Jürgen Habermas denkt darüber nach, seriöse Zeitungen öffentlich rechtlich oder durch Stiftungen zu finanzieren. Der Text hat beinahe etwas Rührendes — in seinem Glauben an den Qualitätsjournalismus und auch in seiner Ignoranz gegenüber den Online-Medien.

Ich finde, dass Habermas Recht hat, was die Funktion des Journalismus für die Demokratie angeht. Figuren wie George Bush oder Silvio Berlusconi könnten nicht in Ländern an die Macht gelangen, in denen die bürgerliche Presse noch halbwegs funktioniert. Unabhängiger Journalismus lässt sich aber auch anders sichern als durch die öffentliche Finanzierung von Zeitungsverlagen, zum Beispiel den entschlossenen Ausbau der Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Möglich wäre auch, dass Leute, deren Arbeitsplätze öffentlich finanziert sind, zum Schreiben für Bürgermedien ermutigt werden. (In einer „wilden“ Form arbeite ich diesem Blog nach einem solchen Modell.)

Bis die interaktiven Medien die Qualität der seriösen Zeitungen erreicht haben (und die reicht bei weitem nicht aus), ist es vielleicht tatsächlich besser, wenn die Süddeutsche Zeitung einer öffentlichen Stiftung statt einem Cerberus gehört.

BTW: Was wird eigentlich aus dem Standard, wenn der Süddeutsche Verlag [tatsächlich verkauft](
http://derstandard.at/?id=2846164 „Besitzer dürfen ‚Süddeutsche‘ zum Verkauf anbieten – derStandard.at“) wird?

In den USA machen Watchdog-Gruppen politische Vorgänge mit Mashups transparent. Ein Beispiel zeigt, wie Lobbies mit Spenden verhindern, dass kalifornische Abgeordnete für Umweltschutz stimmen:

Maplighttimber

Für Mashups mit öffentlich zugänglichen Daten benötigt man Application Programming Interfaces (APIs): Schnittstellen, über die sich die benötigten Informationen automatisiert beschaffen lassen.

Wired hat politischen Mashups einen Artikel gewidmet: Web Mashups Turn Citizens Into Washington’s Newest Watchdogs; er beginnt:

Tread carefully, politicians — concerned citizens are watching your every move on the web. Their tools? Custom data mashups that use public databases to draw correlations between every vote cast and every dollar spent in Washington.

Den Hinweis verdanke ich dem ProgrammableWeb-Blog:
„Can web mashups keep politicians on their toes?“

ProgrammableWeb ist ein laufend aktualisiertes Verzeichnis von APIs, die sich für Mashups nutzen lassen; es bietet außerdem viele zusätzliche Informationen zum Thema Mashups. Die Site listet neun APIs zu Regierungsausgaben in den USA. Nachahmswerte Highlights: OMB Watch/fedspendin.org und Follow The Money

Christian Burger hat in seinem Blog zwei Grafiken zu Christoph Neubergers Kommunikationsmodell veröffentlicht und kommentiert. Bisher suche ich vergeblich nach einer Online-Publikation durch Christoph Neuberger selbst. Die Grafiken übernehme ich, weil man mit ihnen gut erklären kann , wie das Netz die Bedingungen für Journalismus und PR verändert:

Journalismus alt
Journalismus neu

Übrigens erinnern die Grafiken an das unterschiedliche Kirchenverständnis bei Katholiken und Protestanten. Der Journalismus als Gatekeeper spielt eine ähnliche Rolle wie die „una sancta“: Er hat die direkte, privilegierte Verbindung zur Wahrheit, nur durch seine Vermittlung erhält die Öffentlichkeit zuverlässige Informationen. Das Netz ermöglicht dagegen so etwas wie die Priesterschaft aller Gläubigen.

Als ich die Grafiken gesehen habe, war meine erste Frage: Wozu braucht man dann den Journalismus? Aber die Geschichte der evangelischen Kirchen zeigt, dass sich auch in der prekären Position zwischen den Quellen und den vernetzten Rezipienten (die ja letztlich selbst zu Quellen werden) Institutionen entwickeln und stabilisieren können.

Ob beim ORF jemand Blog-Monitoring betreibt? Wenn ja, hat sie/er wenig zu tun. Mir ist es nicht gelungen, auch nur ein Posting zu finden, dass sich mit der neuen Leitung von orf on und mit den geplanten Änderungen des Angebots beschäftigt. Über Extradienst und Medianet kann man sich im Web noch am ehesten ein Bild von den Ereignissen bei der reichweitenstärksten News-Site Österreichs zu machen. Niemand diskutiert öffentlich, wohin sich orf on entwickeln sollte — übrigens auch nicht auf den Sites der traditionellen Medien.

Die neuen Verantwortlichen beschäftigen sich wohl vor allem damit, TV-Formate auch im Netz anzubieten und durch Netzangebote zu unterstützen. Die Vermarktung bestimmt offenbar am meisten, wie sich das Angebot inhaltlich entwickelt. Man versteht das Web eher als einen von vielen Kanälen, nicht als ein Medium mit eigener Logik. (Wenn ich mich täusche, bitte ich um Korrektur in den Kommentaren.)

Bleibt es dabei, verpasst der ORF eine große Chance. orf on hat ein neues journalistisches Konzept verdient. Es wäre leicht, sich an der BBC oder auch an Sendern wie CNN zu orientieren; auch von Angeboten wie tagesschau.de könnte man sich abschauen, wie ein journalistisch anspruchsvolles Informationsangebot im Web aussieht.

Ich bin da sicher naiv, aber ich finde, dass die Angebote einer öffentlich-rechtlichen Anstalt an anderen Kriterien als Reichweiten und Werbeeinahmen gemessen werden sollten, auch im Web. Gerade weil es für seriösen Journalismus im Netz kaum funktionierende Geschäftsmodelle gibt, braucht er Institutionen wie den ORF.

Vielleicht sollten die österreichischen Blogger einen ORF Day ins Leben rufen und Vorschläge für orf on in der Zukunft diskutieren.

Die Kleine Zeitung beklagt heute in einem Kommentar, dass die Hearings zur Wahl des Rektors der FH Joanneum nicht öffentlich sind. Leider ist er in der Online-Ausgabe nicht zu finden, man kann ihn also auch nicht bookmarken. Schade, denn zu einem Thema wie diesem könnten die Betroffenen (nicht nur wir FH-Mitarbeiter und die Studenten, sondern auch die Wähler und Steuerzahler) diskutieren. Das würde es den Parteien erschweren, hinter den Kulissen ihre Einflusszonen auszudealen.

Argumente dafür, den Ausdruck zu verwenden:

  • Social Media verneint nicht nur, was nicht gemeint ist — im Gegensatz etwa zu Neue Medien oder auch dezentrale Medien.
  • Social Media bezieht sich nicht auf Publikationstypen, die an die älteren Medien gebunden sind, wie es bei Online-Journalismus und Online-PR der Fall ist.
  • Social Media meint nicht vor allem eine Technik, sondern das, was man mit ihr macht. (Fernsehen sagt mehr als Elektronische Medien.)
  • Social Media ist ein brauchbarer Gegenbegriff zu Massenmedien.

Gegenargumente:

1. Es handelt sich nur um einen PR-Term, mit dem Agenturen Dienstleistungen an Unwissende verkaufen wollen.

Stimmt wahrscheinlich, was die Entstehung des Ausdrucks angeht. Aber ist es negativ, wenn man mit einem Ausdruck werben kann? Außerdem hört man der Bezeichnung ihre Herkunft nicht an. Sie trifft, was die Wikipedia von einem herkömmlichen Lexikon oder Youtube von einem Fernsehsender unterscheidet. Sie deutet wenigstens an, was beim Journalismus im Web anders ist als beim Journalismus in den Massenmedien.

2. Der Ausdruck grenzt das Gemeinte unnötig ein.

Richtig. Der Ausdruck spart die technische Ebene des Web aus und bezieht sich möglicherweise nur auf einige gerade aktuelle Phänomene. Aber die technische Ebene lässt sich von der sozialen nicht trennen, und was als technisch wahrgenommen wird, unterscheidet sich je nach Gewohnheiten und Alter.

3. Es handelt sich um einen Anglizismus.

Auch richtig. Aber Sprachreinheit ist eine ideologische Fiktion; die Innovationen auf diesem Gebiet kommen fast immer aus den USA, warum soll man sie nicht auch englischen Ausdrücke benutzen? Hätten die Germanen Literatur, Zivilisation, Kultur oder auch die Termen erfunden, würde man sie heute nicht mit lateinischen Wörtern bezeichnen. Außerdem: Was spricht gegen soziale Medien?

Nur ein kurzer Hinweis (wegen akuter Tagesüberfüllung) auf Chris Langreiters und Gernot Tscherteus Projekt Mememapper: analytische Kartographie der Blogosphäre, extrem interessant aus vielen Perspektiven (u.a. selbstorganisierende Lernumgebungen, Blog-Tracking). Zur Zeit gibt es &mdash außer detaillierten Beschreibungen des Konzepts — ein

weblog about all kinds of maps — with a focus on information diffusion maps [mememapper » About].

Eine Google-Suche nach dem Stichwort Personal News Environment bringt keine Ergebnisse. Es gibt aber eine ganze Reihe von Ideen für ein Personal Information Management. Matthew Cornell schlägt eine Information IDE vor. Dafür braucht er

what I’ve been calling "self-structuring" operations, ones that support emergent organization of the data, esp. for records with more traditional database-like structure [Matt’s Idea Blog: Where’s the IDE (Integrated Development Environment) for personal information?].

Cornell will mit seine Information IDE die Informationen organisieren, die er schon erhalten hat, es geht ihm nicht darum, die Informationsströme zu strukturieren, die zu ihm gelangen. Das Posting ist jedenfalls lesenswert, u.a auch wegen Links wie dem zu Cornells Projekt CRAM – a Contextual Relational Augmented Memory for Personal Data Mining.

Für mich wäre ein Personal News Environment vor allem ein Filter für die Informationsströme, die mich erreichen, so etwas wie der digitale Ersatz für die Tageszeitung. Es würde die Idee des Vendor Relationship Management auf die Ebene der Nachrichten übertragen. Es müsste dabei vor allem Ton Zijlstras Gedanken der People Centered Navigation konkretisieren, weil ich in einer solchen Umgebung vor allem festlege, von welchen Personen ich welche Informationen bekommen will, mir so etwas wie meine eigene Nachrichtenredaktion zusammenstellen kann. Und anders als in einem einfachen Aggregator würden sich dabei die Ströme gegenseitig beeinflussen, etwa indem bestimmte Quellen steuern, welche anderen Quellen eingespeist werden.