können über die Washington Post auf dieselben Inhalte zugreifen.

Lawrence Lessig übernimmt in seinem Blog das Video, das zeigt, wir die Washington-Post mit Apture über den US-Kongress informiert. Es ist eine gute Einführung in die Technologie und ihre Möglichkeiten:

Ein Layer für Medien

Apture kommt den Bedürfnissen der Benutzerinnen wie der Autoren so sehr entgegen, dass man öfter leise wow sagt, wenn man es kennen lernt. Der Benutzer kann die Fenster vergrößern und verkleinern, er kann Serien von Medien durchblättern, zu bestimmten Stellen in Audios und Videos springen oder sich das Inhaltsverzeichnis eines Wikipedia-Artikels anzeigen lassen. Die Autorin installiert lediglich ein kleines JavaScript-Fragment — etwa als unsichtbares Widget in einem Weblog. Dann muss sie nur ein Wort markieren, und es erscheint ein Auswahlmenü für Medien. Apture durchsucht und verwendet Medien, die unter Creative Commons lizensiert sind. Eigene PDF-Dokumente kann man über Scribd hinzufügen. Man kann einen Text mit einer ausführlichen Dokumentation ausstatten, indem man auf mehrere Inhalte zugleich verweist. Bemerkenswert und so wohl einmalig: Apture-Authoring findet am fertigen Text außerhalb eines Content Management Systems statt. Da Apture ein eigenes Layer bildet, kann man seine Texte zur wikiartigen Bearbeitung durch andere Apture-Benutzer freigeben.

Die für mich beste Beschreibung der Möglichkeiten Aptures stammt von Ben Metcalfe, der zu Aptures board of advisors gehört. Wie Apture funktioniert, erfährt man im Apture Wiki. Allerdings gibt es dort nur wenig technische Informationen. Robin Good führt gründlich in Apture ein

Man kann Apture an- und abschalten, die Texte selbst werden durch Apture nicht verändert, sie erhalten lediglich ein zusätzliches Layer. Das erlaubt es, sie so anzulegen, dass sie auch ohne die Ergänzung durch Apture funktionieren — ein Muss unter Usability- und Accessibility-Gesichtspunkten. (Unter dieser Perspektive beschäftige ich mich hier nicht mit Apture, sie spielt wohl bei der Diskussion in der BBC eine wichtige Rolle.) Die Apture-Links können dynamisch sein und auf Material verweisen, das jeweils aktuell gesucht wird.

Hoffnung für Verleger?

Apture lässt sich mit jedem gängigen Blogging-Tool zusammen verwenden. Entworfen wurde es sowohl für Bloggerinnen wie für Verlage. Blogger müssen für Apture nichts bezahlen; Apture will Geld verdienen, indem es an den Werbeerlösen von Publikationen beteiligt wird, die Apture verwenden. Für Verlage ist an Apture attraktiv — und das ist eine seiner problematischen Seiten — dass die User auf den mit Medien ausgestatteten Seiten bleiben und nicht durch Links zu anderen Angeboten geschickt werden. Das Apture-Marketing nährt den Pfeifentraum der Medienhäuser, alle Inhalte aus einer Hand anzubieten. Die Praxis wird zeigen, ob Apture die Vernetzung und damit den Linkjournalismus unterstützen wird oder das Abschotten von Inhalten.

In die rechte Kolumne von Lost and Found habe ich unter Tips ein Linkblog eingefügt. Gemacht ist das Linkblog mit Publish2 (Blog hier), einem Service für Journalisten zum Sammeln und Austauschen von Links. Ins Leben gerufen hat ihn Scott Karp, der in seinem Blog Publishing 2.0 den Link-Journalismus ausgerufen hat und promotet. Publish2 hat die meisten Funktionen von Delicious und erlaubt es, Links auch an Delicious zu posten. (Was ich tue, denn für mich bleibt Delicious das wichtigste Werkzeug, um Informationen zu sammeln.)

Publish2 enthält aber auch Funktionen, die delicious nicht bietet, und die die Recherche und das Publizieren erleichtern. So kann man bei demselben Link private und öffentliche Notizen machen. In eigenen Feldern können das Veröffentlichungsdatum und die Quelle festgehalten werden. Außerdem gibt es drei Kategorien von Bookmarks: außer denen für die Publikation von Links kann man welche für laufende Recherchen und für Hinweise auf eigene Publikationen anlegen. Außer an Delicious lassen sich Links auch an Twitter schicken, wahlweise mit eigenem Text oder dem öffentlichen Kommentar für die Linksammlung.

Wichtigstes Arbeitsmittel ist ein Bookmarklet. Wie es funktioniert, habe ich in einem Screencast festgehalten:

Link: Das publish2-Bookmarklet

Die Linksammlung jedes Benutzers ist auf einer Seite erreichbar; dort können die Links ausgetauscht und auch kommentiert werden. (Meine Publish2-Links sind außer in diesem Blog hier zu finden. Ein RSS-Feed kann hier über Feedburner abonniert werden.) Über diese Linksammlung kann man sich mit wenigen Klicks ein Widget erstellen, das man als Linkblog in sein Blog einbauen kann.

Publish2 integriert das Sammeln von Links in den journalistischen Workflow, und zwar in einer webgemäßen Weise, bei der Informationen auf allen Bearbeitungsstufen geteilt werden. Es gehört so in eine Reihe mit anderen Netzwerken für Journalisten, die verteiltes gemeinsames Arbeiten im Web erlauben, z.B. Wired Journalists.

Der Offenheit des Web 2.0 widerspricht, dass man zugelassen werden muss, wenn man Publish2 verwenden will. Es wird gecheckt, ob man entprechend professsionellen Standards arbeitet — für mich riecht das etwas nach Korporatismus. Ich fände es besser, wenn man sich innerhalb des Service ein Netzwerk von Vertrauenspersonen aufbauen könnte, statt gleich am Eingang geprüft zu werden. Allerdings hat die Bestätigung meines Accounts nur eine Stunde gedauert (als media outlet habe ich mein Blog angegeben) und ich freue mich, an dieser Initiative teilnehmen zu können.

Kurz vor Jeff Jarvis hat Matt Thompson festgestellt, dass sich der Artikel nicht als Grundeinheit des Online-Journalismus eignet. Für Thompson ist entscheidend, dass sich ein abgeschlossener Artikel nur schwer aktualisieren lässt. Schreibt man ihn immer wieder um, wird er zerstört. Die Alternative bieten native Web-Formate wie Blog-Einträge und Wiki-Seiten. Je mehr sich das Prinzip Online First durchsetze (also Nachrichten zuerst im Web und erst später in einer Print-Ausgabe gebracht werden), desto mehr gingen Sites zu diesen Formaten über. Der Artikel wird, so Thompson, der Story, dem verwickelten, nie abgeschlossenen Geschehen, über das berichtet wird, nicht gerecht.

Interessant ist bei Thompson auch die Kritik, dass der herkömmliche Artikel sich zu wenig dazu eignet, den Kontext einer Nachricht deutlich zu machen. Umgekehrt — Thompson führt das in diesem Post nicht aus — kann man sagen, dass native Hypertext-Formate eigene Möglichkeiten bieten, Zusammenhänge darzustellen. Wikis bieten begriffliche Verknüpfungen, Blogeinträge verweisen auf den zeitlichen Kontext, dialogische Formate (Kommentare, Foreneinträge) stellen einen sozialen oder Diskussionskontext für die Meldung her, und Linksammlungen machen deutlich, welche Zusammenhänge es mit anderen Publikationen gibt.

Thompson bloggt in Newsless.org über seinen Versuch eine Nachrichten-Website zu konzipieren, die das Hauptgewicht auf den Kontext statt auf das zeitliche Nacheinander legt. Sein Programm formuliert er hier