Michael Fleischhacker hat auf den Brief, den mein Chef Heinz M. Fischer ihm gestern geschrieben hat, geantwortet. Sein Text im Folgenden. Meine öffentlichen Kommunikationsbedürfnisse sind noch nicht befriedigt. Bald mehr.
Leider habe ich mir die Stelle nicht notiert—irgendwo habe ich zum Jahreswechsel gelesen, dass 2009 „Social Media“ als Buzzword „Web 2.0“ überholt hat. Ich habe den Eindruck, dass der Ausdruck, übrigens auch sein deutsches Pendant „soziale Medien“, oft schon selbstverständlich geworden ist. Mir selbst haben im letzten Jahr Internetausdrucker vorgeworfen, dass ich „Online-Journalismus“ und „Soziale Medien“ gleich setze. Anlässe, wieder einmal darüber nachzudenken, was mir diesem Ausdruck gemeint ist, und ob es sinnvoll ist, ihn zu benutzen.
Gestern hatte ich einen spannenden und sehr netten Abend: Bei den Minoriten sprachen Christoph Chorherr und Dieter Rappold über das Web 2.0; Georg Holzer moderierte. Gespräche an der Bar und dann im Opatija folgten. Frische Luft für das Gehirn!
Ich habe am Wochenende einige Texte gelesen, die sich mit den Folgen der Finanzkrise beschäftigen, vor allem A User’s Guide to 21st Century Economics von Umair Haque und Work on Stuff that Matters von Tim O’Reilly. Sie beziehen sich nicht aufeinander, aber sie zielen in dieselbe Richtung: Die aktuelle Wirtschaftskrise als Anlass zu nutzen, die Konsumgesellschaft als solche in Frage zu stellen und zu überwinden — also eine Wirtschaft, die darauf basiert, immer mehr und immer billigere Konsumgüter zu produzieren und die Kosten dafür den ärmeren Ländern und den nächsten Generationen aufzubürden.
Armin Thurnher sorgt sich in seinem Kommentar Warum ich mich weigere, das Internet als Medium wirklich ernst zu nehmen im Falter vom 17.12.2008 um die Qualität der öffentlichen Diskussion. Ich fürchte, dass Interventionen wie dieser Artikel dem Niveau der Debatten über die Medien mehr schaden als nutzen, denn sie zielen nicht auf das Internet sondern auf eine Karikatur des Netzes: Urheberrechtsverletzer, anonyme Poster, gefakete Identitäten und irrationale Suchmaschinen-Algorithmen bestimmen das Bild. Diese Karikatur ist sicher nicht beabsichtigt; Thurnher hat Gegenargumente verdient. Auch und gerade in seinen Missverständnissen ist er ein interessanterer und nicht zuletzt eleganterer Widerpart als Wolfgang Lorenz mit seinem Sager vom Scheiss-Internet. Außerdem teilen viele der Gebildeten unter den Verächtern des Internets seine Vorstellungen von diesem Medium, das sie nur mit intellektuellen Beisszangen anfassen. Leider hat von den österreichischen Bloggern kaum jemand auf Thurnher reagiert (Ausnahmen: Gerald Bäck, Tom Schaffer; [Update und Korrektur, 24. Dezember: nachzutragen sind Blumenau, Andreas Ulrich und Bruckner]). Hier ein paar Kommentare zu Zitaten aus Thurnhers Artikel:
Nur eine erste Antwort: Weil er nicht weiß, wovon er spricht, und weil er desavouiert, was er hochhält. Ahnungsloser lässt sich kaum schreiben.
Am Ende von Thurnhers Kommentar im gestrigen Falter (Printausgabe) finden sich zwei Argumente:
Für den ORF-Fernsehdirektor ist das Web kein Medium, sondern eine Droge zur Flucht aus der Wirklichkeit. Ausgerechnet er muss jetzt erfahren, dass sich auch in Österreich eine verlinkte Öffentlichkeit herausbildet, die den Monopolanspruch seines Mediums schon gebrochen hat.
Leider berichtet Sebastian Bauer korrekt: ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz sprach beim ORF Dialogforum auf dem Elevate Festival vom Scheiss-Internet
, forderte die jungen Leute auf, sich da zu äußern, wo sie der ORF auch hören könne, und warf ihnen dann auch noch vor, nicht zu rebellieren. Ich saß selbst auf dem Podium und war zunehmend entsetzt. Lorenz, den sich die rechten Feinde der Meinungsfreiheit gerade als Zielscheibe ausgesucht haben, demontierte sich selbst und verhinderte damit übrigens nahezu jede Diskussion über das eigentliche Thema des Abends. Mich hat das ständig wiederholte Scheiss-
nicht so sehr gestört wie der Vorwurf, dass sich die jungen Leute
ins Internet verkriechen.
Brian Stelter beschreibt in der New York Times, wie junge Leute in Amerika sich über den Vorwahlkampf, vor allem über Barack Obama informieren: Finding Political News Online, the Young Pass It On [via Sebastien Provencher]. Fast wie in einem Lehrbuch zeigt der Bericht, wie soziale Medien funktionieren: Empfehlungen durch die User in sozialen Netzwerken treten an die Stelle der Filterung und Sortierung durch Journalisten in den klassischen Medien. Eine Person gibt ein Link an die nächste weiter, und entsprechend dem Prinzip der six degrees of separation
erreicht eine Nachricht ihre Adressaten.
If the news is important, it will find me,
sagt jemand von den befragten Studenten. Mathew Ingram hebt diesen Satz in seiner Analyse von Stelters Artikel hervor. Wie Ingram finde ich, dass jeder Medieninteressierte Stelters Artikel lesen sollte.
Noch einmal Paul Bradshow, er beschreibt, wie ein Blog-Posting innerhalb kürzester Zeit 1600mal republiziert oder verlinkt wird. Illustriert gut, wie sich Informationen in vernetzten Medien verbreiten. Das Netzwerk als Verbreitungsmedium
ist offensichtlich nicht weniger effizient als die Distribution via Massenmedien [via Martin Stabe].